Rationelle Landwirtschaft

Erzeugung mit der Natur folgt anderen Gesetzen als der ökonomische Mainstream

 

Ist es rationell, bloß weil es alle tun? So lautet das Hauptargument für die sich zunehmend industrialisierende konventionelle Landwirtschaft, die immer noch 94 % aller Bauern in Deutschland betreiben. Vermeintlich renditegetrieben braucht es da immer mehr Land, immer mehr Technik, immer weniger Mensch, immer weniger Natur und Natürlichkeit. Mit allen Folgen dieses Wachstumszwangs für Umwelt und Gesellschaft. Gemeingüter wie sauberes Wasser oder Biodiversität werden geschädigt, deren Reparaturkosten der Allgemeinheit aufgelastet. Dagegen würden Ansätze einer ganzheitlichen Ökonomie helfen, wenn Natur und Soziales ebenfalls in die Bewertung einflössen, nicht nur Kapitaleinsatz. So handhabt es z. B. die Regionalwert AG. Aktuell aber steigt der Anteil landwirtschaftsfremder Investoren und Spekulanten rasant - Thema sichere Werte und Rohstoffe - und damit der Renditezwang. Dass die meisten Nutztiere leiden, hängt auch mit dem engen Blick auf Kapitalverwertung zusammen. Irgendwann sind die biologischen Möglichkeiten eines Huhns halt ausgereizt.

 

Der Trend dazu begann mit der Plantagenwirtschaft, spätestens im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen von Kunstdünger und Zuckerindustrie. Rudolf Steiner sprach 1924 in seinem Kurs zum Gedeihen der Landwirtschaft von „rationeller Landwirtschaft“. Und meinte damit zunächst den Hof: Dessen Elemente wie Acker, Vieh, Obst oder Wald sollten so aufeinander abgestimmt sein, dass sie sich gegenseitig stärken. Durch die Pflege von Boden und Vielfalt, durch hofeigenen Dünger, Züchtung und biodynamische Präparate werden die Binnenkräfte einer Landwirtschaft gefördert. Der Landwirt solle die Lebensbereiche, mit denen er umgeht, nicht verwalten, sondern ein persönliches Verhältnis zu ihnen entwickeln: es geht um wesenhaftes Erkennen. Daraus folgt: möglichst viel interne Ökonomie, innerbetriebliche Verwertung, Kreisläufe aufbauen, Fördern der lebendigen Produktionsfaktoren Boden, Pflanze, Tier, und letztlich kommt es auf Geist mehr an als auf Kapital. Eine solche multifunktionale Landwirtschaft erwirtschaftet reichlich Koppelprodukte, inner- und außerbetrieblich, landwirtschaftlich wie gesellschaftlich-sozial oder für die Natur. Eine so betriebene „rationelle Landwirtschaft“ schafft Verbundenheit, auf allen Ebenen, biologisch wie menschlich. Agrarkultur eben, wie auf vielen Demeter-Höfen. Was übrigens nicht mit der Größe zusammenhängt, oder damit, dass der Traktor durch das Pferd ersetzt wird, sondern mit dem umfassender ergriffenen „Auftrag“ und entsprechendem Arbeitskrafteinsatz.

 

Doch bewirken die heutigen Vorgaben der Agrarpolitik, dass, wer wirklich rationell wirtschaftet, ziemlichen Wettbewerbsnachteilen unterliegt. Gerade zeigte eine Studie, dass Ökobauern anteilig weniger staatlich gefördert werden als konventionelle, da ist die massive Ungleichheit bei der Forschung noch nicht eingerechnet. Hier müssten es 80 Mio. Euro sein, wenn Deutschland sein formuliertes Nachhaltigkeitsziel, das u.a. 20 % Ökolandbau vorsieht, ernst nähme. Real sind es keine acht Millionen.

Ernährung und Landwirtschaft kann man nicht allein nach technischen Referenzen und ökonomischen Algorithmen gestalten. Statt eines anonymisierten, durch sogenannte „Märkte“ repräsentierten Agrobusiness` braucht es eine natur- und menschengemäße Agrarkultur, die auch das Überleben auf dem Land ermöglicht, in Europa und anderswo. Konsumenten sollten sich fragen: Wem vertrauen wir unsere Zukunft an, wenn wir einkaufen oder Geld anlegen? Nachhaltigen Wirtschaftsformen an oder dem Turbokapital? Und sind wir bereit, einen Beitrag zu leisten, um Öko-Landwirtschaft mehr als bisher möglich zu machen - über den Preis oder politisch? Von Berlin und der EU ist zurzeit nichts zu erwarten – Bürger müssen mitsprechen und die Sache selbst in die Hand nehmen.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Dezember 2011, http://www.info3.de