Editorial

Es geht um mehr als nur die Wurst

Nach Jahren des Dornröschenschlafes boomt die Nachfrage nach Öko-Fleisch. Schlecht, dass es keine spezialisierte Schweinewirtschaft wie im konventionellen Bereich gibt. Das Ideal der Öko-Pioniere, eine möglichst vielfältige, gemischte, Landwirtschaft mit möglichst geschlossenen Betriebskreisläufen zu betreiben, steht der im Agrobusiness arbeitsteiligen Auffaserung entgegen. Doch kann man andrerseits mit einer Handvoll Schweinen je Hof als Resteverwerter zwar Freunde, aber keinen Markt bedienen. Wen wundert´s also, wenn Berater und Verbände regelrecht konventionelle Ferkelerzeuger und Mastbetriebe als Umsteller werben. Denn es gilt, nicht nur Engpässe zu beseitigen, sondern auch im KnowHow nachzulegen.

Ein paar Schweinchen verschiedenster Rassen, die quasi von alleine fett werden, der Gemischtbetrieb also, kann hier selten mitspielen. Wie beim Geflügel ist hier Spezialisierung nötig. Ferkelerzeuger, Mäster, Lieferanten von Futterbestandteilen müssen zusammenarbeiten und das am besten eng abgestimmt mit Abnehmern bzw. Verarbeitern. Wie mühevoll das ist, erkennt man daran, dass bis vor kurzem noch 100% Biofutter nur vereinzelt realisierbar war, mangels Rohstoffen zur Eiweißergänzung, die das konventionell übliche Sojaschrot ersetzen. Also kommt es beim Aufbau der Erzeugung von Öko-Schweinen auf Verknüpfung wie auf Arbeitsteilung an. Auch bei der Versorgung mit Ferkeln ist das so, denn Fütterung und Qualitäten werden durch Herkunft und genetische Grundlage bestimmt, manche Verarbeiter setzen daher auf Betriebe, die ihre eigenen Ferkel erzeugen und mästen - geschlossenes System.

Aber in der Vielfalt liegen auch Chancen - bei den Rassen wie bei einer Mast, die von Futter, Umfang, Intensität und Markt her zum jeweiligen Ökobetrieb passt.

Ein Schwein ist mehr als nur ein Fleischlieferant. Dass es wie wir nackt und intelligent ist, mag der Hauptgrund sein für Aversion oder Zuneigung zu diesem Tier, die sich auch in der Sprache spiegelt. Seinen Bedürfnissen auch in der Haltung gerecht zu werden, ist zwar im Ökolandbau geregelt. Aber den Luxus eines Weideauslauf haben nur die wenigsten Öko-Schweine. Freilandhaltung, wie sie in andern Ländern auch konventionell verbreitet ist, ist auf Ökobetrieben eher selten. Ob es an deutschen Hygienevorschriften und teuren Einzäunungen liegt oder daran, dass sich die Öko-Schweinemast bisher ohnehin kaum rechnet: klar ist, dass ohne sachkundige Spezialisierung weder den Tieren etwas geboten werden kann, noch den Kunden und auch die Ökonomie auf der Strecke bleibt.

Doch auch wenn Ferkelerzeugung, Mast und Haltung im Ökobereich mal eingespielt sind, tun sich weitere Fragen auf, die eine engere Vernetzung als bisher erfordern: Das fängt dabei an, wie alt ein Schwein werden darf: Extensive Mastverfahren lassen Schweine älter werden - was aber entsprechende Vermarktung braucht. Aber sollen Ökobauern Babyferkel vermarkten, die frisch abgesetzt und kleiner noch als Spanferkel auf den Grill kommen? Wie lässt sich die Tiergesundheit verbessern? Die ist zwar so gut wie in konventionellen Betrieben mit Antibiotikaversorgung, könnte aber besser sein. Auch bei der Kastration gibt es sinnvolleres, denn nur jede zehnte Eber duftet ungenießbar, hier wäre an Erkennungsmethoden zu forschen. Und: auch der letzte Gang eines Schweins kann in vielen Fällen sicher angstloser für das Tier gestaltet werden.

Also gibt es noch einiges zu tun, was die Ökoverbände nur gemeinsam und mit anderen Partnern und mit den Kunden stemmen können.

Ihr