Demeter und Kosmos

Demeter, sind das nicht die, die mit dem Mond…? Je nach Charakter lacht oder seufzt da der angesprochene Demeter-Bauer. Denn die biologisch-dynamischen Landwirte, die unter der Marke Demeter ihre Erzeugnisse verkaufen, verstehen sich als fortschrittliche Bauern, die neueste Erkenntnisse der erst aufkeimenden Wissenschaft vom Lebendigen in ihre Arbeit an Boden, Pflanze und Tier integrieren. Vor hundert Jahren tauchte erstmals der Begriff Ökologie in der Forschung auf, erst vor dreißig Jahren erreichte er die Gesellschaft. Demeter-Landwirte und Lebensmittelhersteller meinen aber mehr als nur komplexe Natur-Netzwerke oder schon gar nicht Life-sciences aus dem Labor, wenn sie vom „Lebendigen“ sprechen: der landwirtschaftliche Betrieb als Organismus, das ist heute Allgemeingut bei Ökobauern. Erfunden hat dieses Bild der Gründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, als er, von Landwirten gebeten, 1924 einen Kurs über „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ hielt. Diese Vorträge sind voller Bilder und Anregungen aus einer geistigen Schau, heute heißt das „spirituell“. Seitdem bemühen sich Landwirte und auch Forscher, diese Ideen auf den Acker und in den Stall zu bringen: Dass Demeter Weidegang vorschreibt oder mit Kompost und bestimmten Präparaten die „Erde zu verlebendigen“, geht auf diese Anregungen zurück, die auch wissenschaftlich überprüft wurden. Meist mit Erfolg: was die Bodenentwicklung angeht, ist die Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise unschlagbar. Auch bei den Qualitäten der Erzeugnisse ist sie vorne, hat zudem eigene Methoden zur Feststellung erfunden. Und der Mond?

 

Ein Organismus steht natürlich nicht allein in der Landschaft, schon gar nicht eine Landwirtschaft. Und er steht auch nicht still: er entwickelt sich weiter, so wie der Landwirt u.a. Hecken pflanzt, mit biodynamischen Präparaten und dem Futter-Mist-Kreislauf die Bodenfruchtbarkeit aufbaut, eigenes Saatgut zieht oder sich fortbildet z. B. im Verstehen der Natur. So ist jeder Betrieb anders, selbst wenn es Demeter-Nachbarn sind, Vielfalt gehört zum Lebendigen dazu. Das gilt auch für die Züchtung, ob Sorten für den biologischen Anbau oder die passende Nutztierlinie für den Hof. Entwicklung wohnt dem Menschen inne und ist eigentlich eine kosmische Gesetzmäßigkeit. So wie die Sonne scheint und die Planeten um sie rotieren, steht die ganze Welt in einer gemeinsamen Evolution. Auf den Menschen kommt es an, ob er das versteht. Und entsprechend handelt. Biodynamische Bauern und Gärtner wissen, dass das Leben von der Sonne kommt und Erde, Mond und Planeten deren Wirkungen vielfältig modifizieren: Kosmos bedeutet Licht, aber auf der Erde wird es auch zu Wärme, zu photosynthetischer Energie, Licht, Schatten, Farbe, Formkraft und vielen anderen, das Lebendige gestaltende Faktoren mehr.

 

Dass der Rhythmus beim Bauern eine Rolle spielt, ist klar – die Rhythmen werden aber vom Kosmos, sprich Sonne, Mond und Sternen, intoniert. Das beschreiben schon die alten Griechen im Mythos der Göttin Demeter. Bei Demeter -Landwirten bedeutet das neben dem Einstellen auf die Jahreszeiten die Gestaltung der Fruchtfolge, die Herstellung und Anwendung der biologisch-dynamischen Präparate, die Beachtung von Nützlings- und Schädlingsrhythmen, aber auch sogenannte „Eigenzeiten“ in der Haltung und Pflege der Tiere. Dass es auch auf den Zeitpunkt der Aussaat ankomme, fand die biodynamische Gärtnerin Maria Thun vor fast 50 Jahren und forschte mit der Uni Gießen daran. Ihr System der Saattermine nach dem Mond im Tierkreis konnte da so nicht bestätigt werden, wohl aber fand das Institut für Biologisch-Dynamische Forschung lunare Reaktionstypen bei den Pflanzen: Kartoffeln reagieren anders als Möhren auf den Mondstand zur Aussaat- bzw. Pflanzzeit. Aktuell forscht die Uni Kassel-Witzenhausen in einem Projekt zu diesem Thema. Und der Demeter- Landwirt und Züchter Jochen Ackermann hat einen Brunftkalender auf der Grundlage solcher Rhythmen entwickelt.

Landwirtschaft mit dem Ursprung in einer ideellen oder spirituellen Sphäre ist also nichts abgehobenes, sondern einfach ein Weg, mit neuen Begriffen genauer darauf hinzuschauen, mit was wir es als Landwirte zu tun haben: mit Lebendigem.

 

Erweiterter Beitrag (28.8.09)von Andrea Eiter, Michael Olbrich-Majer aus Bauernstimme 5-2008