Feld & Stall

Alternative Schlachtverfahren auf dem Betrieb

Tierstress verringern durch hofnahe Schlachtung

Tierwohl und Produktqualität haben eine hohe Relevanz bei Konsumenten von Bio-Produkten. Der Fokus der öffentlichen und politischen Diskussionen liegt hierbei meist auf den Haltungssystemen. Am Ende der Haltung landen jedoch die meisten Tiere – Bio oder Konventionell – in den gleichen industriellen Großschlachtereien; ein Umstand, mit dem sich Betriebe und Anbauverbände, die Tierschutz und ethische Standards hochhalten wollen, auseinandersetzen müssen. Eine Entwicklung in die richtige Richtung könnte sein, vermehrt auf stressreiche Tiertransporte zu verzichten und die Tiere direkt am Hof schlachten zu lassen. Zwar erlauben die EU-Verordnungen mittlerweile die Schlachtung diverser Tierarten im Herkunftsbetrieb, in der Praxis liegt der Fokus jedoch meistens noch auf Rindern.

Die Industrialisierung der Tierhaltung und die Ausrichtung auf große Produktionsmengen haben dazu geführt, dass die Tötung von Nutztieren fast ausschließlich in wenigen großen Schlachthöfen stattfindet. 2022 schlachteten und verarbeiteten deutsche Schlachthöfe rund 3 Millionen Rinder – damit liegt Deutschland an zweiter Stelle innerhalb der EU, knapp hinter Frankreich. Obwohl es deutschlandweit etwa 1500 Betriebe im Bereich Schlachterei und Fleischverarbeitung gibt, wird der Löwenanteil (über 75% der Tiere), in 10 industriellen Schlachthöfen getötet und verarbeitet1. Lokale Metzgereien und kleinere Schlachthöfe können die strengen, gesetzlichen Hygienevorschriften oft nicht einhalten. Die Tiere müssen daher lebend transportiert werden, was sowohl Arbeit, als auch Stress bedeutet – für Landwirte und Tiere.

Stressfaktoren bei der Schlachtung

Bei der Schlachtung von Tieren gibt es vielfältige Stressoren. Oftmals starten sie bereits im Agrarbetrieb, wenn das Tier aus der Herde getrennt werden muss, um in den Transportwagen zu gelangen. Sie gehen dann weiter bis zur Interaktion zwischen Mensch und Tier am Schlachthof. Unter den physischen Stress fallen der Transport der Tiere an sich, aber auch durch die Transportdauer beeinflusste Aspekte wie Hunger, Durst, zu hohe Temperaturen oder – bei sehr vollen Transporten – eine eingeschränkte Atemluft. Als psychische Stressfaktoren sind, neben der Trennung des Individuums aus der Herde, der Kontakt mit neuen Tieren und Umgebungen zu nennen. Bei einem Treffen auf andere, vorher bereits getresste, Tiere, können zum Beispiel Rinder über den Urin Stress bei Artgenossen wahrnehmen; der Stress verbreitet sich so unter den Tieren1.

Um festzustellen, wie sehr ein Tier Stress ausgesetzt ist, bzw. auf Stress reagiert, gibt es einerseits die Möglichkeit, das Verhalten des Tiers zu analysieren, andererseits, physiologische Stressreaktionen zu messen. Bei letzterem ist häufig das Problem, dass die Messmethoden sehr invasiv sind und selbst Stress auslösen können. Verhaltensbeobachtungen erlangen deshalb immer mehr an Bedeutung. Stressparameter können dabei zum Beispiel Lautäußerungen, Mimik oder vermehrtes Abkoten sein.

Um den Stress am Ort der Schlachtung zu minimieren, wurde in der EU festgelegt: Tiere, die länger als zwölf Stunden am Schlachthof auf die Schlachtung warten, müssen laut EU-Recht gefüttert werden und adäquat eingestreut und untergebracht sein. Auch die Länge der Tiertransporte ist begrenzt: sie dürfen in der EU höchstens acht Stunden dauern; bei Bereitstellung u. a. von ausreichend Tränkewasser, Futter und Belüftung der Transporter kann diese Zeit auch überschritten werden.

End-pH bestimmt Qualität

Aus Studien ist bekannt, dass Stress die Qualität des Fleisches mindert: Zartheit, Geschmack, Saftigkeit, Farbe, aber auch Aspekte wie Haltbarkeit sind betroffen. Der End-pH-Wert im Fleisch spielt hierbei die größte Rolle. Beim lebenden Tier beträgt der pH-Wert im Muskel 7,1. Das im Muskel befindliche Glykogen wird nach dem Tod des Tieres zu Milchsäure umgesetzt und sorgt für ein Absenken des pH-Wertes – ein optimaler Wert post-mortem liegt bei 5,4 bis 5,6. Durch Stress induzierte physiologische Vorgänge sorgen dafür, dass der Glykogenspeicher im Muskel abgebaut wird – ein höherer End-pH-Wert und eine verminderte Fleischqualität sind das Ergebnis.²

Schlachten ohne Lebendtransport

Hier können alternative Schlachtmethoden auf dem Herkunftsbetrieb – im Speziellen die teilmobile Schlachtung – einen Vorteil sowohl im Bereich des Tierwohls, als auch der Fleischqualität bringen. Seit der Überarbeitung der EU-Verordnung 853/2004 im Jahr 2021 ist die Schlachtung im Herkunftsbetrieb offiziell geregelt. Die teilmobile Schlachtung ist unter Verwendung einer mobilen Einheit, welche zuvor durch das Veterinäramt zugelassen wurde, erlaubt. Es gibt verschiedene renommierte Hersteller solcher Schlachteinheiten – eine bekannte ist die von Lea Trampenau: Innovative Schlachtsysteme (www.innovative-schlachtsysteme.de). Landwirte können sich ein solches System kaufen oder auch selbst bauen und dann vom zuständigen Veterinäramt zulassen; der finanzielle Aufwand lohnt sich für einzelne Betriebe jedoch meistens nicht. Kooperationen oder das Beauftragen eines Dienstleisters sind meistens die ökonomischeren Varianten.

Bei der teilmobilen Schlachtung werden vor Ort nur die Betäubung und die Tötung des Tieres vorgenommen – unter Anwesenheit eines Tierarztes. Die Zerlegung und weitere Verarbeitung finden im Schlachthof statt. Leben die Rinder auf der Weide, ist auch der Weideschuss möglich. Hier dürfen die Tiere ohne Fixierung durch einen Gewehrschuss auf einem abgegrenzten Bereich der Weide getötet werden. Hierbei müssen jedoch noch die zusätzlichen Auflagen des Waffenrechts erfüllt werden – eine Zusammenarbeit mit einem Jäger ist eine zu empfehlende Möglichkeit, da die bürokratischen Hürden für den Besitz von Waffen sehr hoch sind und sich der Aufwand nur für die Hoftötung oft nicht lohnt. Zu beachten ist, dass ein Jäger per se nicht befugt ist, Rinder zu schießen! Ein Schlachtsachkundenachweis ist hier vonnöten, da die Tötung eines Rindes via Kopfschuss ein gänzlich anderer Vorgang als das Schießen eines Wildtiers darstellt. Einen Lehrgang für einen Schlachtsachkundenachweis kann jeder absolvieren, die Regeln sind bundesweit einheitlich. Die Herausforderung besteht meistens in der praktischen Akkreditierung, da man hierfür Kontakt zu einer Schlachterei benötigt, um die praktischen Vorgänge zu üben und überdies ein Tierarzt anwesend sein muss, um das Erlernte zu bestätigen.

Weniger Stress – besseres Fleisch?

Bisherige Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass direkt am Hof getötete Tiere einen niedrigeren Muskel-pH-Wert aufweisen als herkömmlich geschlachtete Tiere. Auch der Umgang mit den Tieren und die Wirksamkeit der Betäubung können bei der Hof-Variante nicht nur den Tierschutz, sondern auch die Fleischqualität positiv beeinflussen.

Die teilmobile Schlachtung weist im Vergleich zur Variante mit Lebendtiertransport jedoch auch Nachteile auf: Kosten, erhöhte Komplexität und zusätzlicher logistischer Aufwand. Trotzdem können Landwirte von dieser Form der Schlachtung auch wirtschaftlich profitieren. Eine direkte Kommunikation mit dem Endkunden über die verbesserten Bedingungen beim Tierschutz und die höhere Fleischqualität sind hier zielführend. Das große Problem ist häufig, Schlachtereien oder Dienstleister zu finden, mit denen man die Hofschlachtung durchführen kann. Ohne eine gute regionale Vernetzung stehen Landwirte hier schnell vor Herausforderungen.

Vom Hof auf den Teller

Um solche regionalen Strukturen zu schaffen, hat Demeter im Osten das Projekt “Von der hofnahen Schlachtung auf den Teller – Fair für Tier und Mensch” (kurz “HofbisTeller”) gestartet. Die Initiatoren wollen kleinere Schlachtbetriebe unterstützen, handwerkliche Strukturen erhalten und das Tierwohl fördern. Dabei liegt der Fokus auf der Vernetzung und dem Aufbau langfristiger Partnerschaften – speziell zwischen Schlachtbetrieben und Erzeugern. Mittlerweile wird innerhalb des Projekts auch mit Bioland Ost zusammengearbeitet, auch, um die nötigen Schlachtmengen und ökonomisch sinnvolle Vernetzungen zu erreichen. Der Initialgedanke war, in Brandenburg Strukturen zu schaffen, diese auf andere Bundesländer auszuweiten und als Blaupause für ähnliche Projekte zu verwenden. Aktuell sind in Brandenburg und Sachsen vier Demeter- und ein Bioland-Betrieb sowie zwei Schlachtstätten involviert. In Sachsen-Anhalt und Thüringen finden bereits Gespräche statt, um das Projekt in den kommenden Monaten auszuweiten. Laut Anna Dal Grande, Projektkoordinatorin bei Demeter im Osten, hat das Projekt einen Nerv getroffen; in den vergangenen Jahren erlangte das Thema Hofschlachtung immer mehr Öffentlichkeit und die Veterinärämter müssen sich, aufgrund der stärkeren Nachfrage, anfangen zu bewegen. Förderungen gibt es bisher nur indirekt, über geförderte Projekte, wie HofbisTeller, die kostenlose Beratungen für Landwirte anbieten.

Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Projekt zeigen, dass Landwirte hier dringend Beratung benötigen. Konzept, Antragsprozess und Umsetzung sind ein großer Aufwand, primär wegen Bürokratie und gesetzlicher Auflagen: so darf zwischen Tötung und Ausweidung der Tiere maximal zwei Stunden, in Brandenburg sogar nur eine Stunde liegen. Das bedeutet, in einer Stunde Entfernung muss ein Schlachtbetrieb liegen, der die getöteten Tiere annimmt – ein logistischer Aufwand, der ohne Kontakte und ein gutes Netzwerk schwer zu bewältigen ist. Auch die Ökonomie stellt eine Herausforderung dar. Pro Schlachtvorgang auf dem Hof dürfen bis zu drei Rinder getötet werden; die zeitlichen Anforderungen machen es jedoch schwer, mehr als zwei Rinder zu betäuben und die Tötung durchzuführen. Ein Transport von zwei Tieren ist allerdings ökonomisch kaum sinnvoll. Das Integrieren einer Verarbeitungsstätte, in der die Tiere geviertelt und dann weiter transportiert werden, wird innerhalb des Projektes getestet, um zu prüfen, ob dies zu einer Effizienzsteigerung führt.

Aktuell ist keine Verlängerung des Projekts vorgesehen. Daher ist der Plan, die Strukturen so zu schaffen und zu etablieren, dass die Landwirte danach selbst mit den erarbeiteten Konzepten weiterarbeiten können. Für das kommende Jahr ist auf den Ökofeldtagen in Sachsen aber ein großer Auftritt gemeinsam mit Bioland geplant, mit Informationen zur Hofschlachtung, Anschauungsmaterial und einem aufgebauten Abschussareal, um die Vorgänge Interessierten darzustellen.

Quellen
1 Dal Grande, A. (2023): Untersuchung der Kaufmotivationen von Bio-Konsument:innen für Rindfleisch aus teilmobiler Schlachtung: Eine Analyse nach dem Means-End-Ansatz.
2 Zeidler, J. (2022): Das Potenzial der teilmobilen Schlachtung von Rindern im Herkunftsbetrieb: Stressbelastung und Fleischqualität.

Weitere Infos

Bei weiteren Fragen und für Informationen zur teilmobilen Schlachtung, wenden Sie sich an:
Anna Dal Grande, Referentin Markt, Demeter im Osten

anna.dal-grande(at)demeter-im-osten.de