Aus der Bewegung

Demeter in Kolumbien

In Kolumbien existieren sehr viele kleinststrukturierte Betriebe (oft weniger als 1 Hektar groß). Häufig assoziieren sich diese Campesinos (Bauern) in einer Region um ein Produkt wie Kaffee, Kakao, Limetten etc. herum, um auf dem Markt bestehen zu können. Immer häufiger werde ich von solchen Campesino-Gruppen für eine Umstellung auf biodynamische Landwirtschaft angefragt. Um Betriebe in der Umstellungszeit gut zu begleiten versuche ich, durch Fragen und Übungen innere Bilder zu erwecken, die das Wesentliche des Biologisch-Dynamischen erfahrbar machen. Dieser Prozess ist bei Gruppen besonders bereichernd und motivierend, da jedes Mal eine einzigartige Dynamik entsteht.

Raum für Begegnung schaffen

Zu Beginn besuche ich die Höfe und die Menschen, dabei entsteht ein erster Eindruck dafür, wie der Umstellungsprozess gestaltet werden kann. Möglichst mit allen Beteiligten besichtige ich alle Höfe, um die Menschen in ihrem Umfeld, die Betriebe in ihrer Gestalt wahrzunehmen und die Dynamik der Gruppe anfänglich kennenzulernen.

Der zweite Teil des Erstbesuches ist das Gruppengespräch, in dem die Frage „Was ist eigentlich biologisch-dynamische Landwirtschaft?“ eine erste Beantwortung finden soll. An der Stelle will ich betonen, dass viele der Menschen aus einfachsten Verhältnissen stammen und sich ihr Leben und ihre Erfahrung auf Hof und Dorf erstreckt. Die häufigsten Fragen, die im Gruppengespräch an mich gestellt werden, sind folgende:

  • Wie lange dauert die Umstellung?
  • Womit kann ich dann düngen?
  • Was ist der Unterschied zwischen biologischem und biologisch-dynamischem Anbau?
  • Was kostet die Umstellung und die Zertifizierung?
  • Wie ist die Marktsituation für biologisch-dynamische Produkte im In- & Ausland?

Die direkte Antwort auf die Fragen zeigt nur technische Ausschnitte auf und verschließt, in meiner Erfahrung, erstmal den Weg, um in die Tiefe und Komplexität des Themas einzutauchen. Daher nehme ich die Fragen auf, ohne unmittelbar darauf einzugehen. Sie werden aber selbstverständlich im Laufe des Gesprächs beantwortet. Doch zuerst lade ich die Bauern ein, eine Übung zu machen, begleitet von der Frage und Vorstellung „Kann ich im Labor eine Banane nachbauen, wenn ich alle technischen Daten habe – oder fehlt was?“ So kommen wir auf das Lebendige. Im Weiteren beschäftigt uns die Frage „Kann ich das Leben wahrnehmen, habe ich ein Organ für das Lebendige?“ Im Gespräch mit allen erarbeiten wir uns ein Bild, eine Ahnung, dass es über das Materielle hinaus Sphären gibt, zu denen jeder einen Zugang hat. Ich staune jedes Mal darüber, wie selbstverständlich es wird, über Leben, Freude, Schöpfung, Liebe und vieles mehr zu reden. Sind der Zugang und der Austausch geschaffen, bekommen Themen wie Bodenverlebendigung, Kompostierung, Tierhaltung, Hoforganismus und Präparate ein anderes Verständnis, ein neues Erleben, und erhalten während des Umstellungsprozesses eine Sinnhaftigkeit und verbleiben nicht bei Pflicht und Regel. Wurde nach dem ersten Besuch der Entschluss getroffen, die Höfe auf biologisch-dynamische Landwirtschaft umzustellen, folgen die nächsten konkreten Schritte.

Die Präparatearbeit ist für mich ein kontinuierlicher Begleiter in der Gruppenumstellung und die Beratungsbesuche werden daran gekoppelt. Die Herstellung der Präparate sind besondere Anlässe, wo alle zusammenkommen und sich mit viel Freude, Neugier und Engagement beteiligen. Es ist für mich jedes Mal verblüffend, wie selbstverständlich alle dabei sind, welch tiefgründige Fragen gestellt werden und wie mit Ernst und gleichzeitig viel Freude und Humor gearbeitet wird. Meine Arbeit als Berater besteht darin, nicht nur die notwendigen Fachkenntnisse zu vermitteln, sondern Fragen und Neugier zu erwecken und somit die Eigenständigkeit der Bauern zu fördern. Die Arbeit an geistigen und sozialen Fragen mit der Kernfrage „Wer bin ich Mensch“? bildet dabei für mich die Grundlagen. •

Autor: Ingo Mordhorst

Berater in Kolumbien. ingo.mordhorst(at)hotmail.com