Portrait

Die eigenen Stärken ausbauen

Auf dem Biohof Lecker setzen zwei Generationen auf Milch, Hofverarbeitung und Direktvermarktung

von Michael Olbrich-Majer

 

Nomen est Omen, mögen sich Ludwig und Hans Lecker gesagt haben, als sie 2008 in den väterlichen Hof einstiegen. Hans Lecker sen. und seine Frau Christine erzeugten Demeter-Milch für die nahe Molkerei Berchtesgadener Land in Piding sowie Feldfrüchte, der Hof stand gut da. Aber um drei Familien zu ernähren, brauchte es neue Ideen. So kamen, den Neigungen der beiden Söhne folgend, eine kleine Hofmolkerei, Hühner und Nudelmanufaktur sowie der Handel in Form einer Abokiste hinzu.

Begrenzte Flächen – Diversifizierung als Strategie

Der Lirzerhof in Ainring bei Freilassing ist seit Jahrhunderten in Familienbesitz und wurde vor hundert Jahren nach einem Brand neu gebaut. Hans und Christine übernahmen ihn 1978 nach ihrer Hochzeit, mit 25 Hektar und 22 Kühen. Durch die Ehe hinzu kam der Hof in Niederbayern, 60 km entfernt in Hinterau mit knapp 15 Hektaren. Als die Intensivlandwirtschaft wegen Butterbergen und Pestiziden ins Gerede kam, entschieden sich die Leckers zur Umstellung auf Bio. Das ungute Gefühl beim Spritzen wollte Hans Lecker sen. hinter sich lassen, und warum sollte Landwirtschaft modern und mit guter Technik nicht auch biologisch gelingen? Wenn, dann aber richtig – 1994 war der Betrieb Demeter-anerkannt.

 

Den neuerlichen Wandel bereitete die Familie Ende der 2000er Jahre vor: Die Söhne, der eine auf dem Weg zu Landwirtschaftsmeister, der andere zweite forschend an der Uni, wollten in den Betrieb einsteigen: drei Familien sollten von der Landwirtschaft leben. Das brauchte zusätzliche Einkommensquellen. Zudem wollten die Bauern auch dem Strukturwandel in der Landwirtschaft mit dem Druck hin zu größeren Flächen und höheren Pachten etwas entgegensetzen, um die betriebliche Zukunft zu sichern. Ungünstig verteilte und zerschnittene Flächen sowie kaum Möglichkeiten zur Zupacht galt es auszugleichen. Naheliegend also, die eigene Milch weiter zu verarbeiten, um mehr von der Wertschöpfung in der Verarbeitung auf dem Hof zu holen.

Käserei als ergänzende Einkommensalternative

Ludwig Lecker kalkulierte die Käserei in seiner Abschluss­arbeit zum Landwirtschaftsmeister, 2008 bauten Leckers einen neuen Stall und der alte wurde zur Käserei. Mit viel Eigenleistungen und gebraucht gekauftem Gerät wie Käsekessel, Milchabfüller, Joghurt­bereiter und einer selbstgebauten Abfüllmaschine konnte es losgehen. Ludwig hatte viel zur Milchverarbeitung gelesen, der Rest war learning by doing.

 

Aktuell verarbeitet er an zwei Tagen mit seiner Frau Gabi und seiner Mutter Christine Lecker sen. knapp 50.000 Liter Milch. Ein Viertel zu Joghurt, in der Geschmacks­richtung natur sowie zwei von acht wechselnden Fruchtsorten, jährlich knapp 90.000 Schälchen zu 150 Gramm, ein Fünftel zu Schnittkäse und dazu noch Frischkäse in verschiedenen würzigen, insgesamt 22 Geschmacksrichtungen. Fast die Hälfte wird als hofeige­ne Milch in Kunststoffflaschen pasteurisiert abge­füllt.

Außenwirtschaft: aufs Vieh abgestellt

Doch ist das nur ein Siebtel der Menge, die Ludwig Leckers­ Eltern melken, der größere Teil der Milch wird nach wie vor von der Molkerei in Piding abgeholt. Der Demeter-Auszahlungspreis ist gut und so lohnt eine Ausdehnung der eigenen Verarbeitung nur in Maßen. Aktuell lastet die Milchverarbeitung Ludwigs Arbeitskraft­ ergänzend aus; mittags und an den käsefreien­ Tagen kümmert er sich um Felder und Wiesen­. Hier wird das hofeigene Futter erzeugt, vier Schnitte Silage, im Juli ein Schnitt Heu. Und auf dem Acker Hafer, Weizen, Triticale sowie Ackerbohnen, blaue Lupine sowie Körner- und Silomais. Alles, was Körner hat, geht ins Futter, natürlich gequetscht bzw. gemahlen und dient als Ausgleich zur Silage.

 

Aktuell umfassen die drei Betriebe 80 Hektar, ungefähr je zur Hälfte Grünland bzw. Acker, dazu kommen gut 13 ha Wald. Neu dazu gekommen sind Pachtflächen des benachbarten Demeter-Hof Wieser, der aus Altersgründen aufgehört hat. So haben Leckers aktuell reichlich Futter.

 

Den Stall bzw. die 50 köpfige Fleckviehherde mit Nachzucht managt Hans Lecker senior. Da die Hofweide mit fünf Hektar eher knapp ist, gibt es auch über Sommer Gras- und Maissilage zusätzlich. Tiere, die mehr als 17 Liter am Tag geben, erhalten zusätzlich ein halbes Kilo Kraftfutter je Liter Milch, maximal 9 Kilo, zugeteilt per Transponder. Die Herdenleistung beträgt 7- bis 8000 Liter je Kuh und Jahr, das Durchschnittsalter sechs Jahre. Der Offenfrontlaufstall von 2008 ist arbeitswirtschaftlich eingerichtet, die Hörner der Kühe stören hier nicht. Gemistet wird mit dem Schlepper, gemolken im Tandemmelkstand, der durch seine Bauart ruhige Abläufe ermöglicht. Die weiblichen Tiere nutzt der Herdbuchzüchter zur Remontierung, die Jungtiere werden vor allem auf den Weiden des Hofs in Hinterau aufgezogen. Bullenkälber müssen konventionell verkauft werden. Geschlachtet wird in Laufen bei einem benachbarten Metzger im Lohn.

Legehennen und selbstgemachte Nudeln ergänzen das hofeigene Milch­produktesortiment

Abokisten als weiteres Standbein auf dem Urbanhof

Das Sortiment an den Biogroßhandel zu liefern, wäre nicht lohnend, dafür reicht die Marge aufgrund der Mengen nicht. So passte es, dass Hans Lecker, der ältere Sohn, inzwischen promovierter Agrarwissenschaftler, wieder in die praktische Landwirtschaft einsteigen wollte. Direktvermarktung aufbauen, das tauchte als Idee auf, doch auch der Hof in Hinterau. Der war nahe bei Hans Leckers Arbeitsstelle in Pfarrkirchen, wo er bei der PC-Agrar GmbH mithalf, Apps für die Landwirtschaft zu entwickeln. Doch wurde dann der Urbanhof aus der Verwandtschaft seiner Frau Christine frei. Die Gebäude waren nur von der Großmutter bewohnt worden, so dass sich das Paar hier ans Sanieren und Renovieren begab und Dr. Lecker seinen Stellenumfang auf 50 Prozent reduzierte. Zugleich begann er damit, die Vermarktung aufzubauen: kleiner Hofladen und Abokisten. Deren Grundlage ist ein Bioeinzel­handel mit regionalen Lebensmitteln sowie den Produkten der Leckers. So gibt es wahlweise saisonale Gemüse- , Obst- oder Schonkostkisten, sowie die Möglichkeit, sich eine Ökokiste individuell im Online-Shop zusammen zu stellen.

 

In der Beschaffung ist Hans Lecker jun. umtriebig, hört sich aktiv um und arbeitet gut mit dem Großhandel – Weiling und Ökoring – zusammen, von dem ca. 30 Prozent der Produkte kommen. Vor allem aber bezieht Lecker Ware von Demeter-Kollegen, regionalen Bäckern, dem Naturland-Obstbauern im Ort, der Gärtnerei der Hohenfrieder Werkstätten, einem Bio-Fischzüchter, einem Metzger und einem Tempeh-Hersteller der Region (Tempeh ist eine fermentierte Sojazubereitung mit ganzen Bohnen). So pflegt er regionale Netzwerke, bündelt eigene Erzeugnisse und die von Kollegen, aber auch von einem griechischen Olivenbauern oder einer italienischen Zitrusbauerngenossenschaft. „Die Kunden wollen Abwechslung“, ist seine Erfahrung, deshalb sind beispielsweise zwei Bäcker vertreten, und mehrere Käser. Ungefähr 500 Produkte umfasst das Angebot. Leicht verderbliches wie Milchprodukte oder Fleisch wird in einer isolierten Kühlkiste, bestückt mit Kühlakku ausgeliefert. Sehr hilfreich für den Anfang war für Hans Lecker jun. die Mitgliedschaft und der Austausch im Verband der Ökokistenbetriebe.

Website als Marketinginstrument

Doch wie erreicht man die Kunden? Das war die Herausforderung beim Start 2008. Zwar liegt Salzburg nebenan, doch gibt es in der 140.000 Einwohner-Stadt reichlich Bioprodukte, denn im Nachbarland gibt es fast so viele Biobetriebe wie in Deutschland, bei einem Zehntel der Einwohnerzahl. Das Liefergebiet konzentriert sich deshalb aktuell auf das Geviert zwischen Berchtesgaden, Chiemsee, Burghausen und dem Land Salzburg, ein potenzieller Markt von vielleicht 200 – bis 300.000 Menschen, in Dörfern und ländlichen Städtchen. So waren Marktstände mit den Hofprodukten – heute in den drei Orten Freilassing, Traunstein und Oberndorf – dazu Flyer, aber vor allem das Internet die Mittel, um Bekanntheit zu erlangen und Kunden zu werben.

 

Die Website von „Leckers Biohof“ ist adrett und sehr informativ, stets aktuell und direkt ansprechend. Gerade­ gibt es Kartoffeln aus der Lagerräumung vom Demeter-Hof Engelhard Troll, es wird der Ferien­fahrplan der Abolieferung erklärt und der Weideaustrieb der Kühe filmisch dokumentiert. Vierbeinige Luftsprünge vorm Alpenpanorama – im Video auf YouTube­ – auch das macht neugierig. Natürlich dürfen Rezepte und die Vorstellung der wichtigsten Lieferanten nicht fehlen. Christine, die Frau von Hans jun., hat zudem ein Kochbuch geschrieben: „Mit Lecker durch die Jahreszeiten“. Außerdem betreibt sie einen Näh-Blog, also eine Internetseite rund ums selber Nähen. Jedenfalls, die Abokiste ist nun, sieben Jahre nach Start, bei gut 500 Kunden. Die Bestellungen laufen vor allem übers Internetformular. Das erleichtert die Kommis­sionierung, bedeutet aber gute Datenpflege und Information im Vorfeld – also wenn mal ein Produkt­ aus ist, oder Sonderaktionen laufen. Wichtig ist auch der persönliche Kontakt. Deshalb ist das Kundentelefon jeden Werktag von 8 bis 12:30 Uhr besetzt. Im provisorischen Hofladen am Eingang des Packraums für die Kisten kann man Freitagnachmittags ebenfalls Produkte erstehen. Besonderes Anliegen ist Hans Lecker jun., dass seine drei Fahrer gut ausgelastet sind und auf den Rückfahrten ihrer acht Touren auch wieder Ware mitbringen, um unnötige Fahrten zu vermeiden.

Hennen und Nudeln – eine gute Ergänzung

Ungefähr 500 Hennen und Hähne laufen hinter dem Packraum auf der Wiese, die altgedienten picken Würmer und Schädlinge zwischen Himbeerbüschen. Die Hühner beziehen Leckers vom Demeter-Geflügelhof Schubert, gefüttert wird mit eigenem Getreide und einem­ Mischfutter von Meika. Bei der nächsten Ein­stallung wird Peter Schubert auch die Bruderküken für Leckers­ Hennen aufziehen. Ihr Fleisch landet dann unter­ anderem in verschiedenen Produkten im Glas wie z. B. Frikassee. Diese sollen dann über die Abokiste mitvermarktet werden.

 

Von den täglich 380 Eiern werden die fehlerhaften und der Bruch gesammelt – für die Nudelmanufaktur neben dem Hühnerstall. Zwanzig Sorten Demeter-Nudeln in verschiedenen Formen und Geschmacksnoten, flach oder gerollt, von Bärlauch bis Orange-Schoko, mit und ohne Ei stellen Leckers Mitarbeiter her. Sie werden schonend und energiesparend luftgetrocknet; ein Luftentfeuchter aber muss sein – dadurch sind sie beim Kochen rascher gar.

Gute Zusammenarbeit als Voraussetzung für den Erfolg

Die drei Familien Lecker arbeiten als GbR zusammen, was auch dank der klar abgegrenzten Arbeitsgebiete gut funktioniert. Zudem wohnt jede Familie im eigenen Haus. Man sieht sich ohnehin fast täglich, was die Abstimmung erleichtert. Zugleich sind die Aufgaben auch eng verzahnt, vom Stall zur Molkerei, zur Vermarktung, oder bei der Buchhaltung, wo Gabi Lecker die Personalbuchhaltung und Buchführung macht und Christine Lecker jun. auf dem Urbanhof die Abrechnung für die Abokisten. Hinter Demeter als „Königsstandard“, wie es Hans Lecker jun. formuliert, stehen alle drei Familien.

 

Doch ist auch Entwicklungsbedarf sichtbar: Hans jun. ist gerade ganz in den Hof eingestiegen, hat seine Stelle gekündigt. Also soll die Zahl der Hennen aufgestockt werden, natürlich mittels Mobilställen. Hans tendiert zu kleineren Einheiten, teurer als großer Schlitten, aber auf hochwassergefährdeten Weiden rascher wegzuziehen. Auch die Vermarktung soll intensiviert werden – 800 Kistenabos sind das Ziel. Dazu sind mehr Kundenanreize, das bessere Nutzen der Marktstände und mehr Onlinepräsenz, u.a. auf Facebook, geplant. Die Abläufe sollen optimiert werden, z. B. in Kühl-, Trocken- und Frischekisten getrennt und der Bestellwert je Kiste, zurzeit bei 28 Euro im Schnitt, soll steigen. Um eigenes Gemüse anbieten zu können, überlegt die Großfamilie, einen Gärtner für Hinterau zu werben, angestellt oder selbständig. Und in ein paar Jahren wird die Elterngeneration, Hans und Christine Lecker senior, altersbedingt kürzer treten. Dann wird auch die Arbeit auf dem Lirzerhof neu organisiert werden. Die Entwicklung der Lecker-Höfe geht also weiter.

Betriebsspiegel Biohöfe Lecker

  • Landwirtschaft an drei Standorten: bei Freilassing in Oberbayern (Lirzerhof und Urbanhof), bzw. Niederbayern (Hinterau)

  • Zwei Betriebe: GbR Lecker aus drei Familien sowie gewerblicher Lieferservice (Kistenabos)

  • Direkt westlich von Salzburg gelegen (außer Hinterau), mittlere Böden, reichlich Niederschlag

  • 80 ha, davon 45,5 ha Grünland, 39,5 Acker, Fruchtarten: Kleegras (16 ha), Futtergetreide (7,5 ha), Silo- und Körnermais (8,7 ha); dazu 13 ha Wald, ein Morgen Kernobst (u.a. Hochstamm)

  • 50 Kühe plus Nachzucht (Fleckvieh), 500 Legehennen

  • Hofmolkerei, Nudelwerkstatt

  • Vertrieb der Hofprodukte ab Hof über Abokiste, Marktwagen und Hofladen, großer Teil der Milch an Molkerei in Piding

  • Demeter seit 1994

  • Biohof Lecker, Lirzerhof, Schiffmoning 1, 83404 Ainring bzw. Urbanhof, Niederheining 1, 83410 Laufen
    info(at)biohof-lecker.de, http://www.biohof-lecker.de