Portrait

Konzentration auf das Wesentliche

Martina Gebhardt Naturkosmetik

von Katrin Bader

Martina Gebhardt fand als Sechszehnjährige über eine Narben­salbe zur Naturkosmetik. Begeistert von Pflanzen und deren Heilkräften war sie schon davor und bis heute prägt sie die Neugier nach altem und neuem Wissen.

Inspiriert von alten Rezepten aus Klosterapotheken, die sie durch Stephanie Faber, Journalistin und Autorin von „Das Rezeptbuch der Naturkosmetik“ kennenlernte, begann Martina Gebhardt bereits als Jugendliche damit, Frischkosmetik zuzubereiten, die ohne Konservierungsmittel auskommt. Bei ihren Freundinnen und Freunden kamen die Produkte gut an und sie verkaufte anfangs auch auf Märkten. Ab Mitte der 1980er belieferte sie Naturkostläden und Naturkosmetikerinnen deutschlandweit, der Export in Nachbarländer folgte. Schon bald nutzte sie für einige Serien biodynamische Rohstoffe, die ganzheitliche Sicht des Demeter-Verbandes sagte ihr zu, und so fragte sie 1998 schließlich an, ob man ihre Kosmetik zertifizieren würde. Allerdings gab es zu dem Zeitpunkt noch keine Demeter-Richtlinie für Kosmetik. Daher schlug sie vor, einen eigenen Kosmetikstandard zu entwickeln. Dies wurde dann zusammen mit den Unternehmen Tautropfen, Primavera und Junge­bad umgesetzt.

Seit 1998 vertreibt sie ihre Produkte auch in den USA und auf dem japanischen Markt – mittlerweile ihr größter Importeur. 2010 erfolgte die Demeter-Zertifizierung aller Produkte, damals weltweit einzigartig für einen Kosmetikhersteller. Im Jahr 2014 erwarb Martina Gebhardt das kulturhistorisch bedeutende Kloster Wesso­brunn als neuen Firmensitz. Seither wird es denkmalgerecht restauriert. Als studierte Architektin verantwortet sie natürlich die Bauaufsicht, wie sie es auch schon beim ersten Firmensitz, einem ehemaligen Zehnthof des Klosters in Pessenhausen, tat

Demeter-Klostergarten nach benediktinischem Vorbild

Bereits als 13-Jährige führte Martina Gebhardt Versuche nach den biodynamischen Wirkprinzipien von Pflanzen anhand des Maria Thun Kalenders durch. „Biodynamisch ist auch biorhythmisch und der Rhythmus bestimmt die Gesundheit und Wirkkraft der Pflanzen.“ Daher ist es nicht verwunderlich, dass ihr der Klostergarten, 2015 angelegt und inspiriert durch alte Aufzeichnungen, besonders am Herzen liegt und 2017 Demeter-zertifiziert wurde. Das benediktinische Prinzip: Auf vier Parzellen sind Gemüse, Beeren, Heil- sowie Färberpflanzen zu finden. Viele Heilpflanzen sind zugleich Färberpflanzen, mit denen Wolle oder Stoffe gefärbt und Tinte hergestellt werden kann. Eine Fähigkeit, die sie in Seminaren und Workshops interessierten Teilnehmern wieder nahebringt. Es ist ihr ein großes Anliegen, den Menschen erneut eine Verbindung zu dem zu ermöglichen, was die Natur um uns herum bereitstellt.

Aus den Heilpflanzen des Klostergartens werden als Zwischenprodukte spagyrische Essenzen, Mazerate, Tinkturen und Auszüge von der Produktionsleiterin Elke Lorenz hergestellt – denn dafür müssen die Pflanzen frisch und zum richtigen Zeitpunkt geerntet sein. Dieser Qualitätsanspruch kann durch den Eigenanbau am besten erfüllt und kontrolliert werden. Das Wasser dafür stammt aus den klostereigenen artesischen Quellen. Im Garten erfolgt auch die Selektion des Saatguts: Welche Pflanzen zeigen gute Eigenschaften und sind vital? Diese werden zur Saatgutproduktion für den Nachbau genutzt.

Minimalistische Rezepturen zum Wohle der Haut

Die Hauptzutaten ihrer Salben und Cremes sind im Wesentlichen Wasser und Wollwachs – sie bilden die Grundlage, ergänzt durch ätherische Öle, Propolis oder Pflanzenextrakte. Dabei entspricht das Feuchtigkeits- und Fettverhältnis, in etwa 50:50, dem natürlichen Hydro-Lipid-Mantel der Haut. „Die Haut ist unser größtes Organ, sie lässt Stoffe hinein und hinaus, wenn ihr natürlicher Schutz intakt ist. Doch zerstören wir ihn durch Konservierungsmittel oder chemische Wirkstoffe, dann wird die Haut in ihrer Funktion beeinträchtigt. Wasser und Wollwachs sind natürliche Bestandteile eben dieser Schutzschicht und belasten sie nicht.“ Das Wollwachs, das bei der Wäsche von Schafwolle zurückgewonnen wird, stammt aus Neuseeland und Australien und ist die beste auf dem Markt verfügbare Qualität. Ab Ende 2019 wird ein bio-zertifiziertes Wollwachs erhältlich sein.

Eine Besonderheit ihrer Kosmetik sind die spagyrischen Essenzen. In der Spagyrik wird durch das Trennen, Reinigen und Zusammenführen der Kräuterextrakte eine Wirkungssteigerung erzielt. Bei der Herstellung spagyrischer Essenzen werden Heilpflanzentinkturen, Mazerate o. ä. destilliert und der Destillationsrückstand wird kalziniert, also zu Asche verbrannt. Dabei werden Mineralstoffe und Spurenelemente herausgelöst. Das Extrakt wird nun wieder mit dem Destillat zusammengeführt. Dadurch sind schädliche Stoffe, die Nebenwirkungen hervorrufen können, eliminiert und die Vitalkräfte der Pflanzen in ihrer Reinform vorhanden. Die Wirkung der Spagyrik findet auf zellulär-energetischer Ebene statt: Die gelösten Salze vermitteln den Zellen energetische Impulse, wodurch ein Reinigungsprozess angeregt wird. Sind die Zellen sozusagen entschlackt, sind sie wieder in der Lage, für ihre Regeneration notwendige Stoffe aufzunehmen.

Produktion, Qualität und Vertrieb

Bei den Inhaltsstoffen setzt Martina Gebhardt, wo möglich, auf regionale und biologisch-dynamische Produkte – zum Teil aus dem Klostergarten oder aus langfristigen Anbauverträgen mit Bauern deutschland- und weltweit. Einige Rohstoffe, wie die Früchte und Blätter des Baobab-Baumes oder die Kräuter für die Wild Utah Linie­, wachsen natürlich nicht hier und werden importiert. Teils stammen sie aus Anbauprojekten, zu denen Martina Gebhardt einen persönlichen Kontakt pflegt, oder sie werden über den Großhandel bezogen. Sheabutter und Baobab zum Beispiel stammen aus Ghana. Alle eingesetzten Rohstoffe werden von einem unabhängigen Labor auf Schadstoffe und Qualität geprüft.

Die Weiterverarbeitung – das Mischen, Abfüllen und Etikettieren – geschieht zurzeit noch im acht Kilometer entfernten Pessenhausen, wo bereits seit 1992 produziert wird. Die abgefüllten und etikettierten Produkte werden im Kloster verpackt und verschickt. Perspektivisch wird auch die Produktion nach Wessobrunn verlagert, doch die Planung, der Umbau, Denkmalschutz und Reinraumansprüche unter einen Hut bringen und die Inbetriebnahme der Technik brauchen Zeit. Denn die alten Maschinen vermischen die Stoffe mit maximal 3.000 Umdrehungen pro Minute. Neue Maschinen jedoch haben wesentlich höhere Drehzahlen und bauen dadurch Reibungs- bzw. Scherkräfte auf, die die Struktur von Fett- und Pflanzenbestandteilen zerstören würden. An einer zufriedenstellenden Lösung dafür wird noch gearbeitet.

Schon von Anfang an lehnte Martina Gebhardt Plastikverpackungen ab, entschied sich gegen Umverpackungen und füllt ihre Kosmetik in Opalglas ab. Das ist zwar teurer, doch wird es ihrem ganzheitlichen Anspruch gerecht, denn oft wird auch in der Naturkosmetik der Inhalt durch biozide Rezepturen konserviert. „Leider wirken derart konservierte Cremes, Lotionen etc. auch auf der Haut weiterhin als Biozid und schädigen die nützlichen Mikroorganismen und damit unsere natürliche und schützende Standflora der Haut. Opalglas gibt uns die Möglichkeit, über Sterilisation durch Hitze eine keimfreie Verpackung zu schaffen. Unsere Produkte sind durch ihre Inhaltsstoffe natürlich konserviert und sind bakteriostatisch. Die Öl-in-Wasser-Emulsionen, also die Lotionen und Tonics, haben, um Keimeintrag zu vermeiden, zusätzlich einen Pumpspender.“

Im Vertrieb setzt sie auf den Naturkostfachhandel als kompetenten Partner, der den Kunden eine qualifizierte Beratung zu den Produkten bieten kann und ihre Geschichte und Wirkung kennt, anstatt sie nur anonym zu verkaufen. Das ist ihr besonders wichtig und an dieser Linie hält sie fest. Die Läden werden direkt vom Kloster aus oder über verschiedene Großhändler beliefert. Den Verkauf über den LEH lehnt sie ab, obwohl regelmäßig Anfragen kommen. Weiterhin ist die Kosmetik im Online Shop und natürlich vor Ort im Klosterladen erhältlich. Für Kosmetikerinnen und SPAs wurde die Marke SensiSana mit über 60 Produkten entwickelt.

Pflegen, um die Selbstheilung zu unterstützen

Martina Gebhardts Motto lautet „Weniger ist mehr“. Entsprechend minimalistisch sind auch die Rezepturen der Pflegeprodukte. Auf Glycerin verzichtet sie vollständig, denn das trocknet die Haut aus und Alkohol ist lediglich in den Tonics mit weniger als 10 % enthalten. Ginseng, Rose, Salvia, Young&Active, Happy Aging, Sheabutter, Summer Time oder die Männer-Linie Wild Utah: Bei der Auswahl der geeigneten Produktlinie ist neben dem Hautbild auch Intuition und ein feines Näschen gefragt. „Natürlich sind den Inhaltsstoffen der Serien bestimmte Eignungen zuzuordnen. Doch ich empfehle oft auch, nach dem Duft zu gehen: Welcher Geruch spricht mich an, worauf habe ich Lust, was passt momentan zu mir? Sie haben sicherlich auch nicht jeden Tag Appetit auf Karotten, oder? Denn das, was wir gern riechen, vertragen wir auch und unser Körper weiß, welche Stoffe uns unterstützen können.“ Es gibt auch Serien wie Hand & Nail und Baby & Kids, eine Happy Feet Serie, zusätzliche Produkte für Augen, Lippen und Gesicht sowie spezielle Gesichtscremes und Ölkapseln für eine intensive Pflege: Melisse eignet sich als Allrounder für die ganze Familie, und Propolis, natürlich von den eigenen Bienen, wirkt entzündungshemmend und beruhigend auf die gereizte Haut. Auf eine Nachtcreme wird bewusst verzichtet, so dass die Haut atmen kann, Schlacken und Giftstoffe ungehindert an die Oberfläche gelangen. Wer vorher konventionelle Produkte benutzt hat, die mineralölhaltige Rohstoffe enthalten, und auf Naturkosmetik umstellt, der braucht schon mal vier Wochen, bis sich das Gleichgewicht der Haut wiedereingestellt hat – und genau darum geht es ihr: die Haut natürlich und bestmöglich in ihrer Funktion unterstützen.

Happy Aging – Regeneration und Akzeptanz von innen

Anstatt Anti-Aging setzt Martina Gebhardt auf Happy Aging, denn das Altern der Haut ist ein völlig natürlicher Prozess. Wichtig ist, die Haut gesund zu erhalten und ihre Regenerationskräfte zu fördern. Anti bedeutet Widerstand und richtet sich gegen den eigenen Körper. Schönheit kommt von innen: Wer mit sich im Reinen, im Einklang ist, der strahlt es auch hinaus. Sie selbst geht dabei mit gutem Beispiel voran. Gelassenheit, Balance, Sinnerfüllung in dem was wir tun, eine gesunde Ernährung – all das beeinflusst unser Hautbild. „Unserer Haut müssen wir viel mehr Beachtung schenken. Sie ist unser größtes Organ, ein Schutz vor Umwelteinflüssen und die Regulierung der Abwehrkräfte. Dabei dient sie, ebenso wie die empfindlichen Schleimhäute, als Schleuse mit Kontrollfunktion in den Körper. Mikrobiome spielen hier eine wesentliche Rolle. Wird die gesunde Standflora der Haut durch Einflüsse von außen gestört und gerät aus der Balance, wird das Mikobiom gestresst. Dadurch kann die Haut überreagieren oder das Immunsystem geschwächt werden.“

Perspektiven für die Zukunft

Ihr Sohn Michael, 24 Jahre alt, wird in das Unternehmen einsteigen und einen Teil der Aufgaben schon ab Herbst 2019 übernehmen. Bereits als Kleinkind war er in der Produktion und auf Messen immer mit dabei. Nun werden sich die beiden ideal ergänzen: „Das Geschäftliche liegt mir, dadurch kann ich meine Mutter entlasten und sie kann sich vermehrt ihren Pflanzen, der Produk­tion und den kreativen Anliegen rund um das Kloster widmen und so ihre Ideen verwirklichen.“ Ab 2020 beginnt eine fünfjährige Übergabezeit, begleitet von einem Transition Management, um ihn professionell auf zukünftige Aufgaben vorzubereiten, das gute Verhältnis zu wahren und mögliche Konflikte zu verhindern. Dabei sind sie sich einig: Die Ideale und Ansprüche von Martina Gebhardt bleiben erhalten. Damit ist die Laufrichtung gesetzt und die beiden vertrauen auf das, was kommt. Alles zu seiner Zeit, die passenden Entwicklungen für das Unternehmen haben sich bisher immer ergeben und werden es auch in Zukunft tun. Diese Überzeugung ist wohl auch die geheime Zutat, die Martina Gebhardt allem, was sie anpackt, zufügt, und die Sie so erfolgreich macht. Von ihr geht eine innere Ruhe und Selbstverständlichkeit aus, die beeindruckend ist. Sie steht für Ihre Ideale ein, hinterfragt und überprüft, testet aus und krempelt die Ärmel hoch – eine Inspiration auf menschlicher Ebene und auch für die Bio-Branche.

Martina Gebhardt Naturkosmetik

  • 1986 als GmbH gegründet, Firmensitz im Kloster Wessobrunn
  • 58 Mitarbeiter*innen
  • 140 Produkte, davon 60 SensiSana (BDIH-zertifiziert), 80 Martina Gebhardt Naturkosmetik (100% Demeter-zertifiziert)
  • Verwaltung, Versand, Rezepturentwicklung, Herstellung von Auszügen, Mazeraten, spagyrischen Essenzen etc. findet in Wessobrunn statt; Produktion ist noch in Rott-Pessenhausen
  • erwarteter Umsatz 2019: 7 Mio €.
  • Rohstoffe aus dem Klostergarten, von Demeter-Höfen mit langfristigen Lieferverträgen, Großhändler
  • Vertrieb: Naturkostfachhandel, Naturkosmetik Fachgeschäfte, Reformhäuser, SPAs, Online-Shop

Martina Gebhardt Naturkosmetik GmbH,
Klosterhof 4, 82405 Wessobrunn
www.martina-gebhardt-naturkosmetik.de
www.klosterwessobrunn.de