Editorial

Faktor 5

Runterdrehen, Abschalten, Recyceln und zu Fuß gehen, das ist das, was die EU ihren Bürgern unter anderem nahe legt, um das Klima zu schützen. Das reicht nicht. Dass man mit der Umstellung auf Ökolebensmittel die Klimawirkung der Ernährung halbiert, erwähnt sie (noch) nicht: Statt pro Kopf und Jahr (in Deutschland) ca. 1650 kg CO2 für Lebensmittel auszustoßen, sind es mit regionalen und saisonalen Ökolebensmitteln weniger als die Hälfte der Treibhausgase: 770 kg. Eine Ersparnis von 880 kg, 7% des durchschnittlichen Gesamtausstoßes pro Kopf und Jahr, immerhin ca. soviel wie mit der Umstellung auf grünen Strom und Energiesparlampen zusammen. Ohne Fleisch wird das nochmal erheblich weniger.

 

Landwirtschaft und Ernährung können also einen Beitrag zum Klimaschutz leisten – mit mehr Ökolandbau oder extensiverer Produktion und mit klimaoptimiertem Wirtschaften, vom Geräteeinsatz bis zum Humusaufbau.

Zwar wird die Schlacht ums Klima nicht in der Landwirtschaft geschlagen – in Deutschland ist der Anteil der Landwirtschaft am Klimaumsturz 13%, im Weltmaßstab mehr als 15 %. Doch läuft die Diskussion schon heiß, welche Art Landwirtschaft die klimafreundlichste sei, schließlich geht es auch um Pfründe und frische Investitionen, z. B. in Biomassekraftwerke. Statt 20 Kilometer mit dem Auto zum Biobauern zu fahren für einen Einkauf von 20, lieber in den Supermarkt um die Ecke? Dem Klima zuliebe Holland -Tomaten essen statt Biotomaten aus Spanien, wegen des kürzeren Transportwegs? Besser industrielle Maßstäbe als kleinbäuerliche, der Managementeffizienz der Großen Einheiten wegen? Von den kleinen Betrieben müsse der Ökoaufkleber ab, war neulich zu lesen.

 

Die Klimadiskussion wirft neue Fragen auf – alles wird mit dem Maßstab CO2- Äquivalent gemessen. Das ist aber nicht der einzige. Bei der Rechnerei schneidet der Ökolandbau nicht immer gut ab, doch werden wichtige Nebeneffekte bei gezielt einseitigen Betrachtungen häufig weggelassen. So ist das beim Vergleich von Ökokäse mit konventionellem Käse: weder der Humusverlust durch konventionelle Bewirtschaftung noch der Überseetransport von ca. 30 -40 % des konventionellen Kraftfutters (ggf. auch die Rodung) werden nicht einbezogen. Öko ist erst mal klar im Vorteil – weshalb auf´s Kilo Milch oder Mehl gerechnet wird, damit die industrielle Landwirtschaft hinsichtlich der Energieeffizienz etwas aufholt: deren Humusverzehr aber bleibt – samt CO2-Freisetzung. Einseitig ist auch das Propagieren von Biogas und Biosprit allerorten, wo durch die Energiebrille die Nachhaltigkeit verloren zu gehen scheint, wenn die Humusbilanz bzw. die Energieeffizienz nicht stimmt und zudem Raubbau an Ressourcen wie Artenvielfalt und Wasser droht.

Die Themen Humusaufbau und Minderung der Methanausdünstung der Wiederkäuer werden noch eine ganze Weile Bedeutung haben. Noch effektiver aber lässt sich Klimaschutz mit mehr Energieeffizienz erreichen, ob bei Wohngebäuden Ställen, Maschinen oder Kühlung und Transport. Unser Ölhunger verursacht schon genug Unfrieden.

 

Doch machen wir uns nichts vor, auch als umweltbewusst – sparsame oder – investitionsfreudige Verbraucher oder Erzeuger ist es ein sehr weiter Weg von 10,4 Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf im Bundesdurchschnitt hin zu vielleicht 2 Tonnen, Faktor fünf. Das wäre das Doppelte des aktuellen Pro-Kopf-Ausstoßes weltweit, eingedenk der Tatsache, dass wir uns gegen den Winter wappnen müssen. Ohne Zurückdrehen und technische Neuerungen ist das nicht zu erreichen.

 

Die Probleme sind nicht mehr unsere: unsere Kinder und Enkel müssen die Folgen unseres Luxuskonsums ausbaden. Und vor allem andere Weltengegenden. So ist stete Optimierung angesagt, im privaten wie im Beruf als Landwirt. Ansatzpunkte gibt es genug.

 

Ihr