Editorial

In Vino Veritas?

Weinkritiker sind oft merkwürdige Leute.

Da loben sie biodynamischen Wein in höchsten Tönen, aber für die Methode haben manche nur spöttische Skepsis. Oder sie bekunden Verständnislosigkeit, klassifizieren sie als irgendwie exotisch und nicht aus unserer Zeit, womit sie meinen rückwärtsgewandt, altbackene Tradition oder heile Welt.

 

Dabei ist genau ein solches Vorgehen der Führung der Natur innovativ, die sanfte Verfahrensweise der Zukunft. Nicht umsonst stößt „Biodynamik“ auf so großes Interesse, wie der Erfolg bei Spitzenweingütern zeigt, die alle „modernen“ Techniken ausgereizt haben. Mit biologisch-dynamischen Methoden machen sie mehr aus Boden und Rebe, produzieren noch bessere Weine.

 

Oft steht die technisch-mechanistische Betrachtungsart einem anderen Verständnis im Wege. Mir scheint das oft auch beim Geschmack der Fall zu sein. Eine Beschreibung muss sein, klar. Aber Aromen aufzählen, so wie andere Bonuspunkte sammeln? Einen Wettlauf funktionaler Lyrik zu plattesten Blüten treiben? (Ich warte auf den Wein zu Fischstäbchen und zur Frikadelle!)

 

Die Welt des guten Geschmacks mag eine spezielle sein, doch sagen mir solche Auflistungen wenig, nehmen mir die Neugier und stoßen mich eher ab: Es erinnert mich an Duftbäumchen. Auch ist die gleichzeitige Verkostung von Wein und Schokolade nicht meine Sache. Die Trinksitten und Vorlieben ändern sich. Kein Wunder, dass die Winzer jeden Wein machen, mit allen Mitteln.

 

Dazu passt die Frage, die der biodynamische Winzer und Autor Nicolas Joly an seine Kollegen stellt: Willst du „Wine-Maker“ sein oder „Nature Assistant“? Jolys Selbstverständnis als Winzer geht davon aus, die Natur zu begleiten und zu fördern, nicht hinterher im Keller zusammenbasteln, was irgendwie zusammenpasst und verkäuflich erscheint. Denn ist es nicht so: Kenner setzen auf Terroir. Und das ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Boden und Sonne, vermittelt durch die Pflanze. Dabei lenkt der Winzer, aber ohne die Reben zu zwingen. Was dem Laien nur als gradueller Unterschied erscheinen mag, macht aber den Unterschied, und deutlich mehr Arbeit. Die Natur werkeln lassen, ihr Gedeihen geschickt zu unterstützen, das kann sich auch im Keller fortsetzen. Ab diesem Jahrgang gibt es übrigens auch deutsche Demeter-Richtlinien für den Ausbau von Weinen.

 

So können Weine zum Erlebnis werden, Charakter zeigen, ehrlich überzeugen – was sich regelmäßig an den Preisen für biodynamische Winzer zeigt. Die gibt es inzwischen rund um die Welt, auch in Chile, Kalifornien, Südafrika. Insgesamt circa 8000 Hektar werden von mehr als 500 Winzern biodynamisch bewirtschaftet, ungefähr 215 davon Demeter-zertifiziert. In Deutschland arbeiten sie in einer frisch gegründeten Fachgruppe zusammen.

 

Die Begeisterung erfahrener Winzer, die praktischen Erfolge, die Ausbreitung biodynamischer Verfahren auf den Weingütern und der Zuspruch bei den Kennern und Kunden können übrigens auch Ermutigung für die Demeter-Landwirte und -Gärtner sein, intensiver biodynamisch zu arbeiten bzw. ihre Leistungen zu verdeutlichen.

 

 

Ihr