Feld & Stall
Kurz & knapp
Mehr als zwei Drittel der Demeter-Betriebe halten Stiere zur Zucht.
Daneben ist die künstliche Besamung ebenfalls verbreitet.
Nur die Hälfte der Betriebe kann (platzbedingt) einen Bullenauslauf einrichten.
Stierhaltung auf Demeter-Höfen
Umfrage zur Rinderzucht und Stierhaltung auf Demeter-Betrieben in Bayern und Baden-Württemberg
von Christoph Metz, Martin Haugstätter und Beat Bapst
Um die Kuhherde, einen wesentlichen Teil des betrieblichen Organismus, optimal zu führen, brauchen Ökobauern eine eigene Züchtung mit eigenen Zielen. Dazu gehört auch der Natursprung mit eigenen oder gemeinsam gehaltenen Stieren. Im Rahmen des Stierzuchtprojekts „Wieder mehr Stiere braucht das Land”, das Demeter-Bayern mit finanzieller Unterstützung der Software-AG Stiftung und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft seit dem Jahr 2005 in Süddeutschland durchführt, wurde an 520 Rinder haltende Demeter-Betriebe in Bayern und Baden-Württemberg ein ausführlicher, fünfseitiger Fragebogen verschickt. Es sollten möglichst viele Informationen darüber gesammelt werden, wie auf den Höfen gezüchtet wird und welche Erfahrungen mit der Zuchtstierhaltung gemacht wurden. Erfreulich viele, nämlich etwa die Hälfte der Umfragebögen, wurden von den Landwirtinnen und Landwirten ausgefüllt zurückgeschickt. Sehr viele interessante Zahlen, aber auch wertvolle Details sind dadurch bekannt und im Folgenden zusammengefasst.
Im Durchschnitt 30 Kühe
Von den 257 teilnehmenden Landwirten sind 72% Milcherzeuger, die restlichen halten Mutterkühe. 62% haben gemischte Betriebe mit Ackerbau, die anderen bewirtschaften ausschließlich Grünland. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt bei 48,75 ha. Im Schnitt werden von den Milchbauern etwas mehr als 30 Kühe gehalten. Die durchschnittliche Milchleistung beträgt 5.145 kg, das Maximum liegt bei 7.000 kg erzeugter Milch pro Kuh und Jahr. Die Rassenverteilung bei den Milchbauern zeigt süddeutsches Profil: Den Schwerpunkt macht Fleckvieh aus, gefolgt von Schwarzbunten und Braunvieh zu etwa gleichen Teilen. Aber auch inzwischen sehr seltene Rassen wie Original Allgäuer Braunvieh und das Altdeutsche Schwarzbunte Niederungsrind sind noch vertreten. Auf jedem vierten Milchviehbetrieb stehen die Kühe in einem Anbindestall, ansonsten überwiegen Laufställe mit Liegeboxen (109 mal).
Bei den Mutterkuhhaltern, die sich an der Umfrage beteiligten, stehen durchschnittlich nur 14 Kühe im Stall. Interessant ist hier die Vielfalt der Rinderrasen. Neben gängigen wie Fleckvieh und Angus finden sich so seltene wie Pustertaler Schecken, Rotes Höhenvieh, Limpurger oder Heckrinder. Sieben Mutterkuhbetriebe haben noch einen Anbindestall.
Weidegang, Heu und wenig Maisfütterung
Der überwiegende Teil der Rinderhalter lässt die Tiere auf die Weide (79%), nahezu alle füttern im Winter Heu. 21% der teilnehmenden Betriebe verzichten völlig auf Silagefütterung und lediglich 11% verfüttern Maissilage. Knapp ein Drittel geben kein Getreide und Kraftfutter, die anderen im Schnitt 5,6 dt/Kuh/Jahr. Wie zu erwarten war, dürfen die allermeisten Tiere auf den Demeter-Betrieben ihre Hörner tragen, nämlich 91%. Die restlichen entstammen überwiegend genetisch-hornlosen Rassen, z.B. Deutsch Angus.
Viele züchten mit eigenem Stier
Von den 186 Milchviehhaltern, die antworteten, haben immerhin 119 einen Stier zur Zucht im Einsatz, was einem Anteil von etwa 64% entspricht. Bei den Mutterkuhhaltern sind es sogar 79%. Insbesondere bei den Milcherzeugern ist deutlich, dass sich Bauern, die einen Stier haben, besonders rege an der Umfrage beteiligt haben, die sich an alle Rinderhalter richtete. Denn die statistische Auswertung der beiden Demeter-Landesverbände ergab, dass der Anteil der Rinderhalter, die einen Stier halten, in Bayern bei nur 32% und in Baden-Württemberg bei 51% liegt.
69 Teilnehmer haben keinen Bullen auf dem Hof. 34 führten den fehlenden Platz und 26 ein zu hohes Unfallrisiko als Gründe dafür an. Insbesondere viele Bäuerinnen haben Angst davor, einen Stier zu halten. Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen sie sich eine Stierhaltung vorstellen könnten, wurde von den Teilnehmern als häufigste Antwort genannt, wenn sie mehr Platz hätten und die Einrichtung einer eigenen Box realisieren könnten.
Auch künstliche Besamung spielt eine wichtige Rolle
Ein interessantes Ergebnis der Umfrage ist, dass viele Betriebe mit eigenen Stieren zusätzlich auch die künstliche Besamung (KB) einsetzen. Während auf sehr vielen Mutterkuhbetrieben der Stier alleine für die Fortpflanzung zuständig ist, sind es bei den Milchviehbauern nur wenige, die ausschließlich auf den Natursprung setzen. So kommt es öfters vor, dass der Zuchtstier nur beim Jungvieh zum Einsatz kommt und die Kühe künstlich besamt werden. Insgesamt sind es 42% der Landwirte, die zusätzlich zum eigenen Stier auch auf die Künstliche Besamung zurückgreifen.
Welche Vorteile sehen die Bauern in der KB? Am häufigsten die Möglichkeit der gezielten Anpaarung und der Zuchtfortschritt. Aber auch die Auffrischung der Herde mit neuem Blut, die größere Auswahl an Vererbern, arbeitswirtschaftliche Gründe und das Einkreuzen von Mastrassen wurden als Vorzüge der KB angeführt. Auf die Frage, welche Informationen und Empfehlungen bei der Auswahl der Besamungsstiere berücksichtigt werden, wurde immerhin 84 mal der ÖZW (Ökologische Gesamtzuchtwert), 72 mal Mitteilungen von den Besamungsstationen, 29 mal die Arge LL sowie 40 mal der Zuchtverband von den Züchtern angekreuzt.
Häufigste Zuchtziele: Lebensleistung und Gesundheit
Bei der Frage nach den Zuchtzielen wurde in der Umfrage ganz bewusst auf gestützte Vorgaben zum Ankreuzen verzichtet. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (53%) nannten eine hohe Lebensleistung als ihr wichtigstes Zuchtziel, gefolgt von Gesundheit (38%), Fundament (22%) und Grundfutterverwertung (21%). Aber auch einen guten Charakter der Tiere nannten viele (23%) ein wichtiges Kriterium. Eine höhere Milchleistung wurde zwar nur von verhältnismäßig wenigen (9%) explizit als Zuchtziel aufgeführt, knapp zwei Drittel streben mittelfristig aber eine Erhöhung um durchschnittlich 700 kg an. 66 von 186 Milchbauern sind mit ihrer Milchleistung schon heute zufrieden. Für die Mutterkuhhalter sind Rahmen und Bemuskelung sowie Fleischleistung die entscheidenden Zuchtziele.
62% der Züchter bekundeten grundsätzliches Interesse an einem Besamungsstier aus einem Öko-Betrieb und fast ebenso viele (60%) an Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Rinderzucht. Dem wurde bereits im laufenden Projekt Rechnung getragen, denn von den Projektmitarbeitern wurden in den letzten zwei Jahren viele Treffen zum Erfahrungsaustausch und zur Weiterbildung für die Rinderhalter organisiert und abgehalten. Sie stießen überwiegend auf reges Interesse bei den Praktikern.
Fruchtbarkeit mit Stier deutlich besser
Fast ein Drittel der Umfrage bezog sich auf Erfahrungen mit der Stierhaltung. Als die hauptsächlichen Vorteile des Natursprungs gegenüber der KB nannten 32% den optimalen Belegungszeitpunkt, 29% keine Probleme mehr mit Stillbrünstigkeit und 21% weniger Arbeit. Aber auch Aspekte wie Artgerechtheit, Unabhängigkeit und mehr Ruhe in der Herde wurden öfter genannt. Mehrere Bauern halten es für sehr wichtig, dass auch Kuh und Stier ihre „Freude am Sex” (Zitat) haben können bzw. artgerechte Vermehrung möglich ist. Als weitere Argumente zugunsten der eigenen Bullenhaltung wurden genannt: vitalere Kälber, Abkoppelung von biotechnischen Verfahren, positive Resonanz der Verbraucher und geschlossener Betriebskreislauf.
Häufig Stiere aus eigener Zucht
Wo stammen die Bullen her, die auf den Demeter-Höfen im Natursprung eingesetzt werden? Überwiegend sind sie im eigenen Betrieb gezüchtet (46%), werden aber auch immer wieder von anderen Öko-Betrieben (32%) oder konventionell (18%) zugekauft. Als Grund für den konventionellen Zukauf des Zuchtstieres wurde am meisten ein zu geringes Angebot von züchterisch interessanten Tieren aus Biobetrieben genannt. Gerade von seltenen Rassen gibt es meist nicht genug Öko-Tiere. Viele Teilnehmer (49%) zeigen Interesse an einem Zukauf von Natursprungstieren aus Öko-Betrieben. Dies wurde auch in der Praxis schon deutlich: Im Rahmen des Stierprojektes werden auch Tiere für den Natursprung von verschiedenen Bauern aufgezogen und für den Verkauf angeboten. Die sechs im ersten Jahr in Südbayern gezüchteten Tiere fanden alle dankbare Abnehmer. Zur Zeit wachsen im Rahmen des Projektes vierzehn Stiere der Rassen Fleckvieh, Braunvieh und Schwarzbunt für den Einsatz im Natursprung heran. Bei der Stierauswahl wird als erstes auf die Abstammung geachtet, dann den Charakter, die Lebensleistung der Mutter und das Fundament.
Viele Stiere haben Auslauf, die geforderte Größe ist ein Problem
42 Betriebe, das sind 16%, halten den Stier angebunden. In ca. der Hälfte der Betriebe mit Stierhaltung läuft er in der Herde mit, 46 Höfe haben für den Bullen eine eigene Laufbucht. Auf die Frage, ob sie den von der EU-Öko-Verordnung ab dem Jahr 2010 geforderten Auslauf von 30 qm für den Stier einrichten können, antworteten über die Hälfte der Stierhalter mit „nein”! Meist sind Platzmangel oder die Stallverhältnisse der Hinderungsgrund.
Erstaunlich ist, dass 60% der Betriebsleiter auf einen Nasenring für den Stier verzichten. Da wundert es nicht, dass weniger als 10% den Stier beim Decken führen. Meist vollzieht sich der Deckakt auf der Weide (47%), im Laufstall (35%) oder in der Laufbucht (17%). Die Hälfte der Stiere darf auch auf die Weide, vorwiegend zusammen mit den Kühen oder dem weiblichen Jungvieh.
Stierhaltung erfordert Wachsamkeit
Auf die Frage, ob es in der Vergangenheit schon Probleme mit dem Bullen gab, führten 16% Aggressivität und 3% Unfruchtbarkeit oder Unlust an. Auf 31 Betrieben kam es auch schon einmal zu Unfällen im Zusammenhang mit der Bullenhaltung. Häufig entstehen kritische Situationen mit älteren Stieren und immer wieder beim Eintrieb von der Weide. Daraus könnte man die Empfehlung ableiten, eher mit jungen Stieren zu arbeiten – was auch aus züchterischen Gründen von Vorteil ist – und die Haltungseinrichtungen weiter zu optimieren, damit Unfälle in Zukunft möglichst noch seltener vorkommen.
Das sind Themen, an denen auch im Rahmen des Zuchtstierprojektes weiter gearbeitet werden wird. Ziel des Demeter-Verbandes ist es, den Natursprung als die wesensgemäße Form der Fortpflanzung auf den Betrieben weiter zu unterstützen. Durch ihre Teilnahme an der Umfrage haben die Rinderhalter, denen ein herzlicher Dank gilt, zu wichtigen Ergebnissen beigetragen und sehr gute Impulse und Anregungen gegeben, die in der Zukunft weiter berücksichtigt werden sollen.
Zuchtstierhaltung durch EU-Öko-VO gefährdet
Die EU-Verordnung für den ökologischen Landbau fordert einerseits entschieden die Fortpflanzung mittels Natursprung. Die Künstliche Besamung wird lediglich geduldet. (Anhang 1, Absatz 6.1.1.: „Grundsätzlich muss die Fortpflanzung der Tiere in der ökologischen Tierhaltung im Natursprung erfolgen. Künstliche Besamung ist jedoch zulässig.”). Andererseits ist die Zukunft der Zuchtstierhaltung durch fragwürdige Vorgaben zur Auslaufgröße stark gefährdet. Mehr als die Hälfte der Stierhalter können einen Auslauf mit der geforderten Größe von 30 qm nicht realisieren und viele müssten die Bullenhaltung nach Ablauf der Übergangsfrist im Jahr 2010 aufgeben. Ganz schwierig wird's in der Praxis, wenn mehrere Zuchtstiere gehalten werden, was aus züchterischer Sicht durchaus wünschenswert und sinnvoll ist. Noch ist Gelegenheit, die Regelungen in der EU-Öko-VO an die Erfordernisse anzupassen und damit die Stierhaltung als Grundlage einer bäuerlichen Zucht auch in der Zukunft zu ermöglichen. Die Öko-Verbände und zuständigen Behörden sind gefordert, sich dafür einzusetzen. Konkret : Übergangsregelung???
Martin Haugstätter
Beratungsdienst ökologischer Landbau Schwäbisch Hall
Eckhartshäuserstr. 41
D-74532 Ilshofen
Mhaugstaetter(at)bio-beratung.de
Christoph Metz
Demeter Bayern e.V.
Gopprechts 4
D-87448 Waltenhofen
christoph.metz(at)demeter-bayern.de
Beat Bapst
FiBL Frick, Ackerstr.
CH-5070 Frick