Feld & Stall

Kartoffeln – biologisch-dynamisch

10 Punkte für einen erfolgreichen Anbau

von Erhard Gapp

 

„Und unter demjenigen, was die Menschen und Tiere seit der Erfindung des Kartoffelbaus in Europa materialistisch gemacht hat, ist gerade der übertriebene Kartoffelgenuß. Der Kartoffelgenuß darf nur so weit gehen, daß er in uns anregt das Gehirnmäßige, das Kopfmäßige. Aber man darf gerade den Kartoffelgenuß nicht übertreiben.“ sagt Rudolf Steiner im Landwirtschaftlichen Kurs. Achten Sie doch einmal darauf, wie Lebensmittel auf Ihre Befindlichkeit wirken. Fühlt man sich nach dem Essen eher dumpf, träge oder hell und wach?

 

Im Ackerbau jedenfalls lockert Kartoffelbau die Fruchtfolge auf und bringt interessante Deckungsbeiträge, wenn Ertrag, Qualität und Vermarktung stimmen. Voraussetzungen für erfolgreichen Kartoffelbau im Betrieb oder in Kooperation sind Standorteignung, Wissen, Können, Arbeitskapazität, funktionale Technik und geeignete Lagermöglichkeiten.

 

Optik, Geschmack und Kocheigenschaften der Kartoffel sind verkaufsentscheidend. Knollen mit Drycore*- und Drahtwurm-Löchern, Rhizoctonia-Pocken oder Schorf, Über- und Untergrößen lassen sich kaum vermarkten. Die Marktpartner erwarten jedoch die Lieferfähigkeit zugesagter Mengen. Pflegen Sie den Kontakt zu Ihrem Abnehmer, besuchen Sie seinen Betrieb, sprechen Sie frühzeitig über eventuelle Probleme, schaffen Sie Transparenz. So entsteht Vertrauen und Wertschätzung.

*(Symptom der Wurzeltöterkrankheit: Löcher in der Knolle)

Intuition als Werkzeug für biodynamischen Pflanzenbau schulen

Es gibt kein Anbaurezept für alle Standorte. Jeder muss die eigene Beobachtungsgabe schulen, um daraus die richtigen Erkenntnisse und Entscheidungen für seinen Standort und Betrieb zu entwickeln. Dr. Edwin Scheller hat wiederholt auf die Intuition als Instrument des Betriebsmanagements hingewiesen. Intuition als Fähigkeit, zur rechten Zeit das Richtige zu tun.

 

Im Ackerbau kann im einen Jahr die frühe Saat richtig sein, im anderen Jahr das Warten auf günstige Bodenbedingungen. Wer wartet, sollte aber auch schlagkräftig starten können. Er darf nicht, wenn es losgehen soll, Maschinen reparieren oder Saatgut abholen müssen. Intuitives Handeln braucht Entschlossenheit. Den einen günstigen Tag zur Saat, Pflege oder Ernte nutzen. Eine schwache Kultur jetzt umbrechen, neu säen, um Folgeschäden wie Verunkrautung oder mangelnde Stickstofffixierung durch lückiges Kleegras vermeiden. Vertrauen in die eigene Intuition entwickelt sich aus Erfahrung, persönlichem Bezug zur Fragestellung, kollegialem Austausch und meditativer Übung. Es braucht die vorurteilsfreie Wachheit für tragfähige Ideen und Zeiten mit innerem Freiraum, mit Abstand zum alltäglichen Gedankenstrom. Die gibt es zum Beispiel beim Präparaterühren. Manchmal.

Schlagauswahl, Ackerschachtelhalm-Präparat

Ein guter Kartoffelboden ist humos mit guter Wasserführung, tief durchwurzelbar und siebfähig, er enthält 15–20 mg Kali (CAL), keine organischen Reststoffe und wenig Drahtwürmer. Der Drahtwurmbesatz lässt sich bei warmem, feuchtem Boden im Herbst oder Frühjahr mittels Spatenprobe abschätzen. Sie können auch an zehn Stellen im Feld je eine Handvoll gequollenes Getreide in ca. 20 cm Tiefe eingraben. Die CO2-Ausgasung der Keimlingswurzeln lockt Drahtwürmer aus 20 cm Entfernung an. Nach zehn Tagen kontrollieren: Finden Sie mehr als 6 Drahtwürmer, deutet das auf hohen Besatz hin. Ackerschachtelhalm-Präparat, zwischen November und Juni 6 bis7 Mal auf den Boden bzw. Bestand ausgespritzt, beugt Pilzkrankheiten vor, dämmt das Wässrig-Mondenhafte im Boden ein und fördert die Knollenqualität.

Fruchtfolge-Wirkungen: Drahtwurm, Rhizoctonia, Drycore

Körnerleguminosen vor Kartoffel können Drahtwurmschäden reduzieren. Getreide ohne Untersaat, einjähriges Kleegras und Zwischenfrüchte mit Ölrettich sind günstige Vorfrüchte, Mais und Roggen eher ungünstig. Kleegras atmet atmosphärischen Stickstoff in den Boden ein. davon profitieren drei Folgekulturen. Mehrjähriges Kleegras kann aber Drahtwurm- und Rhizoctoniaschäden fördern. Unter Kleegras legen Schnellkäfer im Juni ungestört Eier ab. Deren Larven, die Drahtwürmer, durchlaufen einen 3- bis 5-jährigen Entwicklungszyklus im Boden. Sie haben einen Aktionsradius von ca. sechs Metern. Im 3. bis 5. Entwicklungsjahr fressen sie bei trockenen Bedingungen ab Mitte Juli die Knollen an und ziehen sich Ende September in tiefere Bodenschichten zurück.

 

Älteres Kleegras, Stroh und überständige Gründüngung mit weitem C:N-Verhältnis rotten langsamer als junges Grüngut. An unverrotteter organischer Substanz im Boden vermehren sich Rhizoctonia-Pilze, damit steigt das Infektionspotenzial. Von Rhizoctonia befallene Pflanzen zeigen Minderertrag, Knollendeformationen, schwarze Pocken auf der Knolle und Drycore-Löcher. Strukturschäden, mangelnde Durchlüftung, Nässe und hohe Bodentemperaturen begünstigen die Krankheit.

 

Bodenverdichtung und Wassersättigung bewirken Luftmangel im Boden. Darauf reagiert die Knolle mit Öffnung der Atmungszellen, erkennbar an weißen Pusteln. Rhizoctonia-Hyphen können nun leicht in die geöffneten Lentizellen oder in Drahtwurm-Fraßlöcher eindringen. So entstehen die 3 bis 6 mm tiefen, verschorften Drycore-Löcher an der Knolle.

 

Rhizoctonia beugt man am besten vor mit frühem Kleegrasumbruch, und der Gabe Rottemist schon zur Zwischenfrucht. Kleegras kann zur Rottebeschleunigung bereits Mitte Juli bis Mitte August umgebrochen werden. Dann, bei Sonne im Löwen weist der Boden das beste Humusbildungsvermögen auf. Eine Fladenpräparat-Spritzung zum Umbruch unterstützt den Humusbildeprozess. Eine nachfolgende Zwischenfrucht z. B. aus 30 kg Sommerwicke, 10 kg Perserklee, 5 kg Phacelia und 3 kg Ölrettich (jeweils je ha) mit Zufuhr von Rotte­mist oder Kompost und Pflugfurche im November bringt im Frühjahr einen garen Boden mit wenig organischen Resten.

Die richtige Sorte

Die Sorte hat mehr Einfluss auf Qualität und Ertrag als andere produktionstechnische Faktoren. Ihre Wahl richtet sich nach der Vermarktung und Standorteignung. Vorteilhaft sind ein früher, moderater Knollenansatz, eine Trocken- und Rhizoctoniatoleranz, geringe Schorfneigung, gute Krautgesundheit und Lagereignung. Sortenhinweise finden Sie bei Ihrer Demeter- Beratung oder unter http://www.lfl.bayern.de/iab/landbau/030541 bzw. unter http://www.oekolandbau.nrw.de/fachinfo/pflanzenbau/kartoffeln/chk_jan2013_oekokartoffelversuche.php.

Gesundes, vorgekeimtes Pflanzgut

Pflanzgut aus biodynamischer Vermehrung ist nach den Demeter-Richtlinien bevorzugt einzusetzen. Demeter-Pflanzgut kann in Verbindung mit biodynamischen Präparaten die einseitige Wirkung der Kartoffel positiv beeinflussen und ans Lichthafte heben. Pflanzgut sollte mittels Keimtest geprüft werden: 100 gewaschene Knollen sollten maximal 20 % Rhizoctonia-Pocken aufweisen. Braune Flecken deuten auf Silberschorf, Braunfäule oder die neuartige Welkekrankheit Colletotrichum hin. Befallene Knollen eignen sich nicht als Pflanzgut. Mehrjähriger Nachbau virusanfälliger Sorten kann Mindererträge bis 40 % und Ringne­krosen im Lager durch den Y-NTN-Virus bewirken. Ein Keimtest in Kisten mit Blumenerde bei Zimmertemperatur gibt Aufschluss über die Anzahl Triebe je Knolle, die Triebkraft und Keimlingsentwicklung.

 

Vorkeimen ist die wichtigste ertragsstabilisierende Maßnahme: Solches Pflanzgut bringt eine schnelle Jugendentwicklung und frühen Knollenansatz, was wiederum Ertragsverluste durch Rhizoctonia und Krautfäule mindert. Etwa 4 bis 10 Wochen vor dem Pflanzen, je nach Sorte, beginnen Sie mit dem Vorkeimen in weißen Kisten. Keimstimulierung bei 6 bis 10 °C fördert Nebentriebe (gut für Agria mit wenig Knollenansatz), höhere Temperaturen fördern apikale Dominanz (gut für Melina und Nicola). Stabile Keime erhält man durch Belichtung mit Leuchtstoffröhren, anfangs 12 Stunden mit 150 Watt/t Pflanzgut, später länger belichten. Die Luftfeuchte soll bei 70 bis 85 % liegen, höhere Feuchte fördert Wurzelbildung. Tägliches Lüften im Vorkeimraum fördert die Luftzirkulation und vermeidet schädliche CO2-Konzentrationen.

 

Mit einer vorbeugenden (Trocken-) Beizung der Pflanzknollen mit FZB 24 oder Proradix gegen Rhizoctonia direkt vor dem Pflanzen kann man nicht viel falsch machen. Kosten und Aufwand sind moderat. Wenn in vier Jahren einmal eine Minderung der Rhizoctonia erreicht wird, hat sich der Aufwand gelohnt.

Frühe Pflanzung, schnelles Auflaufen, Hornmist

Vorgekeimte Knollen werden bei tragfähigem Boden ab 5 °C Bodentemperatur, nicht vorgekeimte ab 8 °C Bodentemperatur und eher flach gepflanzt. Der Boden sollte bis 5 cm unter Ablagetiefe gelockert sein. Reihenabstände von 75 oder 90 cm und die Ausrichtung der Reihen in Windrichtung Ost-West sorgen für schnelle Abtrocknung und beugen späterem Krautfäulebefall vor. Unnötige Überfahrten sollte man vermeiden, ideal ist die Pflanzung mit der Kreiselegge an der Front und der Pflanzmaschine am Heck direkt in die herbstliche Pflugfurche. Pflanzung kurz vor Neumond kann sich ertragsfördernd auswirken. Das Hornmistpräparat zur Pflanzung bereitet den Boden auf das Tragen einer neuen Kultur vor.

Düngung und Nährstoffe

Die Kartoffel benötigt für gute Erträge sortenabhängig 80 bis 100 kg N aus dem Bodenstoffwechsel. Zusätzliche organische Dünger zeigen Wirkung auf Ertrag und Qualität: 150 dt/ha Kompost (ca. 100 kg N) bringen Mehrerträge bis ca. 20 dt/ha. Die mehrjährige Kompost-Zufuhr bringt zunehmende Mehrerträge durch bessere Wachstumsbedingungen aufgrund steigender Humus­gehalte, verbesserter Bodenstruktur, suppressiver Wirkung auf Schadpilze (Rhizoctonia, Fu­sarium, Pythium) und Nährstoff-Zufuhr.

 

200 dt/ha Stalldung (ca. 100 kg N) bringen Mehrerträge bis ca. 30 dt/ha. Festmist bewirkt Bodenlockerung, höhere Umsetzungstätigkeit und Nährstofffreisetzung im Boden.

 

Rottemist kurz vor der Pflanzung kann Rhizoctonia fördern, deshalb sollte man Mist zur Zwischenfrucht geben. 30 m3 Gülle /ha (ca. 100 kg N) bringen Mehrerträge bis ca. 40 dt/ha.Bei hohen Güllegaben kann es aber zu Verschlämmung und schlechteren Wachstumsbedingungen kommen.

 

Organische Handelsdünger (50 bis 100 kg/ha N) bringen im Durchschnitt folgende Mehrerträge (dt/ha): Ackerbohnenschrot 30 dt, Hornspäne 34 dt, Haarmehlpellets 38 dt. Diese Dünger erhöhen den Nitrat-Gehalt der Knollen, die Lagerfähigkeit kann abnehmen. (Quelle: Dr. Hartmut Kolbe, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, 2006)

 

Alle Maßnahmen zur Verbesserung der Durchwurzelbarkeit des Bodens fördern die Kalianeignung der Pflanze. Ausreichende Kaliaufnahme verringert die Schwarzverfärbungs-Neigung und fördert die Trocken- Krankheits- und Beschädigungstoleranz. Auf Mangelstandorten können 60 kg/ha Kali als Kalimagnesia vor dem ersten Häufeln ausgebracht werden. Mit 200 dt/ha Rottemist wird immer genügend Kali zugeführt. Auch die Phosphat-Gehalte steigen nach Mistdüngung etwas an, das ist günstig für die Ausreife und Lagerfähigkeit.

Bestandespflege, Hornkiesel

Details zur Ernteverfrühung durch Vliesabdeckung, Tropfbewässerung oder Dammbegrünung erfragen Sie bei der Demeter- Beratung. Halten Sie die Schläge queckenfrei, Quecken ziehen Drahtwürmer an. Achten Sie auf ausreichenden Abstand des Schlepperrades und der Werkzeuge zur Kartoffelwurzel. Auf Bodenverpressung und Wurzel­abriss reagiert die Kartoffel mit Minderertrag. Ob zwei oder drei Durchgänge mit Hacken, Dammstriegel, Häufeln oder die Dammfräse zum Einsatz kommen, entscheidet sich jedes Jahr neu. Beim letzten Häufeln auf gute Erdabdeckung achten, Dammrisse vor der Ernte können durch Walzen teilweise geschlossen werden.

 

Um den Kartoffelkäfer in Schach zu halten behandelt man sobald die ersten Larven an der Blattunterseite erscheinen: zuerst mit Neem-Azal (Häutungshemmer) dann zwei bis drei Tage später mit Novodor (Fraß­stopp), jeweils mit voller Aufwandmenge. Mit geeigneter Technik (Drop-Legs) am Spritzgestänge erreicht man die Blattunterseiten. Nicht bei praller Sonne, nur bei bedecktem Himmel und Temperaturen unter 25 °C oder abends spritzen.

 

Gegen Krautfäule lohnt der Einsatz von Magermilch, Molke, Grapefruitkernextrakt, energetisiertem Wasser usw. meist den hohen Aufwand nicht. Wirksamer sind Vorkeimen, Sortenwahl und Optimierung der Wachstumsbedingungen. Die rhythmische Anwendung von Hornkiesel an drei aufeinanderfolgenden Tagen zur gleichen Uhrzeit kann die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Phytophthora machen.

Frühe Ernte und Kühllager: Reduzieren von Drahtwurm- und Rhizoctonia-Schäden

Ab Mitte Juli nehmen Drahtwurm- und Rhizoctonia-Schäden von Woche zu Woche sprunghaft zu. Früh Roden ist die entscheidende qualitätssichernde Maßnahme. Frühe Ernte setzt aber zwingend ein Kühllager voraus. Die meisten Sorten sind ab 12 bis 13 % Stärkegehalt lagerfähig. Für einen einfachen Stärketest schneidet man die Knolle mittig durch – die Hälften müssen gut durchgefärbt sein (max. 3 mm heller Rand) und beim aneinander Reiben Schaum bilden. Machen Sie einen Kochtest. Stimmt der Stärkegehalt, dann kann die Knollenabreife durch ggf. mehrstufiges Krautschlägeln beschleunigt werden. Etwa drei Wochen später ist die Schalenfestigkeit erreicht. Beim Roden ist auf geringe mechanische Belastung der Knollen zu achten! Nach der Ernte muss die Knolle innerhalb von 24 Stunden abtrocknen, um gut lagerfähig zu sein. Kartoffeln in Großkisten können unter einem Vordach im Luftzug trocknen oder mit Stretchfolie umwickelt und belüftet werden.

Lagerhygiene, Lagerbedingungen

Um Infektionen durch Pilzsporen im Staub vom Vorjahr auszuschließen, sollte das Lager mittels Hochdruckreiniger gereinigt und mit Menno-Florades desinfiziert werden. Die Endlagerung erfolgt je nach Sorte bei konstanten 4 bis 6 °C und 90 bis 95 % Luftfeuchte. Hohe CO2-Gehalte im Lager bewirken vorzeitige Alterung und Keimung, also sollte man täglich lüften. Zum Sortieren und Auslagern sind die die Knollen auf 10 bis 12 °C anzuwärmen, kalte Knollen neigen zur Schwarzverfärbung und sind ex­trem beschädigungsempfindlich.

Zum Abschluss: Reflektieren

Was habe ich dieses Jahr gelernt? Was will ich nächstes Jahr besser machen? Diskutieren Sie mit Kollegen, mit der Beratung. Schreiben Sie Stichworte auf. Legen Sie den Stichwort-Zettel so, dass er Ihnen im Frühjahr in die Hände fällt, z. B. zu den Unterlagen für den gemeinsamen Förderantrag. Vielleicht schauen Sie dann mal rein und aktivieren die eine oder andere Erkenntnis im nächsten Jahr.

Autorennotiz

Erhard Gapp, Beratungsdienst ökologischer Landbau Ulm e.V., Schillerstraße 30, 89077 Ulm