Ernährung & Lebensmittel

Charta für die Gemeinschaftsverpflegung

Wie Großküchen anthroposophische Aspekte berücksichtigen

Großküchen haben oft einen schlechten Ruf: Mensaessen muss billig sein. Um dem etwas entgegenzuhalten, im Sinne einer Wertschätzung der Prozesse rund um Anbau, Produktion, Zubereitung und dem Verzehr von Lebensmitteln, setzt sich ein Dornacher Ernährungskreis für die Gemeinschaftsverpflegung ein: Elf Experten für Ernährung mit Erfahrungen in anthroposophisch orientierten Arbeitsfeldern haben nun in einer Charta öffentlich Stellung bezogen.

Um mehr darüber zu erfahren, haben wir Dr. Jasmin Peschke, Leiterin der Koordinationsstelle für Ernährung am Goetheanum, dazu befragt.

Frau Peschke, wie kam es zum Verfassen der Charta?

Was wir heute in manchen Einrichtungen sehen – leider immer wieder auch in Pflegeeinrichtungen – ist ein Trauerspiel, weil am Essen gespart wird. Ernährung ist mehr, als etwas zu essen. Es geht um eine schmackhafte und abwechslungsreiche Verpflegung, um hochwertige Kost und schonende Zubereitung. Um diesen Gedanken auch wieder in Großküchen und der Gemeinschaftsverpflegung zu integrieren und umzusetzen, haben wir die Charta verfasst – um mit gutem Beispiel voranzugehen. Schließlich nehmen laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) täglich rund 17 Millionen Menschen in Deutschland an Leistungen der Gemeinschaftsverpflegung teil.

Was beeinflusst denn eine gute Mahlzeit?

Die Qualität unserer Lebensmittel hängt von vielen Faktoren ab: vom Saatgut, vom Boden, vom Anbau, vom Zeitpunkt der Ernte, von Lagerzeiten sowie von Verarbeitungsmethoden. Gesunde Ernährung bedeutet aber auch Genuss – doch der Kochalltag in der Gemeinschaftsküche ist oft stressig und von Kostendruck geprägt. Sich in hektischen Zeiten zu besinnen, ist eine wichtige und herausfordernde Aufgabe. Einer der Erstunterzeichner ist Heinz Fendrich, Küchenchef des Sonnenhofs Arlesheim in der Schweiz. Er betont, dass Haltung und Stimmung, die beim Kochen gepflegt werden, zur Qualität der Speisen beitragen. Daher sind ihm und weiteren Küchenchefs wichtig, dass die Köche sowie ihre Helfer Lebensmitteln achtsam begegnen und die Essensteilnehmenden einbeziehen – auch um Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Dazu zählt auch eine entspannte und bewusst gestaltete Atmosphäre beim Essen!

Wer hat die Charta unterzeichnet?

Elf Küchenprofis, Erzieherinnen, Ernährungs- und Lebensmittelfachleute aus einem privaten Arbeitskreis haben die Charta entwickelt und unterzeichnet. Die Idee ist, ein „living paper“ zu haben, das überarbeitet werden kann. Rückmeldungen sind willkommen! Ich selbst bin Mitglied des Arbeitskreises und habe die Veröffentlichung unter die Fittiche des Fachbereichs Ernährung an der Sektion für Landwirtschaft in Dornach genommen.

Wird es regelmäßige Treffen oder Arbeitsgruppen geben?

Vom Fachbereich Ernährung aus haben wir in den letzten Jahren Schulungen für Küchenpraktiker mit Theorie und Praxis sowie künstlerischen Kursen und Führungen am Goetheanum angeboten. Voraussichtlich nächstes Frühjahr kommt wieder ein Angebot.

Können andere Gemeinschaftsverpflegungen sowas denn auch machen?

Die Charta ist eine Art Rahmen, in dem Aspekte, die in ein eigenes Küchenkonzept integriert werden können, beschrieben sind. Jede Einrichtung hat Besonderheiten, die es zu berücksichtigen gilt. Sie soll anregen, das Verpflegungsangebot an einer gesunden Ernährung zu orientieren. Darum sollte es in erster Linie gehen, nicht um „Mäuler zu stopfen“ und möglichst schnell abzufertigen. Unsere Charta formuliert Rahmen und Grundsätze, die Realisierung vor Ort ist individuell. Von daher, ja – jede Einrichtung kann aktiv werden!

 

Autorin: Dr. Jasmin Peschke
Leiterin des Fachbereichs für Ernährung am Goetheanum, Dornach

nutrition(at)goetheanum.ch