Wolken im Mai

Greenwashing gibt es auch in der Agrarpolitik

 

Es scheint viel in Bewegung im Bereich der Landwirtschaft: eine EU-Agrarreform, die die Landwirtschaft grüner machen soll, ein Label, das Tierwohl anzeigt, bienengefährdende Insektizide, die verboten werden, Ökokontrolle, die noch schärfer werden soll, eine EU- Regelung, die den Handel mit Saatgut vereinfachen soll, ein Agrarministerium, das den Bundesländern erlaubt, den Ökolandbau mehr zu fördern.

 

Genau besehen passiert gerade: nichts.

 

Vielleicht bin ich überkritisch, aber es geht längst nicht mehr um solche Peanuts. Wir haben ein Politikproblem: Großes Getöse, wenig Substanz. Die Agrarreform ändert bei den allermeisten Betriebe nichts, trotz Greening und Umweltgedanken darf im Wesentlichen weitergewirtschaftet werden wie bisher, für unser Steuergeld kriegen wir nicht mehr Nachhaltigkeit. Das Tierwohllabel werden die meisten Tierhalter nur auf dem Einstiegslevel nutzen, und der bietet kaum Fortschritte. Stufe zwei, teils so streng wie der Ökolandbau, wird die Ausnahme sein. Das auf zwei Jahre begrenzte Verbot von ein paar regional verbreiteten Spezialgiften hilft wenig bei flächendeckender Pestizidbelastung und fehlendem Blüh-Futter für Bienen im Sommer. Schärfere Öko-Kontrollen – wie wär´s, wenn mal die anderen Landwirte gesetzlich vorgeschrieben kontrolliert werden, statt den paar Prozent Ökobauern noch eins draufzulegen. Der Entwurf für neue Saatgutregeln - statt Agrobiodiversität zu sichern, hat er heftigen Widerspruch bei den in der Regel kleinen ökologischen Zuchtunternehmen hervorgerufen – sie sehen die Vielfalt gefährdet, für die sie mit Sorten und Methoden stehen. Und mehr Geld für den Ökolandbau – billig, wenn´s der Bund nicht bezahlen muss, die Entscheidung den Ländern überlässt und seine eigenen Hausaufgaben nicht macht. Allein die Unternehmen der Gentechnikforschung erhalten jährlich mehr als zehnmal soviel Forschungsförderung wie der Ökolandbau. Da kann man schwarz-gelb schon mal über haben.

 

Habe ich nur einen schlechten Tag oder die falsche Brille erwischt?

 

Ich glaube, nicht.

Agrarforscher der Uni Bonn schlugen Mitte Mai Alarm: geht es so weiter, ist hier bald Schluss mit Öko. Anlass der Studie im Auftrag der Grünen war der stetig wachsende Importanteil an Ökolebensmitteln, die hiesigen Ökobauern aber werden kaum mehr: 28 Prozent der hierzulande verzehrten Kartoffeln, 48 Prozent der Möhren, mehr als 50 Prozent der Äpfel und 16 Prozent der Milch werden im Ausland erzeugt. In den letzten zehn Jahren stieg der Umsatz mit Ökolebensmitteln um 127 Prozent, die Ökofläche nahm nur um 50 Prozent zu. Als Gründe für zuwenig Bioumsteller in Deutschland nennen die Forscher einen zu geringen Preisabstand zu konventionellen Produkten, hohe Pacht- und Kaufpreise für Land, Doppelförderung von Energiepflanzenanbau, unsichere Förderung von Ökobauern und kaum Forschungsmittel für diesen Bereich. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein nimmt aktuell die Ökofläche wieder ab.

 

Gleichzeitig verändert sich der konventionelle Anbau radikal: das Totalherbizid Glyphosat ermöglicht einen vereinfachten Anbau: Unkraut, das über Winter gewachsen ist, wird totgespritzt, Resultat: gelblich-fahle Äcker. Das spart aufwändiges Unterpflügen vor der Frühjahrssaat. Und Getreide wird, statt es reifen zu lassen, randvoll mit Dünger abgefüllt und dann totgespritzt, um es ernten zu können. Kein Wunder, dass sich bei Untersuchungen bei jeder zweiten untersuchten Person – ohne Kontakt zur Landwirtschaft - Glyphosat im Urin nachweisen lässt, wie ZDF-Frontal Anfang Mai berichtete. Bei Rindern ebenfalls – deutschlandweit. Ökotest fand im Letzten Jahr in dreiviertel aller Getreideproben Rückstände des Herbizids.

 

Es gibt auf jeden Fall noch eine Menge zu tun. Aber hoffentlich nicht mehr für diese Regierung. Und wir lernen: selber engagieren bringt mehr, als auf die Politik zu warten.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Juni 2013, http://www.info3.de