Schwerpunkt

Naturschutz auf Demeter-Betrieben

Status Quo, individuelle Beweggründe und entwicklungspotenziale

Autorenteam: Dr. Karin Stein-Bachinger (links)
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.

Dr. Christopher Brock (rechts)
Demeter Forschungskoordinator

Milan Matouschek, Prof. Dr. Miriam Athmann
Universität Kassel

Der dramatische Verlust der Biodiversität in Agrarlandschaften und dessen Ursachen sind vielfach beschrieben. Im Dezember 2022 wurden in Montreal erneut mit fast 200 Staaten auf der Weltnaturkonferenz Ziele zum Erhalt der Biodiversität verabschiedet. Nach wie vor fehlen jedoch konkrete Vereinbarungen zur Umsetzung und messbare Ziele, so dass verstärkt individuelle Strategien erforderlich sind. Durch zahlreiche Studien ist belegt, dass auf ökologisch bewirtschafteten Flächen mehr Arten und Individuen einer Art vorkommen als auf konventionellen, sei es bei den Ackerwildkräutern, Feldvögeln oder Insekten (u. a. Stein-Bachinger et al. 2021). Aber auch im Ökolandbau besteht Handlungsbedarf, denn viele Arten können nicht ausreichend durch die praxisübliche Bewirtschaftung gefördert werden bzw. sind auf extensivere Bewirtschaftung angewiesen. Dem sind jedoch vor allem aus betriebswirtschaftlicher Sicht Grenzen gesetzt.

Im Sinne des biodynamischen Ansatzes ist die Förderung der Artenvielfalt ein Aspekt der Betriebsentwicklung und wird bereits im 7. Vortrag des Landwirtschaftlichen Kurses thematisiert (Steiner 1924). LandwirtInnen darin zu unterstützen, ist ein wichtiges Anliegen des Demeter-Verbandes. So wurde bereits 2013 die Biodiversitätsrichtlinie verabschiedet, nach der auf mindestens 10 % der Betriebsfläche bestimmte Biodiversitätsleistungen erbracht werden müssen. Die Richt­linie lässt den Betrieben dabei individuelle Gestaltungsmöglichkeiten.

Um herauszufinden, wie die Verbandsbetriebe diesen Gestaltungsspielraum nutzen, wurde 2022 von der Forschungskoordination des Demeter e.V. eine bundesweite Befragung initiiert. Es bestand für die Betriebe die Möglichkeit, individuelle Gründe für die Förderung der Artenvielfalt anzugeben, konkrete umgesetzte Naturschutzmaßnahmen zu benennen, auf Schwierigkeiten hinzuweisen sowie Wünsche an den Verband zu formulieren. Die Ergebnisse sollen zur besseren Wahrnehmung von Naturschutzleistungen in Demeter-Betrieben beitragen und eine Grundlage für die Beurteilung und ggf. Weiterentwicklung der Biodiversitätsrichtlinie liefern. Die Online-Umfrage mit 25 Fragen wurde über die internen Newsletter des Demeter-Verbandes an 1600 Mitgliedsbetriebe versandt. In die Auswertung konnten 174 Fragebögen (10,9 %) einbezogen werden. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse dargestellt.

Betriebsstruktur und Anzahl durchgeführter Naturschutzmaßnahmen

17 % der teilnehmenden Betriebe bewirtschaften weniger als 10 Hektar, 29 % zwischen 11 und 50 Hektar. Von den 54 %, die mehr als 50 Hektar bewirtschaften, sind 6 % größer als 200 Hektar bzw. 3 % größer als 500 Hektar. Knapp die Hälfte der Antworten kamen von Betrieben aus Baden-Württemberg, 17 % aus Niedersachsen, gefolgt von Brandenburg und Bayern sowie weiteren acht Bundesländern. Gut die Hälfte der Betriebe hat bereits seit mehr als 15 Jahren die Demeter-Anerkennung. Beteiligt haben sich, neben den für den Verband typischen Gemischtbetrieben, auch spezialisierte Gemüse-, Wein- und Obstbaubetriebe.

Ein zentrales Anliegen der Befragung war herauszufinden, welche konkreten Naturschutzmaßnahmen u. a. im Grünland, Ackerbau, Obst-, Gemüse- und Weinbau auf den Betrieben umgesetzt werden. Hier zeigte sich eine sehr große Vielfalt. Im Mittel wurden unter Berücksichtigung der jeweiligen Produktionszweige je Betrieb der angegebenen Naturschutzmaßnahmen durchgeführt. Die Spannweite reichte bis zu 44 verschiedenen Maßnahmen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass lediglich erfragt wurde, ob eine Maßnahme umgesetzt wird, so dass keine Informationen über den Flächenumfang auf Betriebsebene abgeleitet werden können.

Maßnahmen im Grünland

Artenreiche Wiesen und Weiden sind durch extensive Grünlandnutzung zu erhalten. Interessant ist, dass diese Maßnahme von 84 % der Betriebe angegeben wurde (Abb. 1). Sehr positiv aus Sicht des Insektenschutzes ist, wenn auf einen Mähaufbereiter verzichtet wird bzw. Streifen bei der Mahd stehen gelassen werden. 55 % bzw. 45 % der Betriebe gaben an, diese beiden Maßnahmen umzusetzen. 24 % der Betriebe integrieren eine sehr effektive Maßnahme zum Schutz von Feldvögeln, indem sie während der Brutzeit eine achtwöchige Ruhephase einhalten. Mit diesen Maßnahmen geht allerdings eine mehr oder weniger starke Verschlechterung der Futterqualität einher, so dass die Umsetzung für Betriebe, die eine hohe Grundfutterqualität benötigen, mit entsprechenden Verlusten verbunden ist.

Maßnahmen im Ackerbau

Ackerwildkräuter, die auf regelmäßige Bodenbearbeitung angewiesen sind, zählen zu den gefährdetsten Arten. Eine geringere Intensität der mechanischen Beikrautregulierung, wie von 44 % der Betriebe angegeben, wirkt sich positiv aus. 64 % bauen biodynamisch gezüchtete bzw. alte Sorten an und tragen damit zum Erhalt der genetischen und lokalen Vielfalt bei. Weitere Maßnahmen wie Flächen mit ein- bzw. mehrjährigen Kulturen im Ackerbau, die zur Blüte kommen, wurden von 69 bzw. 76 % angegeben, 11 % lassen auf ausgewählten Schlägen Stoppeln über Winter stehen und schaffen damit Deckung, Überwinterungshabitat und ein höheres Nahrungsangebot für viele wild lebende Tiere.

Motivation der Betriebsleitenden

Die Frage, wie wichtig Naturschutz bei der Bewirtschaftung des eigenen Betriebes empfunden wird, wurde anhand einer 7-stufigen Skala beantwortet. Für 95 % der Betriebe ist Naturschutz eher wichtig bis sehr wichtig. 44 % der Betriebe wären bereit, weitere Maßnahmen über die geforderten 10 % Biodiversitätsflächen hinaus auf ihrem Betrieb durchzuführen, 23 % setzen bereits Maßnahmen in größerem Umfang um. Auf die Frage, wie eine Unterstützung bei der Planung, Umsetzung und Dokumentation der Biodiversitätsricht­linie von Seiten des Verbandes erfolgen könnte, gaben 45 % an, dass mehr Informationen über Fortbildungen, Veranstaltungen etc. zum Thema Biodiversität bzw. auch die Einbindung eines Naturschutzberaters hilfreich wären. 32 % der Befragten befürworteten einen gemeinsamen Dialog zur Weiterentwicklung der Biodiversitätsrichtlinie. Zur Frage nach konkreten Verbesserungsvorschlägen der Richtlinie äußerten sich 78 %. Die Hälfte befürwortete den Vorschlag einer detaillierteren Maßnahmenliste sowie die Nutzung der Informationen für die Außendarstellung, gefolgt von einer Online-Anwendung zur Erstellung einer eigenen Biodiversitätsstrategie (37  %). Ein hoher Prozentsatz der Betriebe (93 %) gab die für sie wichtigsten Gründe, Biodiversität auf ihrem Betrieb zu fördern, an. Gut 91 % äußerten den Wunsch, mehr für die Natur bzw. Biodiversität tun zu wollen, 88 % sehen Biodiversitätsförderung als integralen Aspekt der biodynamischen Wirtschaftsweise. Als Hauptschwierigkeit für die Umsetzung wurde von mehr als der Hälfte der Betriebe der hohe zeitliche und arbeitstechnische Zusatzaufwand sowie die fehlende Wirtschaftlichkeit genannt. Begrenzte Flächen, Sanktionsrisiken sowie fehlende gesellschaftliche Wertschätzung sind ebenfalls wichtige Hinderungsgründe.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Förderung der Biodiversität biodynamischen Betrieben ein wichtiges Anliegen ist. Die Betriebe, die sich an der Umfrage beteiligt haben, nutzen den großen individuellen Gestaltungsspielraum, den die allgemein gehaltene Richtlinie gibt, aus naturschutzfachlicher Sicht zielführend und effektiv. Die Betriebe wünschen mehr Unterstützung bei der Planung und Umsetzung der Biodiversitätsarbeit. Auch ein Dialog zur Weiterentwick-lung der Biodiversitätsrichtlinie wird befürwortet. Hierfür sollten im Verband unbedingt Kapazitäten aufgebaut werden, denn die Förderung der Biodiversität ist eine sehr wichtige Zukunftsaufgabe.

Wir danken allen Landwirtinnen und Landwirten, die sich an der Umfrage beteiligt haben, sehr herzlich.