Die Umstellung auf Demeter: Start des Bio-Marktes
im Importland Luxemburg
Aender Schanck stammt aus einer Bauernfamilie und ist auf dem Hof der
Familie im Norden des Landes aufgewachsen. Nach Maschinenbaustudium
und fünfjähriger praktischer Erfahrung im Baugewerbe hatte er beim Bau
des eigenen Hauses ein Schlüsselerlebnis, das ihn zur Baubiologie führte
und darüber hinaus erstmals in Berührung mit anthroposophischen Ideen
brachte. "Die Schriften Steiners, vor allem der landwirtschaftliche
und der nationalökonomische Kurs, bewegten mich unter anderem dazu,
auf den elterlichen Hof zurückzukehren, den mittlerweile der jüngere
Bruder übernommen hatte", erzählt er. Die Landwirtschaft wollte er auf
Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise umstellen, davon konnte er seinen
Bruder überzeugen. Premiere für Luxemburg 1980: der erste biologisch-dynamische
Hof. Die Sache war nicht ohne Risiko in einem Land, wo die Landwirtschaft
quasi nur Milch, Fleisch und Getreide produziert, die Verarbeitung ausländischen
Konzernen überlässt und dessen Lebensmittelindustrie den größten Teil
seiner Waren aus Importen schöpft. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der
400.000-Einwohner-Staat keinen erfolgreichen Bio-Betrieb vorweisen.
Doch scheint es, dass die Zeit damals reif war für diese neue Form des
Anbaus und dessen Früchte. Das Interesse war groß.
Die erste Vermarktung der Erzeugnisse erfolgte über die neu gegründete
Verbraucherinitiative Bio-Krees und einige bestehende Bio-Läden. "Ich
fühlte mich verantwortlich, einen Absatz für die Demeter-Produkte zu
organisieren, deshalb war es mir ein Anliegen, ein gutes Vermarktungskonzept
zu entwickeln", verrät Schanck. Umweltschützer und Waldorfeltern engagierten
sich bei der Verteilung der kostbaren Ware, auch in die 70 Kilometer
entfernte Hauptstadt. Nach dem 65 Hektar umfassenden Schanck-Hof stellten
zwei weitere Betriebe und ein Gartenbaubetrieb um, ab 1983 gab es eine
Arbeitsgemeinschaft für biologisch-dynamische Landwirtschaft. Durch
die Verleihung des ersten Luxemburgischen Umweltpreises 1986 an den
Schanck-Hof stand der biologische Landbau plötzlich im Licht der Öffentlichkeit
- eine Initialzündung zur Umstellung weiterer Betriebe.
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Setzt sich auch über Luxem-burg
hinaus für Demeter ein: Schanck auf der MV des Demeter-Bundes |
Faire Vermarktung braucht eine tragfähige Struktur
Aender Schanck hatte sich in dieser Phase bereits vom Hof zurückgezogen
und widmete sich von Deutschland aus, wo seine Frau Viviane die Ausbildung
zur Sprachgestalterin in Alfter absolvierte, dem Aufbau und der Strukturierung
der Vermarktung. Der Vordenker mit Blick auf die langfristigen Entwicklungen
und auf der Suche nach nachhaltigen Modellen, schaute sich in Deutschland
um und fand in der Naturata Genossenschaft die passende Organisationsform
für die Initiative in der Heimat. Auch die Arbeit mit Udo Hermannsdorfer
spielte eine entscheidende Rolle: Die Bauern müssten sich zusammenschließen,
um vertragsfähig gegenüber Abnehmern zu sein und überdies beim Preis
eine Meinung vertreten, legte der Unternehmensberater der Initiative
eindringlich ans Herz. Im Jahr 1988 wurde die Genossenschaft BioG mit
15 Betrieben gegründet. Die Statuten sehen vor, die Erzeugnisse der
Mitglieder (heute 28) gemeinschaftlich zu verarbeiten und zu vermarkten.
Eines der Hauptziele: Faire Preise für alle Glieder der Wertschöpfungskette.
Mit Weitblick und den Ideen des nationalökonomischen Kurses im Hintergrund,
schaffte Schanck eine Hülle für das junge Gebilde Naturata Luxemburg
und ein inneres Gerüst, das bis heute erfolgreich ausgebaut werden konnte.
Profilierung durch eigene Läden und eine starke
Marke
Dabei sind die eingebundenen Einzelorganisationen, die Genossenschaft,
der Großhandel und die Einzelhandelsgeschäfte flexibel geblieben. Erstarrung
in verhärteten Fronten trat nicht ein, denn man bleibt im Gespräch.
So wurden die ersten Ansätze, die eine strikte Direktvermarktung einheimischer
Produkte vorsahen, modifiziert, den wirtschaftlichen Realitäten und
den Wünschen der Abnehmer angepasst. Das erste Geschäft in der Hauptstadt,
im Rollingergrund, entstand 1989. Hier musste sich Schanck gegen die
eher skeptischen Genossenschaftsmitglieder durchsetzen, denn ihm war
deutlich, dass es keine zukunftsweisende Alternative zu eigenen Läden
gab. "In schlechter Lage, recht provisorisch haben wir angefangen und
waren plötzlich mit regelmäßigen, zudem hohen Kosten konfrontiert",
erinnert sich Aender Schanck. Doch die Idee, biologisch-dynamische Lebensmittel
näher an die Verbraucher zu bringen, ließ ihn mit großer Energie das
Geschäft in einer 600-Quadratmeter-Halle in Stadtnähe einrichten. In
den Nebenräumen wurde zusätzlich eine Abpackerei aufgebaut.
Schließlich folgte auch ein Großhandel, denn bald stellte sich heraus,
dass die ursprüngliche Philosophie, nur Ware aus eigener Erzeugung und
Weiterverarbeitung zu vertreiben, den Wünschen der Kunden nicht gerecht
werden konnte. Die steuerliche Seite wiederum ließ nicht zu, dass die
Genossenschaft auch als Importeur fungierte. Der Großhandel Biogros
wurde gegründet (1992). "Der Weg der Ware sollte dadurch jedoch nicht
anonym werden", betont Schanck. Die Regionalität, die Gebundenheit der
Ware an die Höfe und damit eine möglichst hohe Transparenz für den Konsumenten
sollte erhalten bleiben. "Nur eine starke Marke und die Beteiligung
der Basis, sprich der Bauern, auch an den Entscheidungsprozessen, konnte
dies gewährleisten." Diese Strategie steht heute noch im Vordergrund
der Bemühungen. "Ein Markenimage lässt sich am besten in eigenen Geschäften
aufbauen und so weit entwickeln, dass die Marke auch für andere Geschäftsformen
interessant wird." So geschah es mit der Marke BioG, die mittlerweile
auf etwa 200 Produkten, frisch wie trocken, in den sieben Naturata-Geschäften
zu finden ist; aber nicht nur dort, sondern auch in den Hypermarchés
der einzigen nationalen Lebensmittelkette Luxemburgs namens Cactus.
Mit 100.000 bis 120.000 Kunden pro Woche im Hauptgeschäft am westlichen
Rand der Stadt Luxemburg und 18 anderen Filialen deckt der Konzern etwa
fünfzig Prozent des gesamten luxemburgischen Lebensmittelumsatzes.
Bis die Bio-Ware allerdings ab 1994 in den Cactus-Regalen stand, war
ein intensiver Abstimmungsprozess zu leisten, um den Boden für den Verkauf
der Fachhandelsmarke Demeter im konventionellen Umfeld vorzubereiten.
Die erste Anfrage des Konzerns nach Demeter-Produkten hatte Schanck
vehement abgelehnt. Heute sind es gut 1.000 Bio-und Demeter-Produkte,
die bei Cactus stehen; nicht alle werden von Biogros geliefert. Doch
es werden beträchtliche Mengen umgeschlagen, eine halbe Tonne Bio-Möhren
täglich, Brot und Backwaren machen 12 Prozent des Bäckerei-Umsatzes
aus, Obst und Gemüse sechs Prozent dieser Abteilung. Die Preise, so
ist es vertraglich festgehalten, liegen nicht unter Fachhandelsniveau.
Weitere Bedingungen sind entsprechende Werbung für die Bio-Linie und
die Zusammenkunft aller Beteiligten in einer regelmäßigen Gesprächsrunde.
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