Christliches in der Landwirtschaft
Landwirt sein umfasst individuelle Entwicklung und Verantwortung
Was verbindet Demeter-Bauern und Christliches? Glaube ist heute Privatsache, weder durch Region noch Anbauverband vorgegeben. Klar, die ganze abendländische Kultur ist von Christentum und Kirche geprägt, aber diese Fesseln wurden in den letzten zweihundert Jahren abgestreift. Das gilt auch für Landbevölkerung und Landwirtschaft. Doch bedeutet das vielfach einen Werteverlust: Darf der Mensch mit der Natur, christlich gesprochen, der Schöpfung, alles machen, was ihm zu nutzen scheint? Biodynamische Landwirte sehen das anders und verstehen ihre Arbeit als Pflege der Erde, manch einer ist aus diesem Motiv heraus erst Bauer geworden. Ist das schon christlich? Das Bibelzitat „Macht Euch die Erde untertan“ für sich so lesen, dass die Erde uns anvertraut ist?
Wie viele Demeter-Bauern Kirchgänger sind, ist nicht bekannt, aber es gab viele, die in ihrer Glaubensgemeinde Probleme bekamen. Weil sie biodynamisch wirtschafteten. Und die geplante Gedenkausstellung in Koberwitz, dem Geburtsort des Biodynamischen, scheiterte kürzlich am Veto des Klerus. Steiners eher kulturelle Sicht auf das Christentum ist undogmatisch, kommt ohne Kirche aus und baut mehr auf die innere Entwicklung des Menschen als auf Gottes Gnade oder priesterlichen Segen, kennt sogar Reinkarnation. Das mögen die Kirchen das nicht. Doch sieht Steiner Tod und Auferstehung des Christus als das Zentralereignis der Weltgeschichte, ist für ihn die mit der Sonne verbundene Christuswesenheit unser Lebensquell, mit dem Geist der Erde verbunden. Auch daran kann man sich reiben.
Es gibt biodynamische und anthroposophische Projekte auch in islamischen, hinduistischen, jüdischen oder buddhistischen Kulturen, es gibt Menschen, die durch das Anthroposophische mit seinem christlichen Kern Formen und Inhalte anderer Religionen fruchtbar machen. Die jährliche internationale biodynamische Tagung jetzt im Februar war von solchen Berichten getragen, das Thema hieß „Christliche Impulse in der Landwirtschaft“. Aber es komme eben nicht auf das Bekenntnis an, wie Tagungsleiter Nikolai Fuchs bemerkte, sondern auf die selbstlose Tat, die Verwandlung zu Entwicklungskräften.
So wie im Beispiel von Ritu und Rajeev Baruah von BioRe, einem Baumwollprojekt in Indien: Sie helfen, ihre Bauern fähig zu machen, stärken die Landbevölkerung durch Partizipation, Schulen, medizinischen Dienst, voneinander Lernen: Das Wort„Empowerment“ trifft es. Da wurden die Forderungen des Weltagrarberichtes anschaulich, wurde erlebbar: Landwirtschaft ist weit mehr als Produktion. Sie ist eine nachhaltige Lebensform mit vielen, auch sozialen Wirkungen. Dies, oder anders gesagt die Entwicklung des „Ich“, das Erringen von Souveränität, sich auf den Weg machen, um das eigene Leben und damit auch den Umgang mit der Erde verantwortungsvoll gestalten zu können – war letztlich das Thema aller Beiträge. So der Blick auf mittelalterliche Bauernaufstände gegen soziale Unrechtsverhältnisse, so der 80 jährige, katholische Demeter-Landwirt Karl Tress, für den die biodynamischen Präparate ein Geschenk und kein Verkaufsargument sind, so Ibrahim Abouleish zum kulturellen Transfer zwischen Anthroposophie und den 99 Namen Allahs im ägyptischen Sekem-Projekt: Die bäuerliche Kultur erlebt am Leiden der Natur auch die sozialen Verhältnisse und ist umso offener für Erlösungswege.
Ein neuer Umgang mit dem Leben und Lebendigem, mit Mensch und Erde als dem „Du“ im Verständnis von individueller und gemeinsamer Entwicklung, mal im Kontrast - mal im Ausgleich, mutig und in Freiheit: das zeichnete sich in der Vielfalt der biodynamischen Darstellungen und Gespräche der Tagung als Grundmelodie eines kosmopolitischen Bildes von Landwirtschaft und Gesellschaft ab. Es kommt weniger darauf an, dass etwas christlich heißt, als dass es in diesem Geist wirkt.
Michael Olbrich-Majer in Info3 Nr. , März 2010, http://www.info3.de