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Lebendige Erde 6/2004:PortraitVorbild im Wandel - Der Talhof bei HeidenheimVon Michael Olbrich-MajerZwei Männer, ein Hof, damals und heute. Der eine, Sivert Joerges, Landwirtssohn aus Westfalen, hat gerade einen schicken tiergerechten Stall eingeweiht. Er bewirtschaftet mit seiner Frau Marianne den Talhof und überlegt, wie er sich in den ökonomisch schwieriger werdenden Zeiten nach fünfzehn Jahren Vielfalt auf das Wesentliche konzentriert. Der andere, Friedrich Sattler, Landwirt und Rentner, sein Vater war technischer Direktor eines Wasserwerks in Ostpreußen, reist heute noch viel, meist als Vorstand des Demeter-Bundes. Als Vorgänger von Joerges hat er dem Hof mit Frau Hannerose und der Gärtnerin Hilde Pfeiffer aus den kargen Anfängen in den fünfziger Jahren einen Namen gemacht. Der Talhof, am Rande der schwäbischen Alb, ist heute weit über die biologisch-dynamischen Szene hinaus bekannt, auch in der konventionellen Fachwelt: ein Musterbetrieb, der gerade das Jubiläum 75jähriger biologisch-dynamischer Bewirtschaftung feierte. |
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Der Standort: eine Herausforderung
Als Immanuel Voegele, Teilnehmer an Steiners landwirtschaftlichem Kurs, 1947 den Hof übernahm, war erstmal Aufbauarbeit an Boden und Herde zu leisten - die ab 1952 dann Friedrich Sattler fortführte. Der war als junger Soldat am Kriegsende zur Landwirtschaft gekommen, statt Chemie zu studieren. Er erfuhr eine solide, breite Ausbildung auf Gut Bomlitz in der Lüneburger Heide, einem vielfältigen biologisch-dynamischen Großbetrieb. Schon seine Mutter hatte ihren Garten so bewirtschaftet und Klein-Fritz rührte dort mit zehn die Präparate. Auf dem Gut wurden sie auf dem Wagen, unterwegs zum Feld gerührt und mit einem zweispännigen Spritzwagen ausgebracht. Danach ging er zu Voegele auf den Talhof. Hier arbeitete seine spätere Frau Hannerose in der Küche, nach Waldorfschule und Landbaulehre in Sachsen. Als sie dann ein Jahr in Schweden war, kam das Angebot , den Hof als Verwalter angestellt zu übernehmen.
Eigentlich wollten sie ablehnen: zu kalt, zu abgewirtschaftet, zu viel Hereingerede von der Firma. Zumindest das Letztere konnte der damals 24 jährige Sattler gleich in den Verhandlungen abstellen. Und ehe er die Betriebsleitung des Talhofs übernahm, arbeitete er noch ein Jahr auf dem Wurzerhof in Kärnten bei Dr. Erhard Bartsch mit. Die Aufbauarbeit dauerte dann länger. Unterstützung hatte das Ehepaar dabei von der Gärtnerin Hilde Pfeiffer, die seit 1948 auf dem Hof war und sich neben ihrem Gartenreich um die Präparateherstellung kümmerte. Mit einer dreizehngliedrigen, leguminosenstarken Fruchtfolge, durchdachter Düngung und Bodenbearbeitung und natürlich Einsatz der biologisch-dynamischen Präparate gelang es, die Bodenfruchtbarkeit stetig anzuheben, der Humusgehalt stieg auf 6%. Gearbeitet wurde mit Pferden, wie damals auch die meisten "konventionellen" oder besser traditionellen Nachbarn, die außer Kunstdünger - Pestizide gab es abgesehen von Kalkstickstoff noch keine - kaum andere Betriebsmittel einsetzten als Sattler. Wohl aber unterschied sich die Betriebsweise, wie Sattler es nannte: |
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...die liebevolle Durchführung der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise
Die biologisch-dynamische Bewegung Anfang der 50er Jahre war noch im Wieder-Entstehen begriffen, Demeter-Bund, Institut, die ersten Arbeitsgemeinschaften wurden gegründet, Betriebshelfer wurden langsam zu Beratern, es gab weniger als achtzig biologisch-dynamische Betriebe - man kannte sich. Denn nach dem Verbot 1941 und durch den Verlust Ostdeutschlands und der Ostgebiete war die Zahl deutlich zurückgegangen, die überlebenden Aktiven im Westen versammelt. Andrerseits waren in der Nachkriegszeit alternativ denkende Kreise rar, und so fand die biologisch-dynamische Bewegung rasch Zulauf, Keimzelle für viel ökologische Ansätze.
Davon bekam man auf dem Talhof weniger mit, anfangs konnten es sich die drei nicht leisten, auch nur zur landwirtschaftlichen Tagung in Dornach zu fahren. Als auf einer Tagung dort 1954 alle Höfe Versuche zur Schädlingsregulierung durch Veraschung verabredeten, um hier voran zu kommen, gab Sattler seine Notizen nur auf die Post. Es waren die einzigen, die eintrafen. |
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Der Talhof entwickelt Ausstrahlung
Als Ende der sechziger die Meisterprüfung auch ohne Fachschulbesuch möglich wurde, war Sattler gleich mit dabei und zog seinen Kurs so mit, dass er nach bestandener Prüfung gleich in die Prüfkommission berufen wurde. Das machte er mit Engagement bis 1996, so musste er immer auf dem neuesten Stand der konventionellen Landwirtschaft sein und konnte immer auch biologisch-dynamisches und anthroposophisches ins Gespräch einbringen. Anfang der Siebziger wurden auch die Landesbehörden auf die biologisch-dynamische Alternative aufmerksam -andere gab es kaum - und untersuchten zehn Betriebe, mit guten Ergebnissen für Demeter. Von da an begann biologisch-dynamisch auszustrahlen. Sattler war gefragt, neben seiner Tätigkeit im Vorstand des Demeter-Bundes ab 1967, z.B. als Dozent an der Uni Nürtingen, in Kontakten zu Ämtern und Behörden, als Buchautor, erhielt Ehrungen wie die Staatsmedaille des Landes und das Bundesverdienstkreuz. Viel unterwegs, für den Ausgleich auf dem Hof sorgten die beiden Frauen. |
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Die spirituelle Chance des Biologisch-Dynamischen nutzen
Das Erfolgsrezept der Drei vom Talhof? Bemerkenswert ist die regelmäßige, intensive Beschäftigung mit der Anthroposophie: die gemeinsame Arbeit daran, Sattlers lesen Steinervorträge auch mal so im Urlaub. Und die Ernsthaftigkeit: Sattler fühlte, nachdem er als Jugendsoldat verletzt der Front entkam, dass das Leben ein Geschenk ist, das man auch als Auftrag lesen kann. Früh aufstehen und Meditation gehören für ihn fest zum Landwirtsdasein. Praktisch betont er vor allem den Wert der Präparatearbeit: "Wer die nicht nutzt, verzichtet auf das Beste der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise." Aber sie nur der Richtlinien wegen anwenden, das bringt's nicht, "Man muss sich schon mit ihnen verbinden, dann Zeiten für die Anwendung." |
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Einstieg in die Vielfalt
Milch, Futterbau, Mist und Präparate, die Mischung passte, ebenso wie der Standort, nah an der Stadt für die Familie und andererseits eine gewachsene biologisch-dynamische Szene für den Austausch mit Kollegen, den er in der Alleinlage in Westfalen vermisst hatte. Acht Jahre lang führte er den Talhof mit dem Anspruch: "Ich will Leute beschäftigen, nicht Maschinen" und setzte so die Ausbildungsarbeit seines Vorgängers fort. Die alte Technik, die er übernommen hatte, 50 PS-Schlepper, Gerät mit 2,50 m Arbeitsbreiten, passte zum pädagogischen Anspruch. Teils mit vier Lehrlingen, oft auch deren Familien, entwickelte der Hof Vielfalt vom Acker bis in den Stall und im Ab-Hof- Verkauf. Drehscheibe war Marianne Joerges Küche, wo zwischen den Kindern immer auch Kunden standen. Auch die Frage nach einer Hofgemeinschaft tauchte in dieser Zeit häufig auf. |
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Mehr Technik, mehr Effizienz
Doch langsam entwickelte sich ein Umbruch: Joerges steuerte um, setzte auf bessere Technik: die Güllegrube war bereits am Anfang vorschriftsmäßig neu gebaut, die Präparatetechnik verbessert durch einen Rührturm, wo sowohl mit Maschine als auch mit Hand gerührt werden kann. Jetzt wurden Schlepper und Gerät erneuert. Die schweren Maschinen und dicken Packer vertrug der Boden besser als gedacht, denn Joerges musste zur Saatbettbereitung statt wie bisher dreimal nur einmal auf´s Feld. Dass der Vierscharpflug durchging, ohne eine Schwarte zu legen - das war sicher auch eine Folge des jahrzehntelangen Präparateeinsatzes. Die Direktvermarktung wurde verbessert, in Käserei und Frischfleischvermarktung investiert, dazu gezielte Kundenansprache und Werbung. Das Verzetteln auf dem Acker wurde eingeschränkt, weniger Früchte angebaut. In der gleichen Zeit gingen die Anfragen von Lehrlingen zurück. Joerges war viel unterwegs, als Vorstand der Demeter-Landesorganisation, als EU-Kontrolleur lernte er viel über Arbeit und Struktur der Demeter Betriebe. Aber die Abwesenheit machte sich bemerkbar, auf den Feldern wie in der Familie. |
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Der Hof brennt - der Hof im Wartestand
Dann brannte es. Fremde Kinder hatten gezündelt, Heu- und Getreide-Vorräte und die Gebäude dazu, Gerät, Jungvieh- und Hühnerstall, Werkstatt wurden im Juni 1998 von den Flammen zerstört. Die zweite Familie auf dem Hof ging fort, damit auch eine stärker pädagogische Option, die mehr Vorleistung erfordert hätte. Wie sollte es weiter gehen? Erstmal war Joerges wegen des Brandes auf Lohnarbeit angewiesen, den Trend zur rationellen Technik setze er fort, ließ zugleich alle Ämter und die Arbeit als Vertrauensmann in der regionalen Arbeitsgemeinschaft ruhen. Auf dem Acker wuchsen jetzt neben Futter nur Saatgetreide und Saatkartoffeln, letztere im Lohn vergeben, Lager- und Unterstellmöglichkeiten fehlten dem Hof jetzt, teils auf Pachtflächen, Bauernarbeit vom Handy aus. Der alte Stall stand zwar noch, hatte aber Anbindehaltung und war auf viel Handarbeit ausgelegt. Eine lange anhaltende Gebäudeplanung mit der Fa. Voith sorgte mehrere Jahre für Unklarheit. Immer neue Planungen, Gutachten, Kalkulationen. Was wird die Perspektive? Familie Joerges kämpfte mit dem Frust: wo Kraft reinstecken? Sievert Joerges ist, wie Sattler auch , ein Anpacker. Oder heißt es bei Stillstand, gehen? Die Direktvermarktung brach ein. |
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Neuer Stall und neuer Schwung
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Konzentration auf das Wesentliche
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Publikationen zum Talhof
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Der Talhof
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