Schwerpunkt

Umstellung auf Demeter?

Motive und Entscheidungsfindung

von Reiner Schmidt

Die Entscheidung für eine Umstellung wird nicht von heute auf morgen getroffen. Sie ist das Ende eines Prozesses, der sich zum Teil im Stillen und in der persönlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie ergibt. Die Beweggründe für die Entscheidung, den eigenen Betrieb auf die biodynamische Wirtschaftsweise umzustellen, sind so vielfältig wie die Betriebe und deren Bewirtschafter. Der Erfolg einer solchen Umstellung hängt aber sehr stark von der persönlichen Auseinandersetzung mit den eigenen Motiven ab. Es lohnt sich also, diese vor einer Entscheidung genau anzuschauen.

Mögliche Beweggründe für die Umstellung

Ethische Aspekte

  • positiver Beitrag zur Nachhaltigkeit, Biodiversität, zu Klima und Landschaft in der Region
  • ganzheitliche Betrachtung des Betriebes als Organismus und Individualität
  • mehr Anerkennung und Befriedigung in der eigenen Arbeit
  • Verbessern der Mensch-Tier-Beziehung
  • Gesundheit und bessere Qualität der Lebensmittel
  • Vermindern der Armut in den Entwicklungsländern durch Beanspruchen von weniger Ressourcen

Ökologische Aspekte

  • Erhöhen der Bodenfruchtbarkeit
  • Vermehren der Biodiversität
  • kein Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide
  • Tiere werden von der eigenen Fläche ernährt
  • Trinkwasserschutz
  • regionale Vermarktung
  • Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Ökonomische Aspekte

  • höhere Preise und Öko-Förderung gleichen die geringeren Erträge deutlich aus
  • Reduzieren der Abhängigkeit von der Pflanzenschutz-, Dünge- und Futtermittel-, Pflanzenzuchtindustrie und vom Weltmarkt
  • Alternative zum Wachstumszwang

Soziale Aspekte

  • die Anerkennung für meine (unsere) Arbeit steigt
  • intensiverer Kontakt zu den Kollegen, Verarbeitung, Handel und Verbrauchern

sowie fördernde Aspekte

  • Meine Betriebsstruktur mit Fläche, Tierhaltung, Gebäude, Maschinen und Lage passt dazu
  • Einstieg in Sonderkulturen, Verarbeitung und Direktvermarktung mit Hofladen möglich
  • Notwendige Investitionen sind möglich
  • Die Liquidität in der Umstellung und danach ist ausreichend
  • Kooperationen sind möglich
  • Meine Familie unterstützt diese Umstellung
  • Mein Umfeld, Verwandte, Mitarbeiter, Freunde, Gemeinde fördern mich

Diese Aspekte sollten in der Familie und im engsten Mitarbeiter- und Freundeskreis intensiv diskutiert werden. Wenn dies zur Entscheidung „ich (wir) wollen den Betrieb umstellen“ führt, gilt es, tiefer einzusteigen.

Voraussetzungen für die Umstellung

Familie und soziales Umfeld: Belange, Wünsche und Fähigkeiten aller Familienmitglieder und Mitarbeiter sollten zur Sprache kommen und berücksichtigt werden. Was bedeutet die Umstellung konkret für jedes Familienmitglied? Welche Chancen ergeben sich daraus für die einzelnen Mitglieder der Familie? Was verändert sich im Familienleben? Passen die Fähigkeiten, Neigungen und Charaktere der Familienmitglieder zu den Anforderungen des zukünftigen Betriebes? Alle Familienmitglieder und Mitarbeiter sollten sich mit der biodynamischen Methode beschäftigt haben und wissen, dass deren Grundlage die Anthroposophie ist. Auch ist zu fragen, wie Verwandte, Freunde und Nachbarn diesen Weg unterstützen können und welche neuen Kontakte und Mitarbeiter notwendig sind?

Betriebliche Voraussetzungen: Eine wenig spezialisierte, extensive und vielseitige Landwirtschaft kann eine gute Ausgangsbasis sein. Betriebe mit Wiederkäuern sind einfacher umzustellen als reine Ackerbaubetriebe, auch wegen der guten Verwertung des für die Fruchtfolge notwendigen Kleegrasanbaus und der erhöhten Bodenfruchtbarkeit. Fruchtbare Böden, die eine vielfältige Fruchtfolge erlauben, machen es einfacher.

Das Halten von Wiederkäuern im Umfang von mindestens 0,2 GV/ha oder eine entsprechende Futter-Mist Kooperation ist Pflicht – spezielle Regelungen gibt es für Sonderkulturbetriebe. Daher ist eine ausreichende Futterfläche mit Weidegang für die vorhandene Tierhaltung förderlich, besonders unter den zunehmenden Klimaveränderungen. Ideal sind möglichst arrondierte Flächen oder die Abgrenzung zu konventionellen Flächen durch Hecken und Wege, wegen der Abdrift. Bei einer anstehenden Flurbereinigung sollten möglichst früh Flächen getauscht werden. Förderlich sind auch eine gute Gebäude- und Maschinenausstattung sowie eine günstige Marktlage bzw. Stadtnähe.

Fachliche Voraussetzungen: Eine solide, vielseitige Ausbildung in verschiedenen Betrieben und in anerkannten Fachschulen für den Ökologischen Landbau bilden eine gute Basis. Hinweise gibt u.a. die Demeter Beratung. Eine gute Beobachtungsgabe und ein großes Interesse für die Zusammenhänge im biodynamischen Landbau sind sehr hilfreich. Ein Einführungskurs ist Voraussetzung.

Eigene Haltung: Eine offene und tolerante, Neuem gegenüber aufgeschlossene Lebenseinstellung ist wünschenswert. Für das Verständnis der Lebensprozesse von Pflanze, Tier und Mensch sowie des Erdorganismus und des Kosmos gibt es im biodynamischen Landbau Gesichtspunkte, die in der heutigen Naturwissenschaft bisher kaum berücksichtigt werden. Dabei ist festzuhalten, dass die biodynamische Methode noch ganz am Anfang steht. Weshalb jeder Betrieb, der an der Weiterentwicklung dieser Methode mitarbeiten möchte, willkommen ist.

Vorbereitung und Planung der Umstellung

Persönliche und fachliche Vorbereitung: Die Grundlage für die biodynamische Landwirtschaft bilden die 1924 von Dr. Rudolf Steiner gehaltenen acht Vorträge „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“. Zum besseren Verständnis dieses Kurses führt die Beschäftigung mit Steiners Werken „Geheimwissenschaft im Umriss“, „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“ und „Theosophie“. Die Teilnahme an einem Einführungskurs und an den regionalen Treffen der Arbeitsgemeinschaften der Demeter-Bauern ist sehr zu empfehlen und Bedingung für die Anerkennung als Demeter-Betrieb. Das Erläutern des Entschlusses in der Familie, bei Verwandtschaft, Mitarbeitern, Freunden und Nachbarn vertieft die eigene Haltung und Einstellung. Literatur, Kurse und Austausch mit künftigen Demeter-Kollegen, Besuch bei „alten Hasen“ vertiefen das Wissen, ebenso so wie das Besichtigen von umgestellten, vergleichbaren Betrieben in der Region. Auch bei Praxisvorführungen, Seminaren, Tagungen und Vorträgen kann man sich ein Bild machen. Von der Demeter Beratung gibt es einen eigenen YouTube-Kanal mit entsprechenden Vorträgen und Online-Seminare.

Planen der Umstellung: Ein Ziel in der biodynamischen Landwirtschaft ist es, den Betrieb hin zu einem Organismus, zu einer landwirtschaftlichen Individualität zu entwickeln. Die Analyse des IST-Betriebes ist Grundlage für die Planung möglicher Umstellungsvarianten. Die genaue Beschreibung der Standort- und Betriebsverhältnisse und die vorhandenen Arbeitskapazitäten sind notwendig und bilden die Basis der weiteren Planung, meist mit Unterstützung der Demeter Beratung. Betriebswirtschaftlich ist ein Blick auf die Auswertung der letzten drei Buchführungsjahre wichtig. Da in den ersten beiden Umstellungsjahren meist keine höheren Preise für die Erzeugnisse erzielt werden, gilt es, diese Zeit bei zugleich notwendigen Investitionen und im Blick auf die Liquidität besonders zu planen und im Auge zu behalten. Im Pflanzenbau wird eine passende Fruchtfolge mit entsprechenden Kulturen, Sorten, der notwendigen Bodenbearbeitung und Düngung erarbeitet. In der Tierhaltung sind die erforderlichen Haltungsbedingungen, die Fütterung und die notwendige Futterfläche zu planen. Welche Vermarktungsmöglichkeiten bietet mein Standort und was bedeutet das alles für meine Arbeitswirtschaft und das betriebswirtschaftliche Ergebnis? Dazu gibt es verschiedene geförderte Beratungsangebote im Rahmen des „Betriebs-Check“, der „Bio Offensive“ und der „Modulberatung“ in den einzelnen Bundesländern. Auf regional angebotenen Umstellertagen mit Verarbeitern und Beratern der Region können erste Kontakte geknüpft werden. In dieser Planungszeit gibt es vielfältige Unterstützung durch die Demeter Beratung. Ein Programm des KTBL hilft, die Umstellung zu modellieren.

Umsetzung – Checkliste erstellen

  • An- bzw. Ummeldung bei einer Kontrollstelle.
  • Beantragung der möglichen Förderung für die Umstellung und für notwendige Investitionen.
  • Umstellungsplan mit der Beratung erstellen.
  • Antrag auf Mitgliedschaft bei der Demeter-Landesarbeitsgemeinschaft stellen.
  • Bestellen des Bio-Saatgutes mit entsprechenden Sorten.
  • Anschaffung notwendiger Maschinen, Geräte (z. B. Striegel).
  • Besuch der regionalen Demeter-Arbeitsgemeinschaft. Dort findet auch die gemeinsame Herstellung der biodynamischen Präparate statt.

Die Umstellung erfordert auch ein Umstellen des bisherigen Denkens. Biodynamische Landwirtschaft ist viel mehr als das Weglassen von chemischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Weglassen, ohne das Gesamte neu zu gestalten, führt nicht zum Erfolg. Eine Umstellung nur aus wirtschaftlichem Interesse ist meist ähnlich zu sehen. Die Bewirtschaftung nach der biodynamischen Methode ist umso erfolgreicher, vor allem auch persönlich zufriedenstellender, je größer das Interesse an den Grundlagen dieser Methode ist. Diese bedürfen nach wie vor der Weiterentwicklung, und die Demeter Beratung begleitet und unterstützt diesen Prozess gerne gemeinsam mit dem Demeter Verband.

Autor: Reiner Schmidt ist Demeter-Berater

reiner.schmidt(at)demeter-beratung.de
Hotline Demeter Beratung: 0800 1924 500