Berichte & Initiativen

Qualität entsteht regional

Auf der Jahrestagung des Forschungsring wurden die Dimensionen von Regionalität ausgelotet

von Michael Olbrich-Majer

 

Viele vermarkten inzwischen unter der Fahne regionaler Qualität: Doch was ist darunter genau zu verstehen? Wenn der Dünger aus der Fabrik kommt, Saatgut für Gemüse aus fernen Ländern, Energie aus Nahost, Kapital von der Bank? Wenn dann noch auf der Alm die Kühe schwarzbunt sind, sind eigentlich nur Bauer und Boden regional verankert. Dieser Schluss lag im Raum, als die Teilnehmer der Forschungsring-Jahrestagung dem Demeter-Gärtner Christian Hiß zuhörten, der seine Bemühungen schilderte, genau in diesen Punkten wieder mehr unter­neh­merische Autonomie zu erlangen. Die geplante Ausgabe von Bürgerbeteiligungen in Form von Namensaktien würde sein regionales Netz vervollständigen.

 

Was macht denn die besondere Qualität der Regionalmarken eigentlich aus? Wissen, wo´s herkommt, das Vertrauen, das zieht in den meisten Fällen. Doch ist es wirklich begründet? Aus der Region für die Region", das gilt bei konventioneller Erzeugung ja gerade nicht. Ökobetriebe sind da ein paar Schritte weiter, und die biologisch-dynamischen haben sich ja ohnehin dem Organismusprinzip verschrieben: in der Erzeugung soviel wie möglich aus den Kräften des Standorts. Der Betrieb als Bild des Ortes, wie es Demeter-Landwirt Klaus Wais formulierte.

 

So gewinnt ein nicht mehr ganz so neues Thema doch umgehend Aktualität. Dietrich Bauer, Züchter vom Dottenfelderhof, wies darauf hin, dass das Regionalprinzip schon einmal mehr im Focus der Demeter-Bewegung war, sowohl bei der Vermarktung als auch bei der Zusammenarbeit auf bäuerlicher Seite. Und hier tauchte es auch verwandelt wieder auf: Verantwortung lokal ergreifen mit der Region als Basis für die wirtschaftliche Bewusstseinsbildung, von Erzeugung, Handel bis zum Verbrauch. Sich befreien von anonymer Wirtschaftsmacht, das stünde heute, nach der Emanzipation von Kirche und Staat noch aus, so Klaus Wais weiter.

 

Beispiele verschiedener Projekte zeigten auf, was geht. Und was nicht geht. Gemeinsame Käsevermarktung, regional, kann schwierig sein, wenn wegen der Entfernung zwischen den Beteiligten die Transportauslastung nicht stimmt. Das berichtete Siggi Baßner vom Dottenfelderhof und der Vermarktungsinitative Fuchshöfe. Zudem ist gerade Käse ein Lebensmittelsortiment, das zwar von regionalen Spezialitäten lebt, aber die werden gerne auch in anderen Regionen gegessen. Kleine Chargen sind häufig das Problem bei der Erfassung, so Jörg Dieckmann, der das Getreide einer nordeutschen Demeter-Erzeuger­gemein­schaft der Bauck KG zuführt, und die Ver­bindlichkeit der regionalen Zusammenarbeit schätzt.

 

Regionalsorten sind hilfreich für die Landwirte, wie der Getreidezüchter Dr. Bertold Heyden darstellte, und regen auch die regionale Vermarktung an. Dennoch lässt sich allein aus dem Züchterobulus im regionalen Anbau keine Sortenentwicklung finanzieren, wie Andreas Beers von den Sativa- Initativen bestätigte. Die Schweizer organisieren über Sativa Zulassung, Vermehrung und Vertrieb von biologisch-dynamisch gezüchtetem Saatgut.

 

Dr. Petra Kühne, Arbeitskreis für Ernährungsforschung, verdeutlichte die Begrenztheit regionaler Konzepte: schon die Hanse schiffte deutsches Bier nach Skandinavien, das Rheinland versorgte im Mittelalter Frankfurter Märkte mit Dörrobst. Und auch bei Öko-Lebensmitteln geht nicht alles regional: je mehr verarbeitet, desto weniger. Doch Mengenprodukte wie Getreide, Hülsenfrüchte, Obst Gemüse, Fleisch - all das ist auch aus Quellen der Region verfügbar. Doch warum soll man das bevorzugen, abgesehen von der CO2- Bilanz des Transports? Kann die Einheit von Ort, Gewächs und Mensch, getragen von den die Landschaft bildenden Kräften, Wirkung zeigen? Sie kann, meint die Ernäh­rungs­wissenschaftlerin, vor allem bei Kindern in der Organbildephase - anthroposophisch betrachtet geht diese bis zum siebten Lebensjahr - und bei kranken oder alten Menschen.

 

Und wie handelt man das? "Die Regionalen" ist eine Initiative der Naturkostgroßhändler, die nicht bundesweit arbeiten, sondern Vorteile der Region im Handel nutzen und stärken wollen, so Klaus Tröger von Phönix. Doch wo hört die Region auf? Im den rasch sich verändernden Strukturen des Bio-Marktes definiert sich Region zunehmend über Beziehung, über "Kundennähe". Näher dran kann von Vorteil sein, aber ob sich der Regionalgroßhandel hält, wird die Zukunft zeigen. Im Bio-Einzelhandel kann Regionales das Profil schärfen.

 

Erzeuger-Fair-Milch verspricht die Upländer Molkerei, eine Gründung von Biobauern, die dafür einen der diesjährigen Innovationspreise auf der Anuga bekam. Anja Sobczak stellte vor, wie mittels eines Extra- Aufklebers 5 Cent mehr je Liter Milch erlöst werden und beim Erzeuger landen.

 

Dass man den Unterschied zwischen einer Möhre vom Obergrashof bei München und einer vom Dottenfelderhof in der Wetterau wahrnehmen kann, dazu wurden die Teilnehmer von Martin Hollerbach, Verantwortlicher für den Hofladen am Dottenfelderhof, geführt. Nach Erklärendem zum Thema Bildekräfte konnten die meisten beim Verkosten der Sorte "Rodelika" auch ein innerliches "Nachbild" beschreiben, das typisch für den Standort war. Das und viele weitere Ergebnisse zeigte auch die Ausstellung des Vereins Kultursaat zur Bildekräfteforschung in der Züchtung von Gemüse, die präsentiert wurde.

 

In zwei Arbeitsgruppen vertieften die Teilnehmer Aspekte von regionaler Qualität und Zusammenarbeit. Wirtschaft mit geeigneten Partnern gestaltbar machen auf der einen Seite und Sorten an die Kräftekonfiguration des jeweiligen Standorts anpassen, waren die beiden Pole der Gespräche, die zeigten, dass in der Vielfalt auch eine Stärke liegen kann.