Aus der Bewegung
Die richtigen Pflanzen für den Organismus!
Demeter-Grundlagenforum zur Pflanzenzüchtung am 22./23. November
Genau darum geht es: das Potenzial der biodynamischen Wirtschaftsweise bis ins Lebensmittel zum Ausdruck bringen. Und genau daran arbeiten die biodynamischen Züchter, vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Bildes der Landwirtschaft und des Menschen. Es war relativ schnell klar in den Gesprächsrunden des gut besuchten Grundlagenforums, was der Beitrag der Züchtung zum Landwirtschaftlichen Organismus sein kann und dass es bereits ein breites und verfügbares Sortenspektrum gibt, sowohl bei Getreide wie auch bei Gemüse. Und dass diese Züchter auch die Aufgabe angenommen haben, Sorten zu schaffen, die den Menschen in seiner Entwicklung unterstützen. Offen allerdings war, wie wir im Verband die Lücke zwischen höchstem Qualitätsanspruch und der nur langsamen Verbreitung solcher Sorten in der Praxis von Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel schließen. Der Konsument jedenfalls setzt das längst voraus. Die Preisbereitschaft der Abnehmer allerdings orientiert sich zu oft noch an Masse.
Sowohl Peter Kunz als auch Hartmut Spieß, beide biodynamische Getreidezüchter, betonten den unterirdischen Beitrag der Kulturpflanzen zum landwirtschaftlichen Organismus – immer auch als Individualität zu denken: Das Vermögen der Pflanze, Kohlenstoff zu binden, bringe sich über das Wurzelwerk in die Bodenfruchtbarkeit ein – neben dem Ertrag an Korn und an Stroh fürs Vieh ist das die dritte relevante Ertragsgröße. Besondere Wurzelkraft brauchen auch Sorten, die in pfluglosen Verfahren funktionieren sollen, so Hartmut Spieß zu den Bedarfen der Anbaupraxis. Dass der Organismus Landwirtschaft und auch das Züchtungsgeschehen viel weiter verstanden werden kann als hierzulande, zeigte Anja Christinck mit einem kurzen Blick auf ihre Erfahrungen in Afrika und Indien. Die Aufgabe der Züchtung ist im Kontext der Menschheitsentwicklung zu verstehen, das verdeutlichte Cultivari-Züchter Karl-Josef Müller: Das dazu erforderliche Gleichgewicht der Kräfte in der Pflanze verändere sich mit den Zeitaltern und Generationen, was der Züchter im Blick haben sollte.
Diese Zusammenhänge jedoch seien für konventionelle Züchter irrelevant, da sie nur noch auf Einzelmerkmale bzw. deren Kombination achten, bemerkte Gemüsezüchter Dietrich Bauer, als es am zweitenTag um den weiteren Umgang mit F1-Hybridsorten bei Demeter ging. Nicht nur, dass diese im Öko-Anbau höhere Versorgungansprüche stellen und dem Standort weniger zurückgeben, diese Art der Züchtung sei „Quälen der Pflanze“. Der Gärtner und Züchter hat sich jahrzehntelang mit F1-Sorten auseinandergesetzt, auch versucht, sie züchterisch zu verbessern, mit wenig Erfolg. Das ginge wohl nur, wenn man aktuelle Sorten vergesse und mit der Hybridzüchtung ganz neu ansetze, und auch nur bei bestimmten Arten, so Peter Kunz, der es mit Mais versucht. Die schlechtere Qualität der aktuellen F1-Hybriden dokumentierte eindrücklich Gaby Mergardt von der Uni Kassel, die diesen Sorten Unreife attestierte, durchgängig durch tausende Vergleichsproben anhand bildschaffender Methoden. Julian Jacobs berichtete aus seinem Zwiespalt als Gemüsezüchter, der an nachbaufähigen Sorten arbeitet und als Erwerbsgärtner, der zur Hälfte F1-Hybriden einsetzen muss, um mit Masse geringe Demeter-Preise zu kompensieren. Er forderte eine Veränderung der aktuellen Wirtschaftsstrukturen. Und die Teilnehmer des Grundlagenforums waren sich einig, dass es eine Einstiegsstrategie des Demeter-Verbandes in nachbaufähige Sorten braucht. Die Zukunft gehöre biodynamischen Sorten.
Dass die Züchtung für den Ökolandbau mehr finanzielle und politische Unterstützung braucht, war ein weiteres Fazit: zu viele Bereiche sind noch unbearbeitet, z. B. Futterpflanzen und Sonderkulturen. Denn eine Refinanzierung durch Sortenlizenzen sei allenfalls möglich, wenn ganz Deutschland umgestellt sei. Und prinzipiell: Züchtung schafft mit Sorten Kulturgüter, diese werden erst zu Ware, wenn sie in die Saatgutvermehrung gehen.
Das nächste Grundlagenforum am 26./ 27. März 2020, wie immer offen für alle Mitglieder, widmet sich dem Zusammenhang Tierzucht und Landwirtschaft als Organismus.
Autor: Michael Olbrich-Majer