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Lebendige Erde 6/2003:PortraitWaldbau mit Lichtregie und GeduldDer Förster Leonhard Jentgens arbeitet naturgemäß und biologisch-dynamischvon Michael Olbrich-Majer
Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht - plötzlich geht mir ein tieferer Sinn des Sprichwortes auf. Gerade eile ich mit Förster Leonhard Jentgens durch den Hamborner Wald, raschen Schrittes durchmisst er sein Revier, mir prächtige Einzelbäume, Naturverjüngung, Waldstadien erklärend. Frau Schmitz, sein munterer Dackel, trippelt neben uns durchs Unterholz und inspiziert Muselcher und Dachsspuren. Jentgens führt mich zu Bereichen, wo seine Maßnahmen gegriffen haben und der Wald nicht nur in den Arten gemischt ist, sondern auch im Alter der Pflanzen: zarte, kniehohe Verjüngung, zukünftige Bäume im Buschstadium, stattlich wachsende Laubhölzer. Naturnaher Waldbau ist die Basis für Jentgens. Vergleicht man diesen relativ lichten mehrstufigen Wald mit einem dichten uniformen Fichtenforst von Stämmen eines Alters, hat letzterer mit Wald weit weniger zu tun - trotz vieler Bäume. Forst, Landwirtschaft und Gemeinschaft Die Forstwirtschaft auf den 153 Hektaren Wald in Hamborn ist ein Einmannbetrieb im Hof: Jentgens ist Miteigentümer, Betriebsleiter und sein eigener Waldarbeiter und Jäger. Fällarbeiten werden vergeben. Früher hatte er noch einen Mitarbeiter, jetzt hilft ein Zivildienstleistender im Wald. Immer wieder gibt es anzuleitende Schüler aus der Berufsförderung in Hamborn: heute beseitigen drei von ihnen Unterwuchs an einem Weg. Im Rahmen der an Waldorfschulen üblichen Landbaupraktika kommen regelmäßig Gruppen von Neuntklässlern zur Waldarbeit und auch die Sonderpädagogik hat ein Waldpraktikum. Waldrandgestaltung und Heckenpflanzung hat Jentgens vorgenommen, teils mit Heistern aus dem eigenen Pflanzgarten. Hier berühren sich Wald und Landbau direkt. Auch beim Bau des Heulagers - aus geschälten Bäumen - war Jentgens federführend. Die intensivste Verbindung zur Werkgemeinschaft aber schafft die 2002 gebaute Holzhackschnitzelheizung. In einem Gebäude auf dem Hofgelände untergebracht, versorgt sie zum Teil mit eigenem Holz über ein Nahwärmenetz die Hälfte der Gemeinschaft, 15.000 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche. Die 850 KW sollen demnächst um 500 erweitert werden, dann reicht es fast für alle. Die Heizleistung wird intern in der Gemeinschaft verrechnet, schließlich finanziert diese auch landwirtschaftliche Investitionen wie den Stall mit. Da mit der Zeit arbeitspädagogische Projekte wie ein Obsthof und eine Gärtnerei entstanden sind, ist der Landwirtschaftsbetrieb heute eher fachlich denn an pädagogischen Zwecken ausgerichtet und seine Leistungen sind - wie in der Gesellschaft allgemein - umstritten. Daher ist immer wieder im Gespräch, die Landwirtschaft auszugliedern. | ||||
Förster als Traumberuf?
Die Axt im Walde: Umbau im Vertrauen auf die
Natur Das gängige Maßnahmenbündel im Waldbau besteht aus Anzucht, Walderneuerung, Bestandeserziehung und Pflege, doch das alles entscheidende Mittel ist die Nutzung, der Einschlag: Ob die Betriebsart der schlagweise Hochwald ist, wo Flächen meist gleichalter Bäume auf einmal umgelegt und wieder aufgeforstet werden oder ob es die Plenterung, also die Entnahme von Einzelstämmen ist, die den Unterwuchs mosaikartig fördert, das macht den Unterschied. Naturgemäß ist letzteres. Jentgens unterließ von Anfang an Kahlschläge, bepflanzte alle blanken
Flächen und zäunte sie hasen- und rehdicht ein. Verbiss ist eine wesentliche
Ursache dafür, dass der Wald nicht selbst durch die gefallenen Samen
für Nachwuchs sorgen kann. Das Zäunen ist extrem aufwendig. Viele Förster
und Waldbesitzer fordern daher höhere Abschussquoten, um den Verbiss
durch einen geringeren Wildbesatz auf der Fläche zu mindern. Doch Jäger
wollen meist viel Wild. Deshalb wurde in Hamborn die Jagd auf Eigenregie
umgestellt - Jagderlaubnisscheine und Wildbret bringen zusätzliche Einnahmen.
Der Abschuss konnte so deutlich erhöht werden, heute liegt er bei 10
Rehen je 100 Hektar Wald und Land. Seitdem kann Jentgens auf das Zäunen
verzichten. Die auf den wüchsigen Böden reichliche Verjüngung bietet
zudem ein reichlich Äsung, mindert so den Verbissdruck und bietet einen
Vorrat an Wildlingspflanzgut. Auch werden Bäume gezielt durch Ringeln
zum Absterben gebracht. Totholz belebt den Wald. Specht- und Horstbäume
werden verschont, die Rote Waldameise gefördert, da sie sich auf dem
Kalk schwertut. |
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Der Förster führt die Lichtregie
Komplexer wird das noch dadurch, dass die verschiedenen Baumarten zu unterschiedlichen Lebensaltern ihren Kulminationspunkt im Wachstum erreichen und ein Wald sich in typischen Phasen über mehrere Jahrhunderte entwickelt. Man braucht schon eine geübte Vorstellungskraft, um zu erkennen, wie ein Waldstück in zwanzig oder vierzig Jahren aussähe, und daraus die richtigen Maßnahmen herzuleiten. Fällen, Aufasten, Fenster für die Naturverjüngung schaffen, Zukunftsbäume erkennen, Konkurrenz steuern, Verbiss regulieren, gerade im naturgemäßen Wald muss der Förster die Strippen ziehen, ist er der wandelnde, geistesgegenwärtige Regisseur. "Hier muss ich noch ein bisschen warten, um den da freizustellen", sagt Jentgens und deutet auf ein Douglasie. "Wie lange?", frage ich. "So ungefähr zehn Jahre". Auch die Zeitdimension ist vielschichtiger als auf dem Acker. Wirtschaftliches Potenzial: der Einzelbaum als
Wertholz Das lohnt sich, denn Wertholz, vor allem Edelholz ist gefragt und besser
bezahlt. Ein Wertholzstück von 2,5 Festmetern einer 120jährigen Buche
bringt etwa 1.000 Euro, ungefähr fünfzig Buchen per Hektar strebt Jentgens
an. Ebenfalls 1.000 Euro sind aktuell mit einem Festmeter Ahorn zu erzielen.
Der Förster spart infolge der naturgemäßen Wirtschaft bereits Kosten
für die Aufzucht - für Kulturen und Verbissschutz - Naturverjüngung
gibt's umsonst. Auch sinken bei dicken Stämmen die Stückkosten der
Holzernte. Ein Forstwissenschaftler kam zu dem Ergebnis, dass die Plenterung
bis zu 50% Mehrertrag als der Kahlschlag bringen kann. Allerdings wechseln
die Holzmoden und die Preise stark -vor einigen Jahren war Esche, jetzt
ist Ahorn Mode. |
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Der Rücker kann der größte Feind des Waldes
sein Der Wald braucht den Menschen: biologisch-dynamische
Ansätze Auch biologisch-dynamischen Ansätzen hat Jentgens nachgespürt, doch
erst anfängliches gefunden: Sieht man einmal von der biologisch-dynamischen
Anzucht ab, stand das waldbaulich-naturgemäße Handwerk im Vordergrund.
Der Dauerwaldgedanke, den der Waldbauprofessor Alfred Müller Anfang
des 20sten Jahrhunderts formulierte, fügt sich gut zu den biologisch-dynamischen
Grundlagen Steiners. Insbesondere der 7. Vortrag aus dessen landwirtschaftlichem
Kurs macht die Wechselwirkung des Waldes als Organismus mit seiner Umgebung
deutlich. Die potenzielle natürliche Vegetation ist Grundlage, dennoch
wird der Wald gepflegt. "Man sollte sich fragen: Was will die Natur
- hier?" so beschreibt es Jentgens. Und die Natur brauche heute den
Menschen, so bedrängt wie sie ist, auch im Wald. Für den Hamborner Förster
heißt biodynamische Pflege vor allem der reichhaltige Aufbau des Waldes
in Zusammenhang mit der Lichtökologie - man könnte auch sagen, die Vielfalt
in den ätherischen Kräften. Und die gestaltet sich aus dem persönlichen
Verhältnis des Försters zum Wald: beobachten und lenken - warten können
und Geduld haben: Das Vertrauen in die Natur ist für ihn das A&O. Der
Forstklassiker Wilhelm Pfeil, 19. Jahrhundert, beschreibt das so: "Frag
die Bäume." |
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Hofgut Schloss Hamborn: Betriebsspiegel
Hofgut Schloss Hamborn, Hamborn 52, 33178 Borchen, 05251- 381329 |
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Schloss Hamborn - Rudolf Steiner Werkgemeinschaft e.V. Gegründet 1931 von der Ärztin Ita Wegmann und dem Heilpädagogen Siegfried Pickert, umfasst sieheute:
Schloss Hamborn R. Steiner Werkgemeinschaft e.V., 33178 Borchen, 05251-389-0 |
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