Editorial

Vom Ökobauern zum Energiewirt

Um bis zu 4 Grad könnten die Temperaturen bis zum Jahrhundertende je nach Region allein in Deutschland aufgrund des Klimawandels steigen. Beim Klimaschutz wollen Landwirte nicht abseits stehen und sind mit dem nachhaltigen Produzieren von Energie unversehens zur Avantgarde geworden. Die Erzeugung von Lebensmitteln, enttäuschend für Landwirte (finanziell) wie für Verbraucher (qualitätiv) verliert an Bedeutung.

 

Die passende Fortbildung gibt es bereits: Fachagrarwirt Erneuerbare Energien - Biomasse, in Bayern. Ist das nicht auch was für Ökobauern? Aktuell werden Landwirte kräftigst darin gefördert, Energie zu erzeugen, auch wenn das nicht immer sinnvoll ist (vgl. LE vom Januar, S. 4). Wissenschaftler propagieren das auch für den Ökolandbau. Etwas zu spät gemerkt: viele Biohöfe sind seit Jahrzehnten Pioniere, was den Einsatz regenerativer Energien angeht.

 

Und Weltmeister, was die Effizienz der Energienutzung angeht. Im Schnitt 60% weniger Energie brauchen Biobetriebe je Flächeneinheit im Vergleich zu konventioneller Landwirtschaft, 50% weniger beim Rindvieh. Entsprechend honoriert wird das alles nicht - auch Biobauern erhalten immer weniger Geld und leiden zudem unter Wettbewerbsverzerrungen. Wenn die konventionellen Kollegen Getreide verbrennen, weil es sich rechnet, dann könnten ja die Biobauern ihr Zubrot mit Biogas verdienen - oder? Warum nicht die benötigte Energie selbst produzieren? Dass Bauern Energie für den Rest der Gesellschaft erzeugen, ist ein Chance, aber noch nicht zu Ende gedacht. Weder sind alle Techniken effizient bzw. ökonomisch, noch sind alle Fragen geklärt. Solange konventionelles Vieh via Kraftfutterimport "am la Plata" weidet, gälte es für die Politik zunächst, dieses Einsparpotenzial zu nutzen. Sonst verheizen die konventionellen Kollegen indirekt den Regenwald, um hier politisch korrekten Biosprit zu erzeugen.

 

Mit dem Biogasboom droht auch ein Paradigmenwechsel im Ökolandbau. Diskutierten Wissenschaftler 2005 bereits den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln im Ökolandbau, so ist in diesem Jahr die leichtverfügbare, mobile Nährstoffversorgung im Focus. Die vorliegende Ausgabe wirft daher einen eher kritischen Blick auf das Thema Biogas. Seit ca. 20 Jahren gibt es Biogaspioniere im Ökolandbau und bei Demeter, meist mit Kleinanlagen, oft Eigenbau. Als wir vor zehn Jahren Biogas thematisierten, gab es gerade 150 Betriebe, heute sind es 4500. Im aktuellen Boom geht es vor allem um größere Einheiten, um den Einsatz von Co- Substraten, angebaut oder zugekauft, und ums Geschäft. Seit den Anfängen aber sind wesentliche Fragen nach wie vor ungeklärt: Wie nachhaltig ist die Bodenfruchtbarkeit? Welche Qualität haben die Erzeugnisse? Diese Fragen bearbeitet auch heute niemand, nur ein kleiner Versuch läuft bei Demeter Bauern in Süddeutschland, angeregt durch eine vorläufige Untersuchung für Gut Rheinau in der Schweiz. Offen ist vor allem: Gibt es, hinsichtlich Boden und Qualität, Unterschiede bei den Anlagentypen und Verfahren? Wann setzt man am besten die biodynamischen Präparate ein? Soll man Luft oder Licht einbringen? Gibt es andere Methoden der "Nachbereitung"?

 

Ganz vergessen wird in der Euphorie das Energiesparen. Man findet wenig darüber, dabei lassen sich hier relativ einfach und klimafreundlich Kosten senken. Aber nachwachsende Rohstoffe, aufgepeppt mit Gentechnik, das klingt einfach besser für Investoren als spritsparende Reifen oder Umstellen auf Ökolandbau. Bauern sind mehr als Produzenten von Biomasse - die macht nicht satt. Die aktuelle Chance nutzen, ohne die Lebensmittelerzeugung entwerten zu lassen - darauf wird es ankommen, wenn der Landwirt auch Energiewirt wird.

 

Ihr