Feld & Stall

Der Anbau von Walnüssen

Ein mutiger Schritt mit Potenzial

von Vivian Böllersen

 

Man muss gar nicht viele erklärende Worte suchen, wenn das Thema Walnuss auf den Tisch fällt. Schon sprudelt es bei allen Anwesenden nur so vor nostalgischen Gefühlen: Vom Auflesen an Herbstnachmit­tagen der Kindheit, dem geselligen Knacken für Muttis Nusskuchen und dem Geheimrezept von Ur­groß­­vaters Walnusslikör wird berichtet. Auch ausgelassene Kletterpartien, laue Sommerabende und braune Finger werden mit dem Walnussbaum in Verbindung gebracht. Er strotzt nur so vor lebendiger Kulturgeschichte.

 

Leider entspricht diese individuelle Verbundenheit nicht der öffentlichen Aufmerksamkeit, die die Baum­art erfährt. Seit sie 2008 aufgrund ihrer vielseitigen Nutzbarkeit und alarmierender Bestandsrückgänge als „Baum des Jahres“ ausgezeichnet wurde, hat sich nicht viel getan. Noch immer wird die Pflanzung eines Walnussbaums in Privatgärten durch Ängste bezüglich des voraussichtlichen Arbeitsaufwandes und der Schwierigkeit des „Wieder-Weg-Bekommens“ gehemmt. Im Anbau wird der Frucht zwar ein hohes Absatzpotenzial zuge­schrieben, der gemächlichen, z. T. Generationen überdauernden Kultur aber insgesamt nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt.

 

Wer nun aber der Walnuss – ob aus kommerziellem Interesse oder nostalgischer Überzeugung – eine Chance auf seinen Flächen geben möchte, steht vor einem großen Problem: Es gibt kaum handfeste Informationen und nur eine Hand voll Praxisbeispiele, die die Anbauwürdigkeit dieser Kultur belegen würden. Aber die Recherche lohnt sich! Der erste Schritt auf dem Weg zur Rekultivierung unserer traditionsreichen Walnussbäume kann mit vielen kleinen, mutigen Pionier­projekten in der ganzen Bundes­republik realisiert werden. Hier ein kleiner Leitfaden dazu.

Die Walnuss in unseren Breitengraden

Der Walnussbaum stammt ursprünglich aus Zentralasien, von wo aus sich die Art maßgeblich durch die Römer in Europa aus­breitete. Über Gallien, das damals als „Welschland“ bezeichnet wurde, hielt sie schließlich auch in Deutschland Einzug und bekam den Namen „Welschnuss“ zugestanden, woraus später „Walnuss“ entstand.

 

Die ursprünglich aus wärmeren Breitengraden stammende Baum­art hat sich seit jeher mit und durch den Menschen verbreitet und konnte auch in Deutschland durch die familiäre Nutzung als solitärer Haus- und Hofbaum Fuß fassen. Nicht nur die schmackhafte, energiereiche und lagerfähige Frucht fand dabei Verwendung. Auch die grünen Pflanzenteile, die hölzernen Nussschalen und die Kämben zwischen den Kernhälften kamen im medizinischen, kosmetischen oder künstlerischen Kontext zum Einsatz.

 

Neben warmen Temperaturen ist die Walnuss auch auf günstige Lichtverhältnisse angewiesen, weshalb­ sie sich im Wald kaum durchsetzen kann. Ein ausreichender Standraum sollte dem Baum daher ebenso zur Verfügung stehen wie eine sichere Wasserversorgung, denn der vollkronige Baum mit den schönen, großen Blättern verdunstet sehr viel Feuchtigkeit in der Vegetationsperiode.

 

Hinsichtlich des Bodens ist die Walnuss recht anpassungsfähig, wobei natürlich die besseren Böden auch höhere Ernten erwarten lassen. Die Toleranz gegenüber Spätfrösten ist – wie man im letzten Jahr sehen konnte – bei den meisten Walnussbäumen sehr gering. Minusgrade nach dem Austrieb verursachen in nahezu 100 Prozent der Fälle das Absterben der jungen Triebe, bedeuten aber nicht automatisch den Verlust der weiblichen Blüten bzw. Fruchtansätze.

 

Der Walnussbaum trägt weibliche wie männliche Blüten an ein und demselben Baum. Leider überschneiden sich die Blütezeiten der beiden Geschlechter eher selten, so dass oft der männliche Pollen eines anderen Walnussbaumes die fruchtbringende Bestäubung vollzieht. Es gibt aber auch sich selbst bestäubende sowie apomiktisch fruchtende Exemplare. Die Blütezeit reicht in Mitteldeutschland etwa von Mitte April bis zur ersten Junihälfte.

 

Die grünen Pflanzenteile der Walnuss enthalten einen Stoff, der für das Braunfärben der Hände und Schalen bei Kontakt mit Sauerstoff sowie für die von Gärtnern beobachtete allelopathische Wirkung unter dem Walnussbaum verantwortlich ist: Das im Boden gebildete Juglon wirkt im Einflussbereich der Kronentraufe keimhemmend auf zahlreiche Pflanzenarten und Pilze. Verschiedene Gräser sowie Pflanzen mit gut ausgebildeter Kutikula sind aber relativ tolerant.

Erste Überlegungen zur Planung einer Walnussanlage

Aufgrund der vergleichsweise hohen Pflanzkosten und des hoffentlich langfristigen Bestehens, sollte die Pflanzung von Walnussbäumen zur Fruchterzeugung gut überdacht sein. Vorzeitige Abgänge aus der Anlage oder regelmäßig ausbleibende Ernten sind in jedem Falle schmerzlich, weshalb man diese Entwicklungen von vornherein ausschließen sollte.

 

Eine passende Standortwahl ist obligatorisch. Windexponierte Lagen sind zu meiden; sandig-trockene oder dauernasse Böden desgleichen. Vorteilhaft sind westlich oder südwestlich ausgerichtete Hanglagen, an denen die Kaltluft abfließen kann, sowie gut wasserversorgte Böden.

 

Die übrigen naturbedingten Hürden können mit der richtigen Sortenwahl abgefedert werden. So sollten in spätfrostgefährdeten Lagen ausschließlich spät austreibende Sorten gepflanzt werden. Auf satten, nährstoffreichen Standorten kann eher zu den auf kommerziellen Ertrag gezüchteten, auch an den Seiten­ästen (lateral) fruchtenden Sorten geraten werden, als auf schwächeren Böden. In regenreichen Ge­bieten sollten Sorten mit einem gewis­sen Robustheitsgrad gegenüber Blattkrankheiten gewählt werden­ und je nach Vermarktungsziel können die Fruchtgröße oder der Ölgehalt eine größere Rolle spielen.

 

Die Verfügbarkeit von Pflanzware ist leider ein immer noch begrenzender Faktor. Es gibt nur eine Hand voll Walnuss-veredelnde Betriebe in ganz Deutschland, was an der Schwierigkeit der erfolgreichen Ausübung dieses Handwerks mit der Walnuss liegt. Dementsprechend teuer ist das Pflanzgut und überschaubar die Sortenauswahl. Von der Verwendung von unveredelten Sämlingsbäumen ist wiederum abzuraten – das Risiko, nach einigen Jahren eine nicht vermarktungsfähige Nuss zu ernten, ist zu hoch.

Anbauverfahren

Sie können die Walnuss im Rein­bestand oder in Kombination mit anderen Kulturen anbauen. Da von Pflanzabständen unter 12x12 m abzuraten ist, können die Bereiche zwischen den Reihen in den ersten zehn bis fünfzehn Jahren noch gut für andere Obstkulturen oder Ackerfrüchte genutzt werden.

 

Bei der Pflanzung sollte auf einen lockeren, umfangreichen Wurzelraum für das junge Bäumchen Wert gelegt werden. Je eher sich die Wurzeln vom Pflanzschock erholen und neue Feinwurzeln bilden können, desto schneller kann sich der Baum wieder auf sein vegetatives Wachstum und schließlich auf seine generative Vermehrung konzentrieren. Daher ist auch das Angießen von großer Bedeutung; auf schweren Böden sollte der Ringwurzelbildung durch eckige Pflanzlöcher vorgebeugt werden. Ein langlebiger Pflanzstab zur Stabilisierung gehört genauso dazu wie ein Einzelbaumschutz (oder Flächenschutz) zur Abwehr von Fegeschäden. Verbissschäden an Wurzel, Rinde oder Blatt werden bei der Walnuss so gut wie nie verzeichnet.

 

In den ersten Jahren ist die Pflanzscheibe unbedingt offen zu halten, da die Wurzelkonkurrenz durch Gräser und Wildkräuter den Anwuchserfolg schmälern oder das frühzeitige Fruktifizieren des Baumes ausbremsen kann. Erste Schnittmaßnahmen ergeben ab der zweiten Vegetationsperiode Sinn, um dem Baum zu der gewünschten Schaftlänge zu verhelfen. Als Mittelstämme geplante Anlagen müssen deutlich weniger oft angegangen werden; allerdings ist auch hier die Bildung von Zwieseln (z. B. nach Frostschäden) zu vermeiden, um die spätere Bruchsicherheit des Baumes zu gewährleisten.

 

Nach etwa fünf bis sieben Jahren darf bei den meisten Sorten mit der ersten Ernte gerechnet werden. Diese fängt mit einigen Nüsschen an und steigert sich dann kontinuierlich, bis die Bäume meist zwischen dem 12. und 20. Lebensjahr ihre Vollertragsphase erreichen. Wie viele Exemplare in unseren Gärten belegen, können Walnussbäume weit über siebzig Jahre alt werden. In den meisten literarischen Quellen wird aber mit einer Umtriebszeit von etwa fünfzig Jahren gerechnet. Man kann also von mindestens dreißig Vollertragsjahren ausgehen, in denen der Baum zwischen 15 und 50 kg getrocknete Nüsse pro Jahr abwirft. Der Standort, die Sorte, der Kronenaufbau sowie Ausfälle wegen Spätfrösten oder Krankheiten nehmen jeweils großen Einfluss auf das durchschnittliche Ertragspotenzial eines Baumes.

Schaderreger/Baumgesundheit

Generell ist der Walnussbaum von Natur aus ein robuster, wenig von Krankheiten und Schädlingen heimgesuchter Nutzbaum, was ihn für die ökologische Landwirtschaft besonders prädestiniert. Einige mögliche Schaderreger seien aber kurz benannt. Eine der am häufigsten wahrgenommenen, aber harmlose Schädigung am Blatt der Walnuss wird durch Gallmilben verursacht. Die pockenartigen oder mit weißem Filz ausgekleideten Blattausstülpungen sehen zwar unschön aus, stellen aber keine Beeinträchtigung der Assimilationsflächen dar.

 

Die Blattkrankheiten Xanthomonas arboricola pv. juglandis und Marssonina juglandis wiederum sind von ernsterer Bedeutung, da sie bei frühem Befall und günstiger Witterung die Ernte in Gefahr bringen oder zu mindestens erschweren können. Schwarz-braune Blätter und Schalen sowie trockenfaule, verpilzte Nusskerne können zum Vermarktungsausschluss der Nüsse führen und sollten daher durch die entsprechende Sortenwahl, weite Pflanzabstände und luftige Kronen schon präventiv vermindert werden. Bei entsprechender Fürsorge sind diese Krankheiten aber gut in den Griff zu bekommen.

 

Eine ähnliche Symptomatik zeigt die seit 2004 in Deutschland auftauchende Walnussfruchtfliege Rhagoletis completa / R. suavis, bei deren Befall sich die grünen Schalen ab Mitte August/Anfang September gefühlt schlagartig schwarz färben und die Ernte zu einer schmierigen Angelegenheit wird. Ein echtes Ärgernis für Walnussbaumbesitzer, denn gegen die gefräßige Larve des Schädlings ist in Deutschland noch kein Kraut gewachsen. Es wird zu Gelbtafeln als Monitoring-Instrument und dem sofortigen Entfernen befallener Früchte (samt den Maden) geraten.

 

Ist man aber vor aller höheren Gewalt bewahrt geblieben und hat auch sonst seine Bäume nach guter fachlicher Praxis versorgt und gepflegt, so kann man sich jährlich ab Mitte September auf eine reiche Nussernte freuen. Diese beginnt, wenn die grünen Nusshüllen am Baum anfangen aufzuplatzen. Die Bäume werden dann am besten Ast für Ast geschüttelt, um möglichst viele Nüsse mit einmal auflesen zu können und so Arbeitsgänge zu reduzieren. Bei Betrieben bis ca. 5 ha Fläche erfolgt die Lese meist manuell; bei größeren Betrieben kann sich die Anschaffung einer Erntemaschine lohnen, die wie eine Kehrmaschine der Stadtreinigung funktioniert.

 

Die Nüsse müssen möglichst schnell vom Boden aufgenommen, gewaschen und getrocknet werden, um eine gute Vermarktungsqualität und Lagerfähigkeit zu gewährleisten. Diese beläuft sich bei den allermeisten Nusssorten auf mindestens ein Jahr, wobei die Keimfähigkeit der Früchte nach etwa einem halben Jahr erlischt. Die Trocknung und Lagerung erfolgt in Kleinstbetrieben klassisch in Kartoffelnetzen, die regelmäßig bewegt und in zugige Scheunen oder Dachböden gehängt werden. Größere Betriebe nutzen eigens konstruierte Trocknungssysteme, die mittels Gebläsen die Nüsse mit nicht zu warmer Luft durchströmen. Die Lagerung wird hier in Drahtgitterboxen realisiert, nachdem die Nüsse auf 8–12 % Feuchtigkeit heruntergetrocknet wurden.

Vermarktung

Es gibt viele Formen und Wege, die Früchte seiner Walnussbäume unter die Leute zu bringen. Zunächst einmal kann man sich für die Herbsternte überlegen, ob man die ganze Nuss als Tafelnuss absetzen, oder ob man sie noch knacken und zu anderen Produkten weiterverarbeiten will. Auch die Vermarktung von frischen, ungetrockneten Schälnüssen direkt nach der Ernte ist eine Option. Außerdem gibt es die Möglichkeit, die grüne „Johanni-Nuss“, welche Ende Juni vom Baum gepflückt wird, als saisonale Spezialität zu vermarkten. Hier könnte auch wieder Ur-Opas Likörrezept oder herzhaftere Varianten zum Einsatz kommen.

 

Für welche Produktform man sich auch entscheidet, am Ende ist die Gewinnspanne die entscheidende Größe, die einen Betriebszweig rentabel macht oder eben nicht. Hierfür sollten genaue Daten der Absatzmöglichkeiten und zu erwartenden Preise in der Region erhoben werden. Großhändler werden Sie ab einer gewissen Warenmenge mit offenen Armen empfangen, halten aber oft nicht die erzeugerfreundlichsten Preise bereit. Die Direktvermarktung wiederum bringt die höchsten Einträge, bedeutet aber sehr viel mehr Aufwand und Risiken für den Erzeuger. Ein guter Mittelweg ist die Kooperation mit kleinen, inhabergeführten Natur- und Feinkostläden, deren Betreiber und Endkunden Ihren Aufwand zu schätzen wissen und entsprechend honorieren.

 

Das ist überhaupt der Kern der Sache: Lassen Sie sich Ihr Walnuss-Produkt nicht schlecht reden! Es gibt de facto keinen wirtschaftlich erwähnenswerten Walnussanbau in Deutschland; aber die Nachfrage ist groß und nimmt im Zuge der immer mehr auf pflanzliche Eiweiße ausgelegten Ernährungstrends stetig zu. Die großen Mengen an Walnüssen, die bei uns in Form von Kernen, Mehl, Öl, Backwaren usw. über den Supermarkt verkauft werden, stammen zu hundert Prozent aus dem Ausland, mehr als die Hälfte davon aus Übersee! Da ist es doch zu rechtfertigen, wenn eine lokal erzeugte, unter hohen Pionierkosten für den heimischen Anbau (wieder-) entdeckte Frucht im Verkauf einen Euro mehr kostet. Dem verköstigten Kunden wird sie jedenfalls nicht nur einen vortrefflichen Geschmack, sondern auch die schönen Herbstbilder von früher wieder in die Sinne tragen.

Autorennotiz

Vivian Böllersen

hat an der HNE Eberswalde Öko-Agrarmanagement studiert, betreibt eine 4,5 ha große Walnussanlage im Norden von Berlin und ist Autorin des Buches: Revival der Walnuss – Altes und neues Wissen zum Walnussanbau in Deutschland.

 

„Revival der Walnuss – Altes und neues Wissen zum Walnussanbau in Deutschland“, 160 Seiten,

OLV Organischer Landbau Verlag, Kevelaer 2017, ISBN 978-3922201953, 29,95 €