Demeter und vegetarische Lebensweise
Weniger ist mehr
Es gibt gute Gründe, vegetarisch zu leben. Wohl mehr als eine Million Menschen in Deutschland tun es und es werden mehr. Aktuell befeuert das Sachbuch des Romanciers J. Safran Foer „Tiere essen“ die Diskussion darüber, ob es vertretbar ist, dass wir pro Kopf jährlich mehr als 70 Kilo Fleisch und Wurst verzehren.
Zumal wenn man spirituell orientiert ist, stellt sich irgendwann die Frage:“Wie hältst Du´s mit dem Fleisch?“ Denn neben körperlichem Ekel, möglichen Effekten des Fleischverzichts auf Gesundheit und Lebenskräfte oder seelisch-ethischer Verbundenheit mit dem Tier gibt es Hinweise spiritueller Lehrer verschiedenster Traditionen, die vegetarischer Kost im Hinblick auf die persönliche Entwicklung den Vorzug geben – auch Rudolf Steiner.
Nun kenne ich allerdings auch sehr spirituelle Menschen, die schon mal zum Steak in der Pfanne raten. Ist Fleisch doch ein Stück Lebenskraft? Und wenn – welche? Ich jedenfalls bin kein Vegetarier mehr, seit ich nachgerechnet habe. Für meine Milch-Käse-Yoghurt Ration entstehen auf einem Demeter-Gemischtbetrieb mit einer angenommenen Kuh je Hektar zugleich eine Tagesration von ungefähr 30 Gramm Fleisch für mich. Lebte ich vegan, äße also nur pflanzliches, so entstünden als Beiprodukt zum täglichen Müsli immerhin noch eine Tagesportion von 15 bis 20 Gramm Fleisch. Denn, mein Hafer soll ja bio sein. Biobetriebe erreichen dauerfähige Bodenfruchtbarkeit durch Kleegras in der Fruchtfolge. Das frißt die Kuh, veredelt es zu Mist und sie ist auch sonst ein Tier mit Mehrfachnutzen, liefert Milch, Fleisch, Leder, Landschaft und woanders auch Zugkraft. Noch nützlicher sind Wiederkäuer, wenn sie allein aus Dauergrünland Lebensmittel gewinnen, denn das kann man anders nicht nutzen. Da es weltweit mehr natürliche Weiden als ackerfähiges Land gibt, darf die Menschheit auf deren Beitrag zur Welternährung nicht verzichten.
Im übrigen würfe eine Pflicht zur veganen Ernährung das Problem auf, was wir mit den dann überflüssigen Nutztieren anstellen sollen? Mal eben 12 Mio. Rinder hierzulande schlachten? Oder frei laufen lassen, wie in Indien? Und was würde ohne Jäger mit dem Wild bzw. aus Wäldern und Feldern? Und was sollen Inuit anbauen?
Imperative helfen hier nicht, denn jedes Motiv zu diesem Thema ist ein individuelles und verdient als solches Respekt, nicht Bekehrung. Das gilt auch fürs alltägliche Zusammenleben– wo Fleischesser – meist männlich – mit Vegetariern – meist weiblich - an einem Tisch auskommen müssen und umgedreht. Glücklicherweise erweitert sich das Angebot in Restaurants und Kantinen um akzeptabel Vegetarisches, es gibt sogar „Veggie-Days“ in manchen Städten. Denn sicher ist auch: von unserem durchschnittlich hohen Fleischkonsum müssen wir runter – vor allem aus Klima-, aber auch aus Gesundheitsgründen: Es gilt, das richtige Maß zu finden – Faktor 5.. Denn das meiste hierzulande, aber auch im Weltmaßstab gehandelte Fleisch kommt eben nicht von genügsamen Schafen, Ziegen, Kühen, sondern von Kraftfutter zehrenden Hühnern, Schweinen und Bullen. Die Deutschen essen 9,5 Kilo Rind, aber doppelt so viel Geflügel und viermal soviel Schwein. Das ist erstens Verschwendung der Ernten – denn gefüttert werden Getreide und Leguminosen – in direkter Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Zweitens ist es meist industrielle Landwirtschaft mit allen Folgen und drittens Klima- und Umwelt schädigend, weil vor allem auf Importfutter beruhend. Noch einmal zum Maß: der modellhafte biodynamische Gemischtbetrieb erzeugt viel mehr Fleisch vom Rind als von anderen Tieren, aber es reicht im Jahr auch für nur einen ca. 10 kg–Anteil Fleisch pro Jahreskäse- oder -müsliportion. Schweine und Hühner sind hier nur Resteverwerter. Also ist eher der maßvolle, stark reduzierte Fleischverzehr gefragt, Flexitarier heißt das auf neudeutsch.
Michael Olbrich-Majer in Info3 Nr.10 ,Oktober 2010, http://www.info3.de