Aus der Bewegung

Wie geht es eigentlich den Azubis?

Eine Umfrage unter Auszubildenen auf Demeter-Höfen

Fia Lau, Tennental
Sophie Goossens, Laakenhof
für die Arbeitsgruppe Lehrlingsvernetzung
lehrlingsvernetzung-biodyn(at)systemli.org

Auf der Herbsttagung 2022 der biodynamischen Auszubildenden fand sich eine kleine überregionale Gruppe an Azubis zusammen: In Gesprächen mit anderen Azubis hatten wir immer wieder ähnliche Probleme herausgehört, dem wollten wir nachgehen. Um diese genauer zu erfassen, entwarfen wir eine Umfrage, die wir im Februar 2023 an alle Azubis aller Regionen sendeten. Hier geben wir einen kleinen Einblick in die Ergebnisse der Umfrage und versuchen, diese einzuordnen.

Von den im Februar 2023 rund 260 Auszubildenden in Deutschland nahmen 156 an der Umfrage teil. Davon kommen 48 aus dem Norden, 50 aus dem Osten, 29 aus dem Süden und 28 aus dem Westen. Von den 156 befragten identifizieren sich nur 44 als männlich, nur sehr wenige als BIPoC (Blacks/Schwarze bzw. Indigene bzw. People of Color). Etwa die Hälfte der Azubis gab an, die Biodynamische Ausbildung als Erstausbildung zu absolvieren. Auch die Aufteilung in Landwirt:innen und Gemüsegärtner:innen ist ungefähr hälftig.

Praxis vor Theorie?

In einem weiteren Block der Umfrage wurden die Azubis dazu befragt, wie zufrieden sie mit der Situation auf den Höfen sind. Von 132 Antworten gaben 95 % an, Freude bei der Arbeit zu haben, bei nur rund 5 % traf dies nicht zu. Diese Zahlen haben uns sehr gefreut. Bei der Frage zum Lernfortschritt auf den Betrieben sieht es hingegen schlechter aus. Von 154 Antworten gaben nur etwas mehr als die Hälfte an, dass sie zufrieden sind, wohingegen knapp 40 % nur teilweise zufrieden und 10 % sehr unzufrieden sind. Grund dafür könnte sein, dass knapp die Hälfte der Azubis unzufrieden damit ist, wie viel Zeit sich die Ausbilder:innen für sie nehmen. Beispielsweise gaben 53 von 150 Befragten an, dass bei ihnen nie Lehrlingsabende stattfinden, bei 90 befragten fanden diese nur selten, und nur bei 7 regelmäßig statt. Auch gaben immerhin 36 von 141 Stimmen an, dass sie keine Lernzeit machen dürfen, obwohl diese in den meisten Verträgen festgelegt ist. Ob sie auf dem Hof Verantwortung übergeben bekommen, beantworteten 115 von 154 Azubis mit Ja. Der Großteil ist mit dieser Verantwortung auch zufrieden, allerdings gaben 20 Azubis an, dass die ihnen übertragene Verantwortung zu viel ist.

Arbeitslast

Der nächste Fragenblock beschäftigte sich mit den Arbeitsbedingungen und die Belastung für die Azubis auf den Höfen. Hier gaben drei Viertel der Stimmen an, während der Hauptsaison mehr als 40 Stunden die Woche zu arbeiten. 59 Befragte gaben an, über 45 Stunden zu arbeiten. Bei 69 von 136 der Befragten stehen im Arbeitsvertrag 41 bis 48h. Der Rest hat regulär 40h im Vertrag stehen. Dies bedeutet, dass der Großteil weit mehr Stunden arbeitet als vertraglich geregelt. Das an sich ist kein Problem und könnte damit entkräftigt werden, dass es in der Landwirtschaft saisonbedingte Arbeitsspitzen gibt und dafür in der Nebensaison deutlich weniger gearbeitet wird. Dem ist nur leider nicht so. 65 Azubis gaben an, ihre Überstunden würden durch Geld, Freizeit oder andere Mittel ausgeglichen, 34 haben eine andere Regelung, aber 40 Azubis gaben an, keinerlei Ausgleich für ihre Überstunden zu bekommen. Das finden wir nicht fair und ist unserer Meinung nach auch Hauptgrund für eine häufige Überlastung. Eine Ursache für einen fehlenden Überstundenausgleich wird sein, dass 90 von 141 Azubis angaben, ihre Arbeitszeit nicht zu erfassen. Auch gaben 107 von 139 Azubis an, am Wochenende zu arbeiten. Dafür bekommt über die Hälfte keinen Ausgleich. In Kombination mit den Ausbildungsseminaren an Wochenenden bedeutet das wenig Freizeit- und Regenerationsphasen. Ein Großteil der Azubis wünscht sich Veränderung in diesem Punkt. Vor allem, dass man nicht direkt am nächsten Tag wieder arbeiten muss, gerade auch in Anbetracht der oft langen An- und Abreise zu den Seminaren.

Weiterführend lässt sich aus den Umfrageergebnissen schlussfolgern, dass viele Azubis sowohl an der körperlichen (84 von 141 Stimmen) als auch psychischen Belastungsgrenze (67 von 141 Stimmen) arbeiten. Als Gründe für die Überlastung wurden saisonale Spitzen (96 von 141 Stimmen), betriebliche Organisation (93 von 133 Stimmen) und zwischenmenschliche Gründe (73 von 133 Stimmen) angegeben. Ein großer Teil der Azubis arbeitet unter dem Motto „geht schon irgendwie“ trotzdem weiter. Dies könnte unserer Wahrnehmung nach daran liegen, dass auf vielen Höfen immer noch das Credo herrscht, dass dies eben die „landwirtschaftliche Realität“ ist und „immer schon so war“, und dass alle auf den Höfen regelmäßig über ihre Belastungsgrenze gehen. Wir finden, dass sowohl auf den Seminaren als auch von Ausbilder:innen Methoden gelehrt werden sollten, wie man auf die eigenen körperlichen und psychischen Grenzen achtet. Für uns alle in der Landwirtschaft wäre es doch gut, wenn wir uns nicht kaputt arbeiten. Landwirtschaft sollte nicht nur für den Hoforganismus, sondern auch für uns Menschen nachhaltig sein!

Betriebsklima und Wohnen

Erfreulich ist, dass dennoch die meisten Azubis das Arbeits- und Betriebsklima als angenehm wahrnehmen. Über die meisten Themen könne auf den Betrieben gut gesprochen werden. Für einige gestaltet sich aber das Besprechen von Konflikten mit den Betriebsleiter:innen etwas schwierig. Und leider gehören für zu viele Azubis diskriminierende Verhaltensweisen und Aussagen ihnen oder anderen gegenüber zum Alltag: (s. Abb.2)

Mit der Wohnsituation auf den Höfen sind die meisten Azubis zufrieden. Die meisten Azubis sind in Zimmern (50 %) oder Bauwägen (30 %) auf den Höfen untergebracht. Die restlichen 20 % wohnen nicht auf dem Hof. 28 von 142 Stimmen gaben an, mit ihrer Unterkunft nicht zufrieden zu sein. Fast alle Lehrlinge gaben an, für die Unterkunft auf dem Hof Miete zu bezahlen. Hier fragen wir uns jedoch, ob es in jedem Fall – in Anbetracht des teilweise schlechten Zustandes der Unterkunft und der Höhe des Gehaltes – angebracht ist, beträchtliche Summen des Lohnes für die Unterkunft abzuziehen.

Und weiter?

Es hat uns sehr gefreut, dass die meisten Azubis auch nach der Ausbildung weiterhin in der Landwirtschaft arbeiten wollen. 76 von 133 Antwortende ziehen dabei zusätzlich in Erwägung, aufbauend auf die biodynamische Ausbildung noch den staatlichen Abschluss zu machen. Die Umfrage zeigt viele Punkte, an denen die Ausbildung auf den Höfen verbessert werden könnte, dennoch macht fast allen die Arbeit Spaß und es wollen auch fast alle weiter in der Landwirtschaft tätig sein. Wir sehen auch, dass die Betriebe oft unter einem enormen strukturellen und finanziellen Druck stehen und hoffen, dass wir gemeinsam die Verhältnisse im Großen und im Kleinen für alle verbessern können.