Lebendige Erde 4/2005:

Portrait

Kompost in der Baumschule
Die Darmstädter Forstbaumschule ist die einzige, die ökologisch arbeitet

Von Anna Adelt und Michael Olbrich-Majer

Wer kann bei einem Waldspaziergang noch eine Fichte von einer Douglasie unterscheiden? Oder Ulme und Buche? Noch schwieriger wird das bei ein paar Monate alten, klitzekleinen Kiefern, Lärchen oder keimenden Laubbäumchen. Für Peter Antoni ist das Routine, sein Alltag dreht sich um Bäumchen von null bis sechs Jahren. Antoni ist einer der vier Geschäftsführer der biodynamisch wirtschaftenden Darmstädter Forstbaumschule und zuständig für das Geschäft draußen auf den Feldern, Aussaat und Aufzucht.
 
Mehr als 50 Jahre biologisch-dynamische Erfahrung

Wertvoll für jeden Boden: Peter Antoni nimmt's genau mit der Kompostbereitung
Wertvoll für jeden Boden: Peter Antoni nimmt's genau mit der Kompostbereitung
Die Baumschule liegt in einem Landschaftsschutzgebiet auf der "Griesheimer Düne". Der kalkhaltige Sand ist zwar leicht zu bearbeiten, günstig für das in den Baumschulen erforderliche Umpflanzen, verbunden mit dem trockenen Klima aber eine Herausforderung an die Bewirtschafter, zumal mit der sehr geringen Bodenpunktzahl. Dass hier überhaupt etwas - ohne mineralischen Stickstoffdünger geht - ist der biologisch-dynamischen Bewirtschaftung und dem gezielten Bodenaufbau mit Kompost zu verdanken. Gegründet 1946 von Kurt Eisele auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz, wurde sie von Anfang an nach biologisch-dynamischen Prinzipien geführt, zunächst vom Eigentümer, später von Kurt Theodor Willmann und dann von Heinz Grönlund.

Das gezielte Anheben des Humusgehaltes und die Einrahmung durch Hecken verbesserte mit den Jahren den unwirtlichen Standort. Kompost ist auch heute noch für Antoni das wichtigste Arbeitsmittel, dessen Herstellung und Verwendung er besondere Aufmerksamkeit schenkt. Mit Erfolg, wie aktuelle Vergleiche der Uni Hannover bei fünf Baumschulen zeigen: Die Kompostdüngung ist in der Lage, einen hohen Anteil stabiler Humusverbindungen aufzubauen und bei den Bodeneigenschaften und der Nährstoffversorgung, aber auch bei der Minimierung der Nährstoffauswaschung schnitten die Darmstädter mit am besten ab.
 

Kompost - Dünger für den Bodenaufbau

Kompost ist das essenzielle Betriebsmittel der Darmstädter Forstbaumschule. Lange hat Peter Antoni experimentiert, um einen für Boden und Forstgehölze idealen Kompost herzustellen. Literatur, Versuche mit verschiedensten Materialen und Methoden, ein Kurs bei der Kompostexpertin Uta Lübke in Österreich, Tipps aus dem benachbarten Institut für biologisch-dynamische Forschung: Antoni ist inzwischen auch Kompostfachmann.

Ohne probieren geht es wohl nicht, denn Material, Dauer, Platz und Verfahren müssen ausgetüftelt werden, die richtige Technik und die richtigen Maschinen inklusive. Antoni bezieht nun 4-6 Wochen alten Rinderstapelmist (20€/t) von einem Betrieb im nahen Odenwald oder vom benachbarten Demeter-Eichwaldhof, den er zu Mieten aufsetzt. Er lagert auf einem jeweils frisch mit Tonmehl (Betonit 5kg/m²) und mit 20 cm Strohmatte bedeckten Untergrund, der abgeschrägt und drainiert ist, damit das Grundwasser geschützt wird. Die Baumschule liegt in Zone II und III eines Wasserschutzgebietes.

Nach dem Aufsetzen wird der Mist mit den biologisch-dynamischen Kompost-Präparaten behandelt und mit einem Vlies gegen Austrocknung und Auswaschung geschützt. "Kompostierung, das heißt zunächst Wasser, Luft und Wärme" sagt Antoni. Die Präparate unterstützen die Rotte. Damit die gut läuft, musste Antoni sich auch um technische Details kümmern. So hat die Baumschule eigens einen Kompostwender gebaut: Er ist relativ breit und hoch und ermöglicht eine gleichmäßige Zerkleinerung und damit ein lockeres, luftigeres Aufsetzen des feuchten Mistes.
 

Sorgfalt an den Pflänzchen - heißt Basteln an Geräten

Beet für Forstsaaten, mit Erde und Kompost angelegt
Beet für Forstsaaten, mit Erde und Kompost angelegt
Bau und Umbau von Geräten gehört nicht nur bei der Kompostbereitung dazu. Um bodenschonend und differenziert in den sehr unterschiedlichen Kulturen arbeiten zu können, müssen viele Standardgeräte angepasst werden. So hat Antoni verschiedene Hackschare gebaut und zusammen mit einer Firma eine Pinselbürste zum Einebnen der Dämme an der Pflanze entwickelt. Um zweispännig mit Pferden hacken und striegeln zu können, wurde ein Vorderwagen mit Dreipunktaufhängung und den dazu passenden Anbaugeräten konstruiert. Das hat besonders in den bis 1,2m hohen Beständen des zweiten und dritten Standjahres Vorteile. Die Jungbäumchen sind sehr empfindlich gegen Verletzungen beim Hacken, gerade kleine Koniferen, die ja nur mit einer Spitze wachsen. Nur mit viel Sorgfalt lassen sich Verluste klein halten. Schließlich ist auch das Saatgut ziemlich teuer, für ein Kilogramm Douglasiensammen zahlt Antoni bis zu 1100, für Erle 300€, und anders als im Landbau gibt es keine Garantie für den Saataufgang.

Rührig war Antoni auch bei der Suche nach einer geeigneten Technik für die biologisch-dynamischen Feldpräparate. Mit einer leistungsstarken Hardy- Forstspritze, einem Rührgerät und einem hoch gebauten Rührstand ist er schlagkräftig eingerichtet. Die Präparatearbeit versucht er so rationell einzurichten, dass es ein ganz normaler Arbeitsgang wie z.B. Hacken ist. Eigentlich könnte er sich noch eine weitere Lehrzeit als Landmaschinenmachaniker vorstellen. Antoni stammt von einem landwirtschaftlichen Betrieb aus dem Odenwald und wollte Landschaftspfleger werden. Im Zivildienst schnupperte er Baumschulluft, über Praktikum und Lehre bei Appel kam er 1982 fest zur Baumschule.
 

Gezielt und maßvoll düngen mit Kompost

Zurück zum Kompostplatz. Nach vier Wochen Lagerung wird der Mist nochmals umgesetzt. Reif ist er je nach Verwendung nach einem halben oder nach einem Jahr für verschulte Bäumchen oder für Saaten. Sind die Pflanzbeete "abgeerntet", werden sie im Herbst bzw. Frühjahr auf ihren Nährstoffgehalt geprüft, und zur Gründüngung vorbereitet: im Frühjahr wird Tagetes, großes Sudangras, Ölrettich, Gelbsenf, im Oktober Winterroggen gesät. Die Grünbrache gehört zur "Fruchtfolge" in der Baumschule. Vor Kulturbegründung im Frühjahr wird untergemulcht und Kompost gestreut.

Direkt vor dem Ausbringen wird der Kompost nochmals mit dem Wender durchgelockert, und dann mit dem Miststreuer fein verteilt. Das Tellerstreuwerk ermöglicht exaktes Dosieren bis auf 10t/ha herunter, Antoni bringt meist 16-20 aus. Der Kompost wird mit der Bodenfräse 10cm tief eingearbeitet. 150 bis 200t Kompost verbraucht Antoni jährlich. Zur Bodenpflege gehören auch Hornmist und Hornkiesel: bis zu dreimal jährlich wird Hornmist und ein- bis zweimal Hornkiesel ausgebracht.
 

Vom Samen zur Verkaufsware - der Weg der Pflänzchen

Nicht nur zum Spaß: die Arbeit mit Pferden hat in der Baumschule praktische Vorteile
Nicht nur zum Spaß: die Arbeit mit Pferden hat in der Baumschule praktische Vorteile
Der Schwerpunkt der Darmstädter Forstbaumschule liegt auf den Baumarten Douglasie, Buche, Eiche, Esche, Bergahorn und wegen zunehmender Nachfrage auch wieder auf Fichte. Insgesamt werden 60 Arten angebaut. Sonderherkünfte und besondere Baumarten wie z.B. Wildobst und Edelkastanie werden zum größtem Teil aus eigenem Saatgut oder dem staatlicher Klengen nachgezogen. Klenge - so werden Unternehmen oder Einrichtungen zur Gewinnung von Forstsaatgut genannt, das in verschiedenen Schritten und mit Trocknung aus Zapfen bzw. Früchten aufbereitet werden muss. Auch Vertragsanzucht betreibt die Darmstädter Forstbaumschule, und hier etwas ganz Besonderes: Sie zieht eine Ulmenart auf, die resistent gegen den Pilz ist, der das Ulmensterben verursacht.

In der Regel erfolgt die Aussaat der Forstgehölzsamen reihenweise per Hand oder maschinell. Jede Baumart hat dabei ein bevorzugtes Verfahren und ganz eigene Ansprüche, um aufzulaufen. Die Douglasie beispielsweise wird in Breitsaat von Hand auf 3cm heißkompostierte Erde in einem Beet mit Holzrahmeneinfassung ausgebracht, und mit Sand abgedeckt. Die Vorbehandlung der Erde verhindert, dass Unkraut in direkter Konkurrenz zur Saat aufläuft und sich der Anteil des Jätens vergrößert. Im Keimblattstadium sind viele Sämlinge empfindlich gegenüber Frischmist, er muss deshalb kompostiert, sprich gut verträglich sein - und möglichst frei von Unkrautsamen. Bis zur Verschulung im ersten Jahr sind die Pflanze ca. 10-30 cm hoch, mit gut entwickelter Wurzel. Verschulung heißt, Verpflanzen: aus einem Beetstreifen weden z.B. zwei von fünf Reihe entnommen. Die verbleibenden wie die versetzten Pflanzen haben so mehr Standraum. Im zweiten Jahr wird ein speziell gemischter organischer Dünger verwendet. Je nach Art vom zweiten bis vierten Lebensjahr kommen die Pflanzen wurzelnackt - also ohne Erdballen - in den Verkauf.
 

Unkraut wuchert immer schneller

Gut bewurzelt: bestes Pflanzgut dank biodynamischer Bewirtschaftung
Gut bewurzelt: bestes Pflanzgut dank biodynamischer Bewirtschaftung
Unkraut ist neben der Bodenfruchtbarkeit das Hauptthema auf den Baumschulflächen. Durch den Verzicht auf Chemie und Herbizide muss es anders in Schach gehalten werden. In der Wüchsigkeit hat es immer einen Vorsprung gegenüber den Forstpflanzen. Gerade bei den jüngsten Pflanzen wird daher viel per Hand gejätet, das ist kostenintensiv. Da am Standort beregnet werden muss, läuft Unkraut bei frisch angelegten Kulturen rasch auf. Die Verwendung von unkrautfreien Praxiserde, Abflammen und das Abdecken der Saat mit Sand verzögern das, Häufeln, Striegeln und Hacken in mehreren Durchgängen halten die Flächen weitgehend sauber.

Auch gegen Frost, Krankheiten, Schadinsekten und Vogelfraß müssen die Kulturen geschützt werden. Dies erfolgt zum Teil über Abdecken der Beete mit Folie, Netzen oder auch Sand.

Ein fachlicher Austausch ist zwischen den sehr wenigen Öko- Baumschulen kaum möglich und bei den Forstbaumschulen stehen die Darmstädter mit ihrer ökologischen Wirtschaftsweise allein auf weiter Flur. Das heißt für Antoni, Augen und Ohren offenhalten, auch bei landwirtschaftlichen Kollegen. Genaues Hinsehen, eine gute Beobachtungsgabe und ein hohes Maß an Intuition und Erfahrung sind zudem erforderlich, wenn die Qualität stimmen soll. Biologisch-dynamisch ist für Antoni dann "der Schubs an der Schaukel", wenn man alles andere handwerklich gut gemacht hat, die Schaukel also schon Richtung hat.
 

Bäume für die Förster - ein spezielles Geschäft

Die Arbeit einer Baumschule ist stark saisonal geprägt. Hauptpflanzzeit ist im Frühjahr, das Hauptgeschäft des Jahres wird innerhalb von drei Monaten abgewickelt. Dies erfordert ein hohes Maß an Organisationsgeschick und eine ausgefeilte Logistik. Der Absatz allerdings ist schlecht planbar, und das bei z.T. außerordentlich teurem Saatgut: Welche Baumart in Mode kommt, ob Schadereignisse größere Mengen Pflanz- und Saatgut erfordern und ob dieses zur Verfügung steht, ist jedes Jahr von neuem ungewiss.

Gut die Hälfte der Käufer sind feste Kunden. Der größte Anteil der Forstpflanzen wird über Ausschreibungen verkauft, das heißt: Angebote schreiben, über vier- bis fünfstellige Summen. Dabei handelt es sich in erster Linie um genau zusammengestellte und terminierte Partien, dazu kommt als besonderes Zusatzangebot ein hauseigener Pflanzservice. Organisations- und Büroarbeit nehmen ebenso viel Zeit in Anspruch wie Anbau und Ernte der Forstpflanzen. Bei jeder verkauften Pflanze muss aufgrund einer speziellen Gesetzgebung für forstliches Saat- und Pflanzgut die Herkunft lückenlos nachgewiesen sein. Ziemlich aufwendig, aber wichtig für eine standortentsprechende Verwendung der Bäume und Voraussetzung für einen stabilen Wald. In der Baumschule wird Pflanzgut für die Standorte der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz angezogen.
 

Qualität ist aufwendig, wird aber kaum honoriert

Das Team der Baumschule
Das Team der Baumschule
Die Forstbaumschule wirtschaftet biologisch dynamisch, das heißt der Aufwand ist deutlich höher als in einem konventionellen Betrieb: Hecken, Düngung, überwiegend aber die Unkrautbekämpfung schlagen mit Extrakosten zu Buche. Zwar reifen die Pflanzen z.B. durch diese Bewirtschaftung gut aus. Doch der Personaleinsatz zum Hacken und Jäten beträgt bis zu 5000€/ha. Einen Mehrpreis für die Öko-Aufzucht können die Darmstädter nur zum Teil über ihre Top-Qualität erzielen, für ökologisch zertifizierte Ware gibt es keinen Aufschlag - es gibt ja keinen Markt dafür. Und mit einer Demeter- Auslobung verbinden die meisten Kunden eher Lebensmittel.

Dennoch: die vier Gesellschafter halten die Baumschule auch wirtschaftlich gesund und die biologisch-dynamische Methode stand nie in Frage. Experimente aber können sie sich auf dem preislich zunehmend enger werdenden Markt nicht mehr leisten. Die Kunden der Darmstädter Forstbaumschule wissen den Mehrwert der ökologischen Herkunft zu schätzen: Wüchsigkeit und gesunde Ausprägung der Gehölze sowie ein hoher Feinwurzelanteil sprechen für den gewünschten Anwuchserfolg, für Frosthärte und für Widerstandskraft. Mit ihren Spitzenqualitäten, ihrer Angebotsvielfalt und ihren Serviceleistungen ist die Baumschule für die Zukunft jedenfalls gut gerüstet.
 

Betriebsspiegel
  • Gegründet 1946 Kurt Eisele und seitdem biologisch-dynamisch bewirtschaftet
  • 1996 Teilung der Baumschule Appel in den Anbau von Zier- bzw. Forstpflanzen
  • Bereich der Forstgehölze übernommen durch vier Gesellschafter: Frank Wachter, Peter Antoni, Michael Bollmann, Paul R. Oeding
  • Fläche: 30ha, 22ha davon für Forstpflanzen, Reste Grünbrache
  • 12 bis 23 Bodenpunkte, 550-650 mm Jahresniederschlag
  • Sortiment: 60-70 Holzarten, Vielzahl an Sträuchern, Pflanzservice
  • Jährlich werden ca. 2.-3 Mio Pflanzen verschult
  • Mitarbeiter: neben den Geschäftsführern vier, dazu ca. 30 Saison- und Teilzeitkräfte
  • Umsatz: ca 1-2 Mio € jährlich
Darmstädter Forstbaumschule GmbH
Brandschneise 2
64295 Darmstadt
Fon 06155-8750-0
Internet www.forstbaumschule.com