Können Bäume hören?

Was das Wood Wide Web mit unserer Ernährung zu tun hat

 

Unterm Wald ist es laut. Bäume geben in bestimmten Situationen Klickgeräusche von sich, fanden Schweizer Forscher unlängst, so schreibt es die Zeitschrift Geo. Maispflanzen schnalzen mit den Wurzelspitzen und schicken ihre Wurzeln dahin, wo es brummt. Das sind nur einige Erkenntnisse, die Botaniker in den letzten Jahren unter dem Stichwort „Pflanzenneurobiologie“ zusammenfassen. Nicht, dass Pflanzen Empfindungen hätten oder gar denken, aber ihre Selbststeuerung ist doch feiner und komplexer als gedacht. So werden die Tagesrhythmen des Öffnen und Schließens der Blüten über Proteine gesteuert, oder eine Topfpflanze, regelmäßig berührt, wächst eher breiter als ihre unberührte Nachbarin.

 

Dass auch zwischen Pflanzen feine Kommunikationswege existieren, zeigen Tomaten, die von Raupen angeknabbert werden und ihre Artgenossen per Duft warnen, damit sie Bitterstoffe in die Blätter einlagern. Rosenkohl ruft gar auf dem Duftweg Schlupfwespen zu Hilfe, wenn Rüsselkäfer Eier an seine Blätter ablegen.

 

Solche Interaktionsnetze bringen Spannung in die scheinbar statische botanische Welt und es liegt nahe, dass solcherart lebenstüchtige Pflanzen vermehrt sekundäre Inhaltstoffe produzieren, die in der menschlichen Ernährung meist eine positive Rolle spielen. Biodynamiker übrigens haben schon in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts Versuche mit Mohn und Kornrade im Getreide angestellt, um herauszufinden, ob das einen positiven Einfluss hat. Heute weiß die Forschung, dass mehr als 60 Ackerwildkräuter solche allelopathischen Effekte auf andere Pflanzen bewirken können.

 

Pflanzliche Kommunikationswege gibt es auch unterirdisch, vor allem vermittelt über Pilze, die sich mit den Feinstwurzeln symbiotisch verbinden. Diese Mykorrhiza, so der Fachbegriff, funktioniere im Wald wie ein „wood wide web“, so die Forscher, eine große, alles mit allem verbindende Lebensgemeinschaft.

Darwin formulierte als erster die Hypothese vom root-brain, dem Verstand der Pflanzen in den Wurzelspitzen. Für die Biodynamiker entwickelte Rudolf Steiner das Bild der Landwirtschaft als Organismus in Form einer Art Individualität; diese habe den Kopf unter der Erde.

 

Schauen wir mal hin: Die Pflanze ist zwischen Kosmos und Erde aufgestellt, atmet den Lebensstrom der Sonne und macht über ihre Wurzeln und ihre humosen Reste die Erde, das reine Gestein lebendig. Über Wurzelausscheidungen werden direkt und indirekt mithilfe der pilzlichen Genossen Nährstoffe gelöst. Der biodynamische Forscher Edwin Scheller beschrieb dies als aktive Nährstoffmobilisierung.

 

Der biodynamische Clou dabei: Stallmist fördert kräftig die Mykorrhiza der Nutzpflanzen auf dem Acker, mineralischer Stickstoffdünger vermindert sie. Biodynamische Präparate fördern das Bodenleben, ob über den Kompost gegeben oder direkt auf den Boden als Hornmist gespritzt: Dessen Zusammensetzung spricht für eine pflanzenhormonähnliche Regulierung des Bodenlebens, vermuten italienische Forscher. Ein weiterer Stallmist-Effekt: auf heimischem Boden wird er vom Boden schneller erschlossen als auf fremden Böden, die Forscher kennen das von der Waldstreu und nennen das Heimvorteil, im biodynamischen genutzt als Futter-Mist-Spirale des sich so vom Boden aus entwickelnden Standorts.

 

Was das mit der Pflanze als Lebensmittel zu tun hat? Sie reagiert biodynamisch gepflegt insgesamt ausgeglichener auf z. B. Wetterkapriolen, als Erntegut ist sie konzentrierter, hat höhere Trockensubstanzgehalte, Wein zeigt mehr Mineralität, die Früchte sind länger lagerfähig, analytisch wie in den Bildekräften reifer, letztlich „nahrhafter“, bei meist geringeren Erträgen je Fläche. Was das für die Ernährung bedeuten kann, lässt sich aufgrund der sogenannten Klosterstudie des Forschungsrings erahnen: biodynamische Kost wirkte sich in dieser Vorstudie positiv auf Befinden, Blutdruck sowie immunologische Parameter aus.

 

Michael Olbrich-Majer in Info3, Dezember 2014, http://www.info3.de