Ökolandbau: wer bremst denn da?

In China boomt der Anbau, Deutschland verliert Marktanteile

 

Auch wenn Öko-Lebensmittel heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind: Bei den Bauern ist das nicht so. Wer ökologisch wirtschaftet, ist auf dem Land nicht unbedingt angesehen. Wer umstellt, hat´s nötig, so das Klischee. Etwas ist dran: konventionelle Ackerbauern auf fetten Böden können bei den aktuellen Preisen nicht klagen und für die meisten hochspezialisierten Mäster ist der Zug sowieso abgefahren. Wer umstellt, ist meist Milchbauer, und wie es denen geht, haben wir ja im Sommer erlebt.

 

Nur knapp 7 Prozent der Landwirte können sich eine Umstellung auf Öko in den nächsten Jahren vorstellen. Dabei boomt der Markt, zuletzt mit 18 Prozent Zuwachs. Umstellungswillige werden weder ermuntert, noch sonderlich unterstützt: In den meisten Fachbehörden gilt Öko nach wie vor als Nische. Für Deutschlands Agrarelite ist stattdessen die Gentechnik Zukunftsthema und viele Bauern sitzen der Anti-Ökopropaganda auf, die es subtil immer noch gibt. Immerhin ist Deutschland Standort dreier Agrarchemiemultis. Auch sind die Vertreter ständischer Organisationen meist Großagrarier, die vom bestehenden Subventionsgefüge profitieren und durch Aufsichtsratsmandate und Vorstandsposten eng verflochten sind mit Agrarindustrie, Saatgutkonzernen, tonangebenden Institutionen und der Agrarpolitik, bis in die Flure des Bundesministeriums. Hier herrschte Jubel, als Künast ging.

 

In Deutschland wird der Ökolandbau ausgebremst. Es herrscht der Anti-Künast-Reflex: Deren Feststellung, der Ökolandbau sei Leitbild für die Landwirtschaft, hat die Bauern tief gekränkt und das Agrobusiness sah seine Felle fortschwimmen. Das Ende von Rot-Grün wurde daher in der Lebensmittelzeitung mit einer gehässigen Karikatur zu Künast und Trittin gefeiert. Dem aktuellen Bundesminister Seehofer ist der Ökolandbau egal, sein Herz schlägt nicht für Agrarpolitik. Nur vor der Landtagswahl in Bayern post er mit Milchbauern. Konkret wird es am Beispiel der Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung: Da ist die ökologisch bewirtschaftete Fläche einer der Parameter: 20 Prozent sollen es mal werden. Aber dafür wird nichts getan, im Gegenteil: Der Demeter-Verband hat das in einem Brief an Seehofer moniert. So musste das staatliche Forschungsinstitut, das sich mit Ökolandbau befasst, im vergangenen Jahr ums Überleben kämpfen, auch die Ökobereiche mancher Agrar-Unis. Mit lächerlichen 8 Mio. Euro ist die Forschung im Bundesprogramm Ökolandbau ausgestattet. Hart erkämpft! Das ist anteilsmäßig weniger als der Anteil Ökobauern in Deutschland. Allein für Genom-orientierte Forschung gibt Seehofer das vierfache aus, die doppelt so hohe Gentechnikförderung des Forschungsministeriums nicht eingerechnet. Gleichzeitig wird die Zulassung ökologisch gezüchteter Getreidesorten durch altertümliche Vorschriften behindert: Demeter-Züchter sollen es halt in anderen EU-Länder versuchen, so die offizielle Empfehlung.

 

Dies sind nicht die einzigen Wettbewerbsverzerrungen. Das Subventionssystem, von EU und Bundesländern wesentlich mitgestaltet, belohnt immer noch vor allem Größe und Exportorientierung anstelle von Nachhaltigkeit, Umweltleistungen und Schaffen von Arbeitsplätzen auf dem Land. Der Markt wird es schon richten? Vielleicht, wenn die Preise inklusive gesellschaftlicher Folgekosten kalkuliert wären. Aber kein Sektor ist so überreguliert wie der landwirtschaftliche. Übrigens stagniert der Ökolandbau EU- weit, außer in den Ländern Osteuropas. Denn die EU hat zwar einen Aktionsplan, aber nicht mit Mitteln ausgestattet. Kein Wunder, dass der Umsatz an Pflanzenschutz- und Düngemitteln wieder steigt.

 

Letztlich ist es neben unterschiedlich durchsetzungsfähigen Interessen ein Konflikt der Denk-Arten: Nahrungsmittelerzeugung als laborgestützte Industrie, der Bauer liefert den Rohstoff, oder Lebensmittel als Kulturgut, mit persönlicher Verantwortung für´s Ganze erzeugt.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3,Oktober 2008