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Lebendige Erde 6/2005:PortraitAuf dem Weg zu gesunden Kühen
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![]() Gesunde Kühe kosten Mühe: besonders Mastitis ist auch in vielen Ökobetrieben ein Problem. Am farbigen Markierungsband am Horn kann man die verschieden behandelten Gruppen erkennen |
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Mastitis - was tun? Die eigene Nachzucht ist ein Novum auf dem Betrieb Kunz und stellt eine der Maßnahmen dar, die sich aus der Beratung im Rahmen des pro-Q-Projektes ergeben haben. Bis vor einem Jahr kauften Kunzes noch Kühe und trächtige Rinder zu - selbstverständlich ausschliesslich horntragende - um abgehende Tiere zu ersetzen. Sie stammten von Biobetrieben aus dem Bündnerland. Dieser regelmäßige Tierzukauf aus verschiedenen Provenienzen scheint für die Herde zum Gesundheitsproblem geworden zu sein.
Zahlreiche Mastitiserreger, darunter verschiendene Stämme des äußerst hartnäckigen Staphylococcus aureus, scheinen auf diesem Weg in den Stall geschleppt worden zu sein. Aureus, "der Goldene", bereitet immer mehr Kühen und deren Bäuerinnen und Bauern Sorgen, weil er im Euter kaum zu behandelnde chronische Mastitis hervorruft. Sogar zugekaufte trächtige Rinder waren kurz nach der Geburt des ersten Kalbes infiziert, viele verloren in der ersten Laktation bereits ein Viertel. "Wahrscheinlich stecken sie sich bereits als Kalb an, wenn sie nach dem Tränken mit Staph. aureus-belasteter Milch gegenseitig an den Euterchen nuckeln", vermutet Claudia Kunz. |
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Zusammenarbeit mit dem Tierarzt sinnvoll
Im Winter 2003/04 wurde die Situation kritisch. In der Demeter-Molkerei Sennerei Bachtel in Wernetshausen bei Hinwil im Zürcher Oberland wurden in der abgelieferten Milch Zellzahlen von 250.000 pro Milliliter Milch gemessen, obwohl die Milch der Kühe mit den ungesündesten Eutern bereits abgezweigt und an die Weidemast-Aufzuchtkälber verfüttert worden war. Die Milchqualität entsprach zwar durchaus noch den Handelsnormen, doch Claudia Kunz, die auf dem Hof für die Tiergesundheit verantwortlich ist, befürchtete, dass ihr die Eutergesundheit aus dem Ruder läuft. Ein Berufskollege, der kurz zuvor in einer ähnlichen Situation war, empfahl ihr eine Bestandessanierung im Rahmen des pro-Q-Projektes. |
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ProQ Projekt als Hilfe zur Verbesserung der Tiergesundheit Im Frühjahr 04 startete pro-Q mit einer allgemeinen Betriebsaufnahme. Die Tierärzte vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, welches das Projekt aufgebaut hatte und umsetzt, verschafften sich einen Überblick über relevante Gegebenheiten und Abläufe des Betriebs und zogen von jedem Euterviertel eine Milchprobe zur mikrobiologischen Untersuchung sowie zur Bestimmung der Einzelviertelzellzahlen, die den Zustand der Euter zutage bringt. Diese Laborresultate sagen viel mehr über die Eutergesundheit aus als die monatlichen Milchproben, die der Herdebuchbetrieb Kunz beim Schweizerischen Braunviehzuchtverband im Rahmen der Milchkontrolle seit Jahren durchführen lässt. Im ganzen Bestand kommt damit jedes kritische Viertel zutage.
Aufgrund dieser Proben konnte die Herde in drei Gruppen eingeteilt werden: Kühe mit einwandfreier Eutergesundheit, kritische Fälle und Aureus-Trägerinnen. Vertreterinnen der drei Gruppen wurden mit schwarzem, weißem und gelbem Klebeband an den Hörnern markiert und werden gruppenweise gemolken, um Neuansteckungen zu verhindern. Bei jeder Melkzeit kommen zuerst die gesunden Kühe mit dem schwarzen Band in den Melkstand, anschließend die fraglichen und zuletzt die befallenen mit der gelben Markierung, welcher Gruppe heute noch vier Tiere zugehören. Die gelbe Gruppe schrumpfte nicht nur, weil die Tiere gesund wurden. Auch Ausmerzungen gehören zum Konzept. Im vergangenen Jahr schlachteten Kunzes fünf Tiere, zwei Tiere, deren Eutergesundheit voraussichtlich nicht wiederhergestellt werden kann, sind zur Schlachtung vorgesehen. |
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Melkvorgang und Melktechnik überprüfen
Auch auf den Stall warfen die pro-Q-Leute ein scharfes Auge. So stellten sie fest, dass die Einstreu in den Liegeboxen teilweise leicht angeschimmelt war. Die derben grünen Sumpfgräser, die Ernst Kunz auf seinen Naturschutzflächen mäht, ergänzen das Stroh als Streumaterial. Zuweilen ist es angegraut, und solches Material wird nun nur noch in den Liegeboxen im Außenbereich, unter dem Vordach beim Laufhof, verwendet, wo viel Frischluft zirkuliert. |
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Angepasste Fütterung mindert Ungleichgewichte
Pro-Q greift in manchen Bereichen tief in den Landwirtschaftsbetrieb ein, zum Beispiel in der Fütterung. Ernst Kunz freute sich immer über seine üppigen Kleebestände seiner Kunstwiesen, welche den Boden aufs Beste durchwurzeln und regenerieren. Nun weisen die Milchproben aber erhöhte Harnstoffgehalte in der Milch auf, ein Hinweis auf zu hohe Eiweißgehalte im Futter. Der Tiergesundheit zuliebe strebt der Bauer nun gräserreichere Wiesenbestände an. Zwischenzeitlich wird Heu zugefüttert und auf die Empfehlung der Tierärzte hin eine Getreidemischung verabreicht. Davon ist Kunz aber nicht begeistert, denn das Getreide muss er zukaufen. Raufutter hingegen hätte er selber genug und billig in seiner mit Heukran ausgestatteten Scheune. In Zukunft soll nun qualitativ hochwertiges, belüftetes, gräserreiches und nicht zu junges Heu des ersten Schnittes zur Verfütterung im Herbst bereit und greifbar sein. "Man muss sich manches sagen lassen, das man als Bauer nicht gerade gerne hört", erinnert sich Ernst Kunz. "Das ist aber wertvoll gegen die eigene Betriebsblindheit." Die pro-Q-Fachleute machen auf dem Hof Details dingfest, die im Alltag des Hofbetriebes nicht auffallen. |
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Den Hof als Heimat gestalten "Seit die Pfarrer schreiben können", berichtet Ernst Kunz mit dem ihm eigenen trockenen Humor, biete der Hof der Familie Kunz eine Heimat. Und das dürfte auch in der Schweiz eine stattliche Anzahl Generationen bedeuten. Vor der jetzigen Bewirtschafterfamilie waren es Ernsts kinderloser Onkel mit seiner Frau, die den Hof führten, sämtliche gängigen Haus- und Nutztierarten hielten, den Garten in ein Blumen- und Bienenparadies verwandelten und das malerisch gelegene Anwesen mit Blick auf den Zürichsee zu einem wirklichen Daheim werden ließen - auch für ihren Neffen. Er zog diese lebensbejahende Stimmung derjenigen auf dem unweit entfernten elterlichen Hof vor und verbrachte einen beträchtlichen Teil seiner Jugend beim Onkel. Der Onkel stellte den Hof Ende der 1960er-Jahre auf die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise um. "Eher auf die pragmatische Art", erinnert sich sein Neffe. Die Milch der acht Kühe wurde in der ganzen Umgebung direkt vermarktet, verteilt unter anderem über die Schüler an der Rudolf Steiner-Schule in Wetzikon, die abends ihren Familien die vollen Flaschen nach Hause brachten. Während der Umstellungszeit trat Ernst Kunz seine Lehr- und Wanderjahre an, die in durch die ganze Schweiz und nach Dänemark führten, um den Beruf des Landwirtes fundiert zu lernen. Sieben Meister habe er in seinem Leben gehabt, und von allen habe er etwas lernen können, "auch, wie man es nicht machen sollte". Mit dem fremden Brot lernte er auch sehr unterschiedliche soziale Entwürfe kennen, erhielt Einblick in Bauernfamilien, in denen der mitmenschliche Austausch und Zusammenhalt gepflegt wurde und in andere, in denen die Sitzflächen der Stühle am Esstisch während der Arbeitsspitzen, die sich fast das ganze Jahr hindurch folgten, Staub ansetzten, während vor lauter Arbeit die Gemüter vertrockneten.
1980 lernte Ernst Claudia kennen. Sie lernte die Landwirtschaft im Allgäu und in der Lüneburger Heide kennen, nachdem sie der Schule und der für sie vorgesehenen akademischen Laufbahn kurz vor dem Abitur den Rücken kehrte. In Freiburg im Breisgau bildete sie sich zur Bäuerin aus. Sie ist heute auf dem Hof verantwortlich für die Tiergesundheit und die Umsetzung des pro-Q-Projektes. |
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Prävention und gestaffelte Medikation Ein Ziel des Eutergesundheitskonzeptes ist die Reduktion antiobiotischer Medikamente. Wenn die flankierenden Maßnahmen nicht greifen, kommen zur Therapie komplementärmedizinische Methoden in Betracht. Damit ist die Bäuerin bereits seit längerem vertraut. Sie behandelt die Kühe seit Jahren mit Homöopathika, in Zusammenarbeit mit einem Tierarzt aus dem Bündnerland, der klassische Homöopathie anwendet. Im Rahmen des pro-Q-Projektes wird auch der örtliche Bestandestierarzt mit den Grundlagen der homöopathischen Tiermedizin bekannt gemacht. Ihm steht eine Apotheke mit Globuli niederer Potenzen zur Verfügung, die von der Firma Weleda zusammen mit den FiBL-Tierärzten eigens für das Projekt zusammengestellt wurde. Doch auch Antibiotika kommen noch zum Einsatz. Sechs Kühe wurden im vergangenen Jahr mit antiobiotischen Medikamenten behandelt, in vier Fällen mit Erfolg.
Die Teilnahme am pro-Q-Projekt, das durch die Schweizer Supermarktkette Coop und Weleda finanziell unterstützt wird, kostet den Hof 80 Franken pro Milchkuh, rund 2500 Franken pro Jahr. Das sei gut investiertes Geld, meint Claudia Kunz, ungefähr der Preis einer Milchkuh. Wenn man durch die Massnahmen des Projektes ein Tier pro Jahr vor der Schlachtbank retten könne, sei das Geld schon wieder drin. |
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Betriebsspiegel
Stämpfi 69 CH-8634 Hombrechtikon Kanton Zürich> |