Editorial

Auf dem Weg

Eigentlich würden viele konventionelle Betriebe gerne umstellen. Sie sind es leid, gesellschaftlich der Buhmann zu sein, manche haben auch gemerkt, dass sie nicht für Märkte, sondern für Menschen produzieren. Diese jedoch haben Ansprüche über Nahrungsmittel hinaus. Aber unklare Nachfolge, nötige Investitionen, Krise der Tierhaltung und komplexere Absatzwege als gewohnt sind häufige Gründe, nicht auf eine Umstellung zuzugehen.

Dennoch trauen sich inzwischen viele – nicht zuletzt, weil der Milchmarkt implodiert ist. In den letzten fünf Jahren schlugen 8.000 Betriebe den ökologischen Weg ein, allein 1.303 im vergangenen Jahr; die Mehrzahl ging zu einem der Verbände. Auch auf Demeter stellen in den letzten Jahren vermehrt Betriebe direkt vom konventionellen Wirtschaften um. Marktchancen, der Gedanke, wenn schon, dann richtig, oder einfach die ganzheitliche Sicht des Biodynamischen sind hier starke Motive.

Gerade, wenn zunächst allein der Markt den Ausschlag gibt und hier ebenfalls frisch zu Demeter gestoßene Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen Anlass und Abnehmer sind, stellen sich einige Fragen, sowohl an die Betriebe als auch an die Demeter-Gemeinschaft: Markt first – was ist, wenn die Marktbedingungen sich ändern? Ist der Betrieb dann noch dabei? Auf wie viel biodynamische Überzeugung kann er sich einlassen, wie viel Knowhow kann er so individuell entwickeln? Andererseits: es war schon immer so, jeder Umsteller macht sich erst einmal auf den Weg; es ist noch kein Demeter-Hof, kein biodynamischer Betriebsleiter oder Betriebsleiterin vom Himmel gefallen. Bauer als Unternehmer sein heißt immer, auf dem Weg sein, denn stetes Lernen erfordert bereits die Arbeit an und mit der Natur.

Dennoch fragen wir uns im Verband nun häufiger: kommen die Betriebe, die zu uns passen? In manchen Regionen wird jenseits der Demeter-Richtlinien diskutiert, wie groß, wie speziell, wie einseitig ein Demeter-Betrieb sein darf und auch, „Wen wollen wir in unserer Gemeinschaft haben?“ Der soziale Zusammenhang, von der regionalen Arbeitsgemeinschaft, der Demeter Beratung, dem Einführungskurs, über das Mitwirken in den Fachgremien bis hin zu den Marktpartnern, die als Mitglieder ebenfalls für die gemeinsame Sache stehen, kann über die Umstellung hinaus tragen. Das ist mehr als nur ein Liefervertrag.

Dass biodynamisch Arbeiten explizit mit Entwicklung verknüpft ist, sowohl für den Betrieb, aber auch für die Landwirtschaft betreibenden Menschen, gehört zum Konzept einer Landwirtschaft, die sich am Standort als Organismus und Art Individualität versteht. Wer darauf umstellt, muss hier seine Wege finden, in der eigenen Identität als Hof und Mensch wie auch im Beitrag zur Gemeinschaft, die in der Regel Demeter heißt. In beiden Gesten kann die Sehnsucht nach Spirituellem eine Kraft sein, aber wir dürfen ihr auch Zeit geben, an konkreten Fragen zu erwachen.

 

Herzlichst Ihr