Editorial
Von Winzern und Weinbusiness
Ein edler Tropfen, wie es so schön heißt, spricht für sich selbst. Aber um sein Publikum zu erreichen, bedarf es der Vermittlung. Auch die muss meist der Erzeuger, das Weingut leisten. Winzer sind, wenn sie erfolgreich sind, Selbstvermarkter und so ist die Aura eines Weines zur guten Hälfte die der Persönlichkeit des Winzers und des Ortes, die auf den Wein abfärbt. Viele Winzer schaffen es, einen solchen "Zauber" aufzubauen, und mal ist er auch im Wein zu spüren, mal nicht.
Für Biodynamiker zeigt sich bei diesem Monoprodukt in reiner Form, wie es auf das "persönliche Verhältnis" zu den natürlichen und sozialen Vorgängen ankommt, ganz so wie Steiner das in seinem Landwirtschaftlichen Kurs mal empfohlen hat. Da haben es Bauern mit ihrer Vielfalt schwerer. Was nun können biologisch-dynamische Landwirte von ihren dynamischen Winzerkollegen lernen? Beim Wein kommt es nicht nur auf den Anbau an, der muss biodynamisch selbstverständlich sein, mit intensiver Nutzung der Präparate. Aber es braucht ein Qualitätskonzept vom Acker bis zum Verzehr, bis zum richtigen Wein zum richtigen Zeitpunkt. Eine solche Kultur lässt sich erfolgreich in die Gesellschaft tragen, wenn man durch Begegnung dabei hilft, gepflegte Kennerschaft zu entwickeln. Die umfasst das Produkt, aber auch die Kultur, in der es steht. Und die wird dann auch Wertschätzung erfahren.
Inzwischen ist aber die Weinerei (engl. Winery) ein Business geworden, Winzer sein hat weniger mit Landwirtschaft denn mit Marketing zu tun. Edelwinzer lassen von Stararchitekten ihre Degustationsräume designen, Ex-Manager kaufen sich Weingüter, in Kaliforniern werden Wüstentäler mit Reben bepflanzt, Weine liegen in den Kellern kaufkräftiger Klienten als Investition. Die Beschreibung von Weinen wird immer phantasiereicher und die Bewertung erinnert eher an das Denken in Börsenparametern als an sinnliche Eindrücke. Wein ist Big Business mit hoher Renditeerwartung, sei es auf dem Konto oder beim Genuss.
Dabei ist Profil dringend gefragt - und da kommt heute auch ein Schuss Biodynamik gerade recht.
Doch ist nicht jeder Marketing-Gag wirklich mit Winzer und Betrieb verknüpft, im Gegenteil: Die Weinerzeugung steuert auf eine Polarität zu: industrielle Gummibärchenweine gegen eigenwillige Gewächse. Europa ist seit 2005 erstmals Weinimportregion, dementsprechend verändert sich auch die Weingesetzgebung, auf Druck der USA. Zum Beispiel darf der Wein auseinandergenommen und durch Synthese optimiert werden, gleichzeitig sind z.B. naturnahe europäische Qualitäten wie Eiswein nicht mehr geschützt. Die Bundesregierung diskutiert aktuell ein Reinheitsgebot. Doch ob das was nutzt? Ein schlecht kopiertes US-Budweiser wird auf der WM als einziges Bier verkauft, und in deutschen Supermärkten werden schon seit Jahren Weltmarktweine auf Kellergeister-Niveau unters Volk gebracht.
Wein, das ist eigentlich zuerst ein Produkt von Boden, Rebe, Klima: In keinem anderen Lebens- bzw. Genussmittel kommen das Wirken der Natur und das Schaffen des Erzeugers so unmittelbar zum Ausdruck - wenn der Weinbauer es gut macht: Qualität entsteht im Weinberg, sagen z.B. die Spitzenwinzer vom Nikolaihof. Und die Genießer suchen förmlich das "Terroir". Weinkultur ist eine ursprünglich regionale Sache, die Weine passten zur Gegend und zu den Menschen. Beim Genuss lebt man sich da ein - dafür muss man nicht unbedingt vor Ort sein. Aber ohne diese Verbundenheit zählen nur Punkte und Werte, Folgen siehe oben.
Ihr