Hintergrund

Fairer Handel und heimische Landwirtschaft

Chancen und Erfolgskriterien: Interview mit Prof. Martina Schäfer

 

Frau Prof. Schäfer, sie begleiten die Initiative „fair & regional” in Brandenburg, an der Demeter-Mitglieder beteiligt sind und vergleichen in einem Projekt des Bundesprogramms Ökologischer Landbau mehrere Ansätze, die sich um „Fairness” bemühen. Wem bringen solche Initiativen etwas?

 

Nun, die Initiativen sind alle relativ jung, so dass es noch keine harten Zahlen zum wirtschaftlichen Nutzen für die Erzeuger gibt. Auf der Hand liegt aber ein klarer Mehrwert für solche Betriebe, die sich bereits seit Jahren als Pioniere sozial und ökologisch engagieren. Damit zeigen sie, wie z. B. der Demeter-Betrieb „Ökodorf Brodowin”, die Demeter-Bäckerei Märkisches Landbrot, die Upländer Bauernmolkerei oder die Brauerei Neumarkter Lammsbräu, dass sie vorangehen und neue Standards setzen. Das trägt zu ihrer Glaubwürdigkeit bei.

Schaut man genau, z. B. bei der Brandenburger „fair&regional”– Initiative rund um Märkisches Landbrot, so gibt es dort bereits seit einigen Jahren Gesprächsrunden mit Lieferanten zu Preisen und Qualität auf Grundlage verlässlicher, langfristiger Lieferverträge. Dabei liegt der Preiskorridor in der Regel im oberen Drittel. Solche bereits vorher existierenden Strukturen bekommen nun einen Rahmen. Darüber hinaus erhöht z. B. die Brandenburger Initiative die Auswahl an regionalen Bio-Produkten mit ihrem Angebot wie Apfelsaft, Wurst oder Eintopf – im Osten gibt es da ja noch Nachholbedarf. Insgesamt wächst das Verständnis der Marktpartner füreinander, es wird intensiv diskutiert und es werden auch Verbesserungen in den Betrieben angestoßen. Inzwischen sind dazu Betriebsentwicklungsgespräche eingeführt, eine Art Jahresgespräch zu Zielen und Vorhaben. Die Betriebe regen sich hier auch gegenseitig an, sei es zu Ökostrom oder Einkaufsgutscheinen für Mitarbeiter. In Zeiten, wo es am Markt zunehmend auf Werte ankommt, liegt eine solche Profilierung im Trend.

 

Wird dieser Ansatz als mehr als nur eine Marketingidee wahrgenommen?

 

Sie fragen nach der Kundensicht. Die Initiativen unterscheiden sich nach dem Stellenwert des Marketing. Der Verein „BestesBio-fair für alle” zertifiziert und kontrolliert, bisher aber nur Verarbeiter. Fair&regional hat dagegen den Anspruch, regional unterschiedliche Akteure der ganzen Wertschöpfungskette zu integrieren, das ist aufwändiger und braucht andere Wege. Marketing ist für die Landwirte weniger wichtig als für die Verarbeiter und den Handel, die stärker an einer Profilierung interessiert sind. Für Verbraucher steigt dadurch mittel- und langfristig die Glaubwürdigkeit, ein Pluspunkt mehr, aber kein entscheidender. In Berlin ist vor allem Regionalität das Thema.

 

Was sind die Voraussetzungen, dass eine „fair”-Initiative in der Ernährungsbranche erfolgreich sein kann?

 

Als erstes braucht es Zugpferde, Menschen, die das als Betriebsleiter oder Geschäftsführer leben. Dann sollten vorab Ausrichtung und Prioritäten geklärt werden: Will man mehr in Richtung interne Standards oder Kodex zum Umgang miteinander gehen oder will man den Auftritt nach außen mit professionellem Logo und Kontrolle? Drittens ist die kontinuierliche Bearbeitung, Durchdringung nötig. Und viertens sollte zügig eine kritische Masse erreicht werden mit attraktivem Sortiment und Qualitäten.

 

Wäre eine Zertifizierung nicht vertrauenswürdiger im Hinblick auf die Kunden?

 

Das kommt darauf an, wo es hingehen soll. Für eine offensive bundesweite Vermarktung und Kundenansprache ist ein Siegel einfacher. Doch hat derzeit keine Initiative zufriedenstellend gelöst, an was ein Kontrolleur fairen Umgang festmachen soll. An Preisen im oberen Drittel, die evtl. zum Überleben landwirtschaftlicher Betriebe doch nicht ausreichen? An Mindestlöhnen? Harte Kriterien sind ein Problem, meines Erachtens geht es eher um eine schrittweise gemeinsame Entwicklung und das Bemühen um gegenseitiges Verständnis. Dafür sind die genannten Betriebsentwicklungsgespräche evtl. gut geeignet. Eine rein externe Kontrolle birgt die Gefahr der Pseudotransparenz.

 

Welche guten Beispiele können Sie empfehlen?

 

Für die professionelle Variante mit Geschäftsstelle, externer Zertifizierung und durchdachtem Marketing „Bestes Bio – fair für alle”. „Fair & regional Berlin-Brandenburg” steht für das Experiment, mit allen Akteuren der Wertschöpfungskette einen Prozess der gemeinsamen Weiterentwicklung in der Region anzustoßen. Eine Charta beschreibt die Kriterien, im Betriebsentwicklungsgespräch geht es dann um soziale und ökologische Aspekte sowie den fairen Umgang miteinander. Die „Fairen Partnerschaften” und die Initiative „regional & fair” des Biokreis zeichnen besonders engagierte Betriebe aus, was diese in ihrer Vorreiterrolle stärkt .

Einen besonderen Ansatz verfolgt die Regionalwert AG am Kaiserstuhl, die als Bürger-Aktiengesellschaft einem sozial-ökologischen Mehrwert verpflichtet ist. Kunden werden hier als Investoren stärker in die Pflicht genommen und es wird ermöglicht, unabhängig von Banken in die Dinge zu investieren, die für sinnvoll gehalten werden. Angesichts der Abhängigkeit der anderen Initiativen und Betriebe vom Marktgeschehen langfristig ein zukunftweisender Weg.

Letztlich haben alle diese Initiativen ihre Stärken und begeben sich auf Neuland, was äußerst anerkennenswert ist. Was diese Entwicklung langfristig bedeutet – für die wirtschaftliche Lage und das Profil der Einzelbetriebe, aber auch für das Bemühen der Bio-Branche, „anders” zu wirtschaften, kann erst die Zukunft zeigen.

 

Ökologisch und fair

fair & regional

ist eine überverbandliche Initiative für eine faire, soziale und umweltverträgliche Bio-Branche in der Region Berlin-Brandenburg. Dazu haben sich 22 Öko-Höfe und -verarbeiter, viele Demeter-Partner, auf eine Charta mit 14 Kriterien verpflichtet, die vier Bereiche abdeckt: Nachhaltige Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, soziale Kriterien, Umweltengagement sowie als viertes Transparenz und Kommunikation. Am jährlichen „Runden Tisch” jeder Produktgruppe, werden gemeinsam die wirtschaftlichen Eckpunkte wie Liefermengen, Preise etc. besprochen. Jedes Unternehmen wird jährlich im Rahmen eines Betriebsgesprächs besucht, um Umsetzung und Entwicklung zu dokumentieren. Die Ergebnisse werden auf der Hauptversammlung und im Internet dargestellt. Ein „fair&regional-Ausschuss” aus externen und internen Mitgliedern dient als Klärungsstelle. Geworben wird mit eigenem Logo und Materialien im Naturkosthandel.

http://www.fair-regional.de

 

Erzeuger- fair Milch

Von einem guten Dutzend Öko-Landwirten 1996 gegründet, um die eigene Milch zu verarbeiten, ist die Upländer Bauernmolkerei heute mit 130 Betrieben ein Vorbild für die kreative Lösung der Milchvermarktung. Seit 2005 bietet sie im Naturkosthandel „Erzeuger-fair-Milch” mit einem Aufschlag von 5 Cent an, die direkt zum Landwirt durchgereicht werden. Vorangegangen waren Kundenbefragungen und Tests, Anfangs mit einem zusätzlichen zu erwerbendem Aufkleber – einer Art „Fair-Marke”. Das Projekt ist gut dokumentiert auf der Website:

http://www.bauernmolkerei.de

 

 

 

 

 

 

 

Bestes Bio – fair für alle

Mit eigenem Logo und Zertifizierungssystem wendet sich der Verein vor allem an Hersteller der Biobranche Fünf Standpunkte legen u.a. Regionalität fest, was sich in den Richtlinien wiederfindet, die u. a. auch 50% Verbandsware vorschreiben und den Vertrieb in Discountern nicht gestatten. Auch wenn es schwierig ist, den fairen Anspruch im Kontrollzettel zu messen, sollen z. B. die Preise im oberen Drittel des Üblichen sein. Eine Qualitätskommission entscheidet bei Unklarheiten. Bei den 22 Mitgliedsunternehmen sind von Demeter auch die Bauckhof KG und das Hofgut Körtlinghausen.

http://www.biofairverein.de

 

regional & fair

ist ein Projekt des Anbauverbandes Biokreis unterstützt vom BMELV und zielt vor allem auf den regionalen Absatz mit Hilfe von Verarbeitern und der Gastronomie. Richtlinien für Anbau und Gastwirte, ein Logo sowie ein sogenannter Ethikrat für unklare Fälle bilden den Rahmen, zertifizert wird von Biokreis. Ware von Biokreis und anderen Ökoverbänden soll bevorzugt werden, Preisgespräche der Marktpartner sind vorgeschrieben, der Erzeugerpreis darf nicht unter den allgemeinen Durchschnitt fallen. Eine jährliche Preisverleihung hebt besondere Vorbilder unter den bisher 14 Partnern hervor.

http://www.regional-und-fair.de

 

Regionalwert-AG

Bürger zu Aktionären der regionalen Entwicklung rund um Freiburg zu machen, dieses Konzept verfolgt die aus der Demeter-Gärtnerei Hiß hervorgegangene Beteiligungsgesellschaft. Kapital kann gestalten – und als Rendite wird die sozial-ökologische Wertschöpfung mit eigens entwickelten Nachhaltigkeitsindikatoren ausgewiesen. Die AG beteiligt sich an kleinen und mittleren Unternehmen aus Landwirtschaft, Handwerk und Naturkosthandel und verpachtet Betriebe und Flächen mit Vorgaben zur Bewirtschaftung.

http://www.regionalwert-ag.de

 

Naturland fair

Der Anbauverband stellte auf der Biofach 2010 seine neue Zusatz-Auslobung vor: Naturland-fair. Mit eigenen Richtlinien und ergänzendem Logo können Produkte und Unternehmen – vor allem Hersteller, ausgezeichnet werden. Sieben Anforderungen, die auf der „Grundsatzcharta für den Fairen Handel” basieren, fordern u. a. soziale Verantwortung, verlässliche Handelsbeziehungen, faire Erzeugerpreise und regionalen Rohstoffbezug.

http://www.naturland.de