Editorial

Zwischen Sonne und Erde

Aktuell werden die alten Hüte wieder aus der Mottenkiste geholt: Biodiversitätsflächen für den Anbau nutzen, Agrarwende und Ökolandbau hintanstellen, Landwirtschaft bitte ordentlich mit Chemie und Kunstdünger. Jedenfalls in der Politik. Die Agrarkonzerne sind da schon weiter, bieten Biostimulanzien an, beginnen an einer zweiten, mehr natürlichen Schiene zu arbeiten.

Denn: Kunstdünger, also Stickstoff ist gerade teuer, schon vor dem Überfall auf die Ukraine. Er muss mit großen Mengen an Energie der Atmosphäre abgerungen, synthetisiert werden: das trieb schon seit Herbst die Preise. Hierzulande haben wir weder billige Energie noch relevante Düngerfabriken. Der Vorteil des Ökolandbaus wird gerade größer, denn er nutzt intensiv das Zusammenwirken von Luft, Leguminosen und Bodenlebenwesen, um Stickstoff in den Betrieb zu holen. Mehr oder weniger gratis, die Opportunitätskosten finden sich in der dazu passenden Fruchtfolge.

Denn darum geht es doch eigentlich: Das Geschenk der Sonne durch Photosynthese optimal für die Erde nutzen: erst so wird Leben, wie wir es kennen, auf diesem Planeten überhaupt möglich, aus Liebe und Luft.

Beim Klee ist es sehr anschaulich, wie eng Boden und Pflanze zusammenwirken, ja im biodynamischen Verständnis eigentlich eine Einheit sind. Wer sich die Wurzeln natürlicher Pflanzenbestände in ungedüngtem Boden anschaut, entdeckt die Mykhorrhiza, den pilzlichen Pelz um die Wurzelfasern. Sie vergrößern die Wurzeloberfläche bis zum 50fachen. Wissenschaftler nennen diese untergründigen Beziehungen z. B. im Wald „wood wide web“. Über die mikrobiell verknüpften Wurzelbahnen können je nach Bedingungen sogar Nährstoffe von einer Pflanze zur anderen weitergegeben werden.

So ernährt der Boden nicht nur die Pflanze, sondern auch umgekehrt versorgt die Pflanze mit umgewandeltem Licht, mit Kohlenhydraten das Bodenleben, gemeinsam erschließen sie die mineralische Erde. Biodynamisch zu arbeiten ist der Versuch, das zu optimieren, da kommen dann Kompost, Präparate und die Kuh dazu, wissenschaftlich unstrittig, erfolgreich.

Doch seit jeher begleitet die Biodynamik und den Ökolandbau die Frage, ob das reicht. Gemessen am konventionellen Ertragsniveau und mit Blick auf die Forderung nach Intensivierung des Ökolandbaus verschärft sich die Frage. Bei Intensivgemüsebau gelingt das nur wenigen Betrieben. Und je nach Bodenart und Gestein muss man die optimalen Bedingungen nachjustieren, z.B. mit Kalk, Kali, Phosphor, Schwefel oder Gesteinsmehl – in biodynamisch geeigneter Form.

Geeignete Fruchtfolgen und eine Bodenbearbeitung, die den Unterboden erschließen, Anbauverfahren, die das Bodenmikrobiom aktiv halten, helfen da ebenfalls. Doch besteht auch Entwicklungsbedarf, für vieharme Betriebe, oder um vom konventionellen organischen Handelsdünger wegzukommen, wie es Demeter-Gärtner überlegen.

Aus dem biodynamischen Bild der organismisch angelegten Betriebskreisläufe liegt daher nach wie vor das Nutzen der Tierhaltung nahe – wie wäre es mit regionalen Kooperationen von Gärtnern und Tierhaltern? Und: ein Organismus wird durch Kräfte zusammengehalten. In diesem Sinne meinte Rudolf Steiner, seien die biodynamischen Präparate auch Dünger, Kräftedünger.

 

Herzlichst Ihr