Schwerpunkt

Innovatives Vermarkten

Fleisch rückt in den Fokus der Demeter-Landwirte

von Marion Buley

„Wenn wir bei der Demeter-Fleisch-vermarktung erfolgreich sein wollen, müssen wir von Anfang an auf die Qualität achten. Genetik und Fütterung spielen dabei eine wesentliche Rolle.“

Dieter Mühlhaupt, Okle GmbH, Singen

Zentraler Bestandteil und Symbol eines biologisch-dynamischen Hoforganismus ist die hörnertragende (Milch)kuh. Während der Demeter-Milchmarkt – mit regionalen Ausnahmen – relativ gut entwickelt ist, ist Fleisch in Demeter-Qualität selten im Kühlregal zu finden. Doch zu einer nachhaltigen Ernährung im Sinne der biodynamischen Landwirtschaft gehört es auch, Demeter-Fleisch zu essen. Nicht nur Milchvieh-, sondern auch Mutterkuhhalter haben Absatzprobleme für ihr Fleisch. Milchziegenbetriebe suchen nach Lösungen für die Vermarktung ihrer Ziegenkitze. Bei Legehennenhaltern fallen neben den Eiern auch die Suppenhühner an, außerdem die Bruderhähne, die in ihrer Leistung und Fleischqualität nicht vergleichbar mit Masthähnchen sind. Was sind also die Gründe für Vermarktungsprobleme im Demeter-Fleischbereich und welche Lösungsansätze gibt es?

Qualitäts-Fleischprogramm erforderlich

Demeter wird vom Kunden als Verband mit den strengsten Richtlinien wahrgenommen und steht für höchstes Tierwohl, wird aber im Markt nicht unbedingt mit „Fleischkompetenz“ verbunden. Das muss sich definitiv ändern, damit Demeter-Betriebe ihre Vermarktung gemäß ihrer Produktionsstruktur gestalten und nachhaltige Deckungsbeiträge erwirtschaften können!

Nur über Premiumqualitäten und innovative Produkte kann Demeter-Fleisch am Markt positioniert werden. In der Realität erreichen die Schlachtkörper nicht immer eine Einstufung in den besten Qualitätsklassen, was Fleischigkeit und Fettabdeckung angeht. Es wird deshalb an Qualitätskriterien gearbeitet, die gemeinsam mit Verarbeitern, der Demeter-Beratung und den landwirtschaftlichen Betrieben diskutiert und praxistauglich implementiert werden sollen.

Historisch bedingt startete die Vermarktung von Demeter-Produkten über Hofläden, Reformhäuser und Naturkostfachgeschäfte. Die meisten haben keine Frischetheken für Fleisch und Wurst und die Kunden im Naturkostfachhandel sind eher vegetarisch oder vegan orientiert als Kunden anderer Vermarktungskanäle, die nun auch zunehmend in die Vermarktung von Demeter-Produkten einsteigen. Circa 70 % der Demeter-Betriebe sind im Süden Deutschlands ansässig, wo auch ein sehr breites Demeter-Sortiment in allen Produktgruppen hergestellt wird. Insbesondere im Norden Deutschlands, wo die Dichte an Demeter-Landwirten und Verarbeitungsbetrieben wesentlich geringer ist, können entfernungsbedingt z.B. nicht alle Demeter-Landwirte von einer Molkerei mit Demeter-Vertrag angefahren werden. Daher kann nicht die gesamte Milchmenge unter dem Demeter-Logo vermarktet werden. Gleiches gilt für Fleisch. Hier bedarf es verstärkt der Entwicklung regional verfügbarer Verarbeitungsstrukturen, die handwerklich hochwertige Produkte in Premiumqualität herstellen können. In Teilbereichen müssen innovative Produkte und Vermarktungskonzepte entwickelt werden, z. B. bei der Ziegenkitzvermarktung.

Innovativer Lösungsansatz 1: Kuhgebundene Kälberaufzucht

Auch auf Demeter-Betrieben stehen Tiere hochleistender Milchrassen und so entsteht zunehmend das Problem mit den Kälbern, die sich nicht gut zur Mast eignen, da sie einen zu geringen Fleischansatz haben, und sich damit schlecht vermarkten lassen. Hier stellt sich generell die Frage, ob Zwei-Nutzungsrinder nicht die adäquatere Variante darstellen. Zwei Initiativen in Baden-Württemberg haben sich der kuhgebundenen Kälberaufzucht verschrieben: Anja Frey vom Völkleswaldhof hat die „Bruderkalb“-Initiative gegründet, bei der unter eigenem Siegel Bioland- und Demeter-Betriebe gemeinsam Kalbfleisch vermarkten. Einen etwas anderen Weg gehen die Demeter-HeuMilch Bauern mit Rolf Holzapfel. Sie haben zusammen mit dem Nutztierschutzverein PROVIEH Kriterien für die kuhgebundene Kälberaufzucht entwickelt, der diese auch auditiert. Seit Herbst 2019 wird das Kalbfleisch im Lebensmitteleinzelhandel und regional im Fachhandel vertrieben. Die Vermarktung von Milch und Fleisch wird hier erfolgreich miteinander verknüpft, beides unter dem Siegel „Zeit zu zweit für Kuh + Kalb“. Da sich die Kriterien der verschiedenen Initiativen in Deutschland unterscheiden, hat sich eine verbandsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, um bundesweit an deren Harmonisierung zu arbeiten. Das Interesse der Landwirte an der Kälberaufzucht ist groß, jedoch bei weitem nicht alle können die Kälber an der Kuh aufziehen, sondern bevorzugen die Eimertränke. Auch für diese Betriebe gilt es, Vermarktungsstrategien zu entwickeln.

Initiative Fleischanbieter

Bruderkalb
www.bruderkalb.bio

HeuMilch Bauern
www.heumilchbauern.de

Bauckhof
www.bauckhof.de

Geflügelhof Schubert
www.gefluegelhof-schubert.com

Brudertierinitiative
www.brudertier.bio

Innovativer Lösungsansatz 2: Aufzucht von Bruder­hähnen – Bauckhof und Geflügelhof Schubert

Wie im Milchsektor gibt es auch im Geflügelbereich eine Spezialisierung der Rassen mit der Konsequenz, dass männliche Küken von Legehennenrassen aussortiert werden, da sie nicht genug Fleisch in der Mast ansetzen. Diese sollen perspektivisch im Demeter-Bereich alle aufgezogen werden, da auf der Delegiertenversammlung 2018 beschlossen wurde, eine In-Ovo-Selektion (Geschlechtsbestimmung im Ei) nicht zu erlauben. Die Ökologische Tierzucht gGmbH wurde mit dem Ziel gegründet, das Zwei-Nutzungs-Huhn der Zukunft zu züchten. Die ersten Tiere stehen schon zur Verfügung. Nichtsdestotrotz gibt es noch viele Demeter-Betriebe, die spezialisierte Rassen einsetzen. Deren männliche Küken werden auch schon zu einem beachtlichen Teil aufgezogen. Sie unterscheiden sich von Masthähnchen dadurch, dass sie langsamer wachsen und weniger, aber festeres Fleisch ansetzen. In der Küche müssen sie deshalb auch anders zubereitet werden. Sie eignen sich sehr gut für Schmorgerichte, dies muss dem Kunden aber vermittelt werden, daher werden Bruderhähne als ganze Tiere – frisch oder tiefgekühlt, hauptsächlich in der Direktvermarktung verkauft. Die Pioniere Bauckhof und Geflügelhof Schubert haben innovative Produkte entwickelt: Peter Schubert stellt z.B. Gockel-Bolognese, Gockel-Ragout Mexicana oder Gockelfleisch im Glas her, auch im Lohnauftrag für Direktvermarkter. Der Bauckhof vertreibt den Bruderhahn ganz oder in Teilstücken, frisch und tiefgekühlt sowie Bruderhahnsalami oder Bruderhahn in Curryrahm. „Der Markt ist bereit, viel mehr Bruderhahnfleisch aufzunehmen als wir im Moment liefern können, denn mittlerweile haben wir eine Liebhaberkundschaft, die genau diese festere, kräftigere Fleischqualität schätzt, eben den Geschmack wie früher“, so Carsten Bauck vom Bauckhof. Auf Kundenwunsch kann in Lohnverarbeitung eine breite Palette weiterer Produkte, wie z.B. Bratwurst, Krakauer oder Frikadellen hergestellt werden. Carsten Bauck ist auch Mitbegründer der Bruder­hahn Initiative Deutschland (BID), die sich seit 2012 gegen das Kükentöten engagiert und die Bruderhahnaufzucht sowie die ökologische Geflügelzucht durch die ÖTZ gGmbH unterstützt. Im Herbst 2019 wurde die BID auf andere Tierarten ausgeweitet, z. B. Bullenkälber oder Ziegenkitze, und heißt jetzt Brudertier­initiative.

Autorin: Marion Buley

Referentin für Fleisch und Milch

marion.buley(at)demeter.de