Aus der Bewegung

Koberwitz 1924 auf Palawan

kultureller und heilender biodynamischer Impuls auf den Philippinen

Als ich vor 15 Jahren meine Frau Grace kennenlernte, die einzige Eurythmistin und eine von wenigen anthroposophischen Ärztinnen im Lande, war mir klar, dass ich nicht zu dem Brain Drain, der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, beitragen wollte, der so ein Land wie die Philippinen massiv betrifft. Viele der am besten ausgebildeten Menschen kehren ihrem schwierigen Heimatland den Rücken und bevorzugen das bessere Leben in einem der Zentren der westlichen Welt. Aber auch Grace, die sich von Jugend auf für Gerechtigkeit einsetzte, hätte nicht ruhig schlafen können, wenn sie den vergleichsweisen Luxus in Europa dem Kampf für eine bessere Welt zuhause vorgezogen hätte. Wir entschieden uns für ein Leben auf der Insel Palawan, um zur Rettung der biologischen Vielfalt dieses aus 1.800 Inseln bestehenden Archipels beizutragen. Sie ist Teil des Korallendreiecks, und die Bedeutung von Flora und Fauna im Wasser und an Land ist mit der der Galapagosinseln und des Amazonasbeckens zu vergleichen. Nicht zuletzt die Landwirtschaft trägt durch rabiaten Pestizid- und Düngereinsatz, Monokultur und Erosion maßgeblich zur Zerstörung bei.

Erleben und Verändern durch Sinneswahrnehmung

Will man etwas bewirken, muss man mit Menschen arbeiten – unser 2009 gegründetes Unternehmen verstehen wir von daher als Bildungszentrum. Sein Name, „Koberwitz 1924“, der uns über Umwegen zugesprochen wurde, hat für uns gewaltiges Gewicht, sowohl als Verantwortung und auch als Bedeutung. Grace und ich als Hauptverantwortliche, wie auch unsere Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter sehen all unsere durchaus diversen Tätigkeiten auf Grundlage und im Rahmen des Koberwitzer Impulses.

Unserer Zeit und den Menschen gemäß, mit denen wir arbeiten, versuchen wir, alles Lehren und Lernen auf eine sinnliche Grundlage zu stellen und an Beispielen zu demonstrieren. Dazu haben wir ein kleines Erfahrungsfeld der Sinne etabliert und nutzen praktische, sinnesintensive Übungen, wo immer wir auswärts tätig sind. Daneben haben wir im Laufe von bald zwölf Jahren eine Fülle von erlebbaren „good practice“-Beispielen aufgebaut. Diese finden sich an unserem Hauptstandort, wo sich auch unser Seedhouse und der Seedgarden befinden, auf unseren landwirtschaftlichen Flächen – aber auch an vielen Orten im ganzen Land, an denen wir durch unsere Arbeit in der Beratung, beim Aufbau von Projekten oder in der Notfallpädagogik nach einer der häufigen Notsituationen wie Tropenstürmen, Erdbeben oder Bürgerkrieg tätig waren.

Beispiele unserer Tätigkeit

Was konkret tun wir also? Nehmen wir als Beispiel das Wasser: Hier bilden wir die Menschen fort, in dem wir ihnen zeigen und ihnen in Workshops beibringen, wie Regenwasser aufgefangen, gesammelt, sparsam genutzt und letztlich wieder gereinigt werden kann. Beim Kernthema Saat- und Pflanzgut versuchen wir Saatgut aus biologisch-dynamischem Anbau bei uns heimisch zu machen und nachzubauen. Weiterhin bauen wir Saatgut aus verlässlichen biologischen Quellen an und versuchen, es durch Selektion weiterzuentwickeln, so etwa bei der Papaya. Diese leicht anzubauende Pflanze wird wegen ihrer Alltäglichkeit allzu leicht mit ihrem Potenzial übersehen, obwohl sie zu den heilkräftigsten Pflanzen überhaupt zählt, und als Gemüse, fermentiert und natürlich als wunderbare Frucht vielseitig verwendbar ist. Die Blätter der männlichen Papayapflanze sind auch als Heilmittel bei Dengue-Fieber und Malaria in Gebrauch. Uns wurde schon von einigen überraschenden Heilerfolgen nach dem Genuss unserer Früchte berichtet.

Saatgutarbeit und biodynamische Impulse

Im Saatgutgarten kümmern wir uns auch um wenig beachtete lokale Nahrungs- und Heilpflanzen und versuchen, sie durch Gewinn von Saatgut, Wurzeln oder anderen vermehrungsfähigen Pflanzenteilen vor dem Aussterben zu retten. Da sich bei dem feuchtwarmen Klima Saaten nicht lange halten, ist es das Beste, die Pflanzen in ständigem Anbau zu halten und kontinuierlich Saatgut zu produzieren. Alternativ dazu bräuchte es eine Kühlkammer, um Saatgut trocken und kalt aufzubewahren – doch das ist energie- und kostenintensiv und somit wenig nachhaltig. Neben der eigenen Tätigkeit im Saatgutbereich ist es wichtig, andere auf das Thema aufmerksam zu machen und zum Mitmachen anzuregen, etwa durch die Saatschule, die allen Interessierten offensteht. Zum Glück treffen wir immer wieder junge Leute, die sich dafür begeistern: zum Beispiel hat soeben eine Nachbarin, eine bekannte Popmusikerin, einen verpackungsfreien Laden namens Living Library er­öffnet, in dem unser Saatgut einen prominenten Platz hat.

Zum biologisch-dynamischen Anbau gehören zentral die Präparate: 500, 501 und das Fladenpräparat haben wir schon länger selbst gemacht, doch die Kompostpräparate stellen wir erst seit kurzem selbst her. Dazu kommen erneute Versuche, wenigstens einen Teil der Präparatepflanzen selbst anzubauen, die wir sonst, wie auch einige tierische Organe, über unser internationales Netzwerk bekommen. Gerade die Spritzpräparate zeigen deutliche Wirkungen, ist doch die elementare Welt im Allgemeinen hier machtvoll tätig. Das zeigt sich in einem deutlich intensivierten Boden-, Insekten- und Vogelleben. Die Auswirkung auf die Elementarwelt ist bis hin zum Regen wahrnehmbar.

Neben dem Saatgutgarten demonstrieren wir auf insgesamt sechs Hektar mit unterschiedlichen Böden und klimatischen Bedingungen – viel Regen in den Bergen, wenig im Tal oder böiger Wind, wie sich eine landwirtschaftliche Individualität gestalten kann. Dazu gehört die Anlage von Wäldchen, Hecken, Konturpflanzungen und Teichen. Mit dem Anbau von insgesamt 180 verschiedenen Pflanzenarten, die in Nahrung, Heilkunde und Anderem Verwendung finden können, ermutigen wir hier Bauern, andere als die ständig gleichen Kulturen anzubauen, ggf. zu verarbeiten und dadurch Mehrwerte zu schaffen, um aus der Armutsspirale zu entkommen.

Projekte und Initiativen begleiten und beraten

Dazu gehört auf Palawan selbst vor allem das Arbeiten mit verschiedenen indigenen Völkern, die allesamt ihre eigene Sprache und Kultur haben. Sie unterscheiden sich nicht nur von Volk zu Volk, sondern auch innerhalb eines Volkes oft stark von Ort zu Ort in ihren Lebenssituationen und in ihren Vorstellungen. Manche dieser Menschen verkaufen einem sofort das Land, auf dem sie stehen, und verkaufen es am nächsten Tag einem anderen – einfach, weil sie keinen Begriff von Landeigentum haben. Das führt oft zu großen Schwierigkeiten: So erhielten diese Völker in den letzten Jahren Rechte über beträchtliche Landflächen, und gaben diese oft umgehend für ein Butterbrot an Unternehmen, die das Land nun mit Bergbau oder Palmölplantagen ausbeuten, während sie selbst hungern, weil ihre jetzt begrenzten Flächen keine sinnvolle Brandrodungswirtschaft mehr erlauben und die Erträge zurückgehen. Es gehört zu unseren Aufgaben, im Verbund mit einer Indigenen-Organisation die Betroffenen über die Gefahren von Pestiziden und Düngemitteln aufzuklären und ihnen Methoden eines regenerativen Landbaus nahe zu bringen. Eine besonders wichtige Aufgabe ist der Aufbau einer Saatgutbank, um die Vielfalt ihrer Kulturpflanzen einigermaßen zu bewahren, die in ein paar Jahrzehnten bereits massiv abgenommen hat.

Mit Ausnahme der acht lokalen Mitarbeiter wird diese umfangreiche Arbeit von uns Unternehmern, Vorstandsmitgliedern und kurz- oder langfristigen Freiwilligen ohne Bezahlung geleistet. In Covid-Zeiten, wo die meisten unserer Verkaufs-Einnahmen wegfallen, ist unsere Finanzierung fast vollständig auf Spenden und Stiftungen angewiesen. Im Mai und Juni hoffen wir nach Europa zu reisen, und freuen uns auf Ein­ladungen in Schulen, Höfe usw., um über unsere Arbeit zu berichten.

Autor: Walter Siegfried Hahn
Koberwitz 1924
www.koberwitz1924.com

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