Portrait

Mahlen mit Überzeugung

Die Spielberger Mühle: Wie Demeter-Qualität entsteht

von Michael Olbrich-Majer

Stellt ein Landwirt auf Bio um, so muss er das hundertprozentig tun und es berührt existenziell auch die Lebensgestaltung. Bei Unternehmen in Handel und Verarbeitung reicht dagegen eine Bioschiene oder ein paar Produkte im Sortiment, um als Bio am Markt zu erscheinen. Doch gibt es auch Pioniere wie die Spielberger-Mühle, die mehr als 90 Prozent Demeter und nichts anderes als Bio produzieren. Deren Mühlenerzeugnisse weisen zudem besondere Qualitäten auf, die nicht nur in Demeter-Getreide und -Saaten ihren Ursprung hat, sondern sich aus modernem Handwerk, überzeugender Nachhaltigkeit und verbindlichen Beziehungen in der Wertschätzungskette speist, von der Züchtung bis zum Kunden.

Bei Heilbronn, vor Brackenheim in der Zaber-Aue, liegt das Stammhaus der Mühle: hier wird seit gut dreihundert Jahren Getreide vermahlen, seit 1930 unter der Regie der Familie Spielberger, ab 1959 dann in Demeter-Qualität. Heute leitet Volkmar Spielberger, gelernter Müller und studierter Volkswirt, das Unternehmen. Aktuell wird die alte Mühle wieder aufgebaut, Schaumühle, Mühlenladen, Seminarraum und Mitarbeiterraum sowie eine Wohnung werden hier Platz finden, ein paar Schritte nur vom Bürohäuschen und dem heutigen Mühlengebäude entfernt. In diesem rattert, brummt und lärmt der Mühlenstock, unvermeidlich, gilt es doch, hartes Getreide für die Ernährung aufschließbar zu machen. 60 Menschen arbeiten am Standort in Produktion und im Büro.

Das Getreide wird über ein 16-stufiges Mahlwerk und verteilt auf mehrere Stockwerke zu Mehl, Grieß und Kleie verarbeitet und verpackt, aktuell im Dreischichtbetrieb, rund um die Uhr, gut dreißig Tonnen am Tag. Auch die Spielberger-Mühle spürt die durch Corona rapide verstärkte Nachfrage nach guten Lebensmitteln. Am zweiten Standort am Würzburger Mainhafen – die Flockenmühle Georg Gehrsitz ist seit vielen Jahren Tochterunternehmen der Spielberger GmbH – kümmern sich zwanzig Mitarbeiter um die Flockenherstellung.

Handwerkliche Erfahrung

Wer nun denkt, Mehl zu mahlen bedeute einfach nur, Getreide zu zerkleinern, wird bereits beim ersten Blick ins Mühleninnere und auf die zahlreichen Rohre ahnen, dass es komplexer ist. Letztlich wird das Korn in 32 verschiedene sogenannte Passagenmehle zerlegt. Deren geschickte Vermahlung und Kombination durch den Müller sorgt für die Back- und Verarbeitungseigenschaften des Endproduktes. Mehr als 30 Mahlerzeugnisse, vom Dinkelmehl bis zur glutenfreien Brotbackmischung entstehen so.

Beim Walzen der Flocken ist ebenfalls Erfahrung und Feingefühl gefordert. Denn bei Spielberger wird der Hafer – noch im Spelz – bei ca. 80 Grad gedarrt, bevor er wie üblich geschält, gedämpft und gewalzt wird. Das bringt Aroma und Inhaltsstoffe in die Flocken und ermöglicht eine geringere Dämpftemperatur, da die Enzyme, die den Hafer durch Fettabbau ranzig schmecken lassen, bereits inaktiviert werden.

Gefragt im Cerealiensortiment des Handels sind immer auch Flakes: Die werden aber bei Spielberger anders als üblich hergestellt, nicht extrudiert, also als Brei mit Temperatur und Druck in Form gebracht, sondern das Korn wird schonend gekocht, gewalzt und geröstet. Die Mühle nahm hier Hinweise des Arbeitskreises für Ernährungsforschung ernst, der bei Extrudaten eine verminderte Ernährungsqualität festgestellt hatte. Aktuell wird dieses bei Demeter nicht zugelassene Verfahren neu diskutiert (s. Rubrik Forschung, S.40 ff.) Spielberger macht auch einen steigenden Umsatzanteil mit Hafer- und Reismehl für Pflanzendrinks. Kritisch sieht der Mühlenchef allerdings, dass der Aufschluss von Reis für Drinks mit isolierten Enzymen bei Demeter möglich werden soll.

Langfristige Beziehungen zu Landwirten

Getreide bezieht das Mühlenunternehmen vor allem von 150 Demeter-Landwirten aus der Region: Viele von ihnen sind als Lieferanten in der Erzeugergemeinschaft Unterland zusammengeschlossen, die Mühle war einst Mitgründer. So kommt die Hälfte des Getreides aus Süddeutschland, aktuell 37 % sogar aus einem Umkreis von 100 km, gut 80 % aus Deutschland. Volkmar Spielberger und sein Einkaufsteam haben immer auch die Witterung im Blick und stehen im persönlichen Kontakt mit vielen Landwirten. Gut 40 % der verarbeiteten Getreide sind Sommerung – da sieht es in diesem Jahr besser aus als in den drei letzten, trockenen Jahren. Die Mühle legt Wert auf langfristige Beziehungen zu den Bauern, anonyme Ware gibt es hier nicht, auch nicht aus dem meist benachbarten Ausland, wo ein Fünftel ihrer Ware her kommt, vor allem Saaten und Reis. Nur so ist gemeinsame Qualitätsentwicklung möglich – z. B. der verpflichtende Anbau biologisch-dynamisch gezüchteter Sorten und der Kontakt der mühleneigenen Qualitätssicherung mit den Züchtern. Die Zusammenarbeit mit dem Reismüller und Gutsbetreiber Marco Zaffaroni in der Lombardei gewährleistet schon seit Jahrzehnten verlässliche Reisqualitäten, auch weil er viele Bio-Reisbauern berät.

Werte für Endkunden

Für Bäcker produziert die Mühle nur noch wenig, aber die Nachfrage nach Backmehlen im Laden boomt. Mehr als Zweidrittel der Produktion kommen mit den Marken Spielberger (Demeter) oder Burgermühle (wo die Demeter-Ware nicht reicht) in den Naturkostfachhandel. Bei den Flocken wird gut die Hälfte der Menge für andere Bio-Marken verarbeitet. Aus Verbrauchersicht bleibt beim umfangreichen Spielberger-Sortiment keine Schüssel leer: ob Flocken oder Müsli, Hafer oder Hirse, glutenfrei oder Getreide zum Schnellkochen, ob Dinkel, Emmer, Gerste oder Buchweizen, Soja und Teff, neben einer breiten Auswahl an Mehlen und Grieß gibt es auch noch zwei Dutzend Nudelvarianten.

Das Mühlenduo setzt auf Haushalte, die in der Küche selbst Hand anlegen – darauf ist auch das Marketing abgestellt: Im Naturkostfachhandel spricht sie Spielberger mit gezielten Aktionen und Displays an: In einer Partnerschaft mit ca. 400 Läden werden auf Werte bezogene Aktionen anstelle von Preisaktionen durchgeführt. Auch gab es Kundenansprache mit einem Risotto-Paket plus passendem Weißwein, mit Pfannkuchenmehl und Pfanne oder aktuell mit Spätzlemehl kombinert mit einem Spätzlehobel. Und relativ direkt werden Kunden auch über die Unternehmenswerte informiert und an ihrer Mitverantwortung gepackt. Da heißt es zum Beispiel: „Die Natur verträgt keine Gewinnmaximierung“ oder „Öko Statt Ego“. Das funktioniert natürlich am besten im Naturkost­fachhandel.

Exklusiv im Fachhandel

Die Spielberger Mühle setzt voll auf den Fachhandel und ist hier nach wie vor eine der Leitmarken. In die in den vergangenen Jahren in der Biobranche heiß diskutierte Fachhandelstreue investiert das Unternehmen gezielt, mit Marketingaktion am Verkaufsort, umfänglichen und transparenten Informationen und mit aktuellen Verkostungsaktionen, abgestimmt auf Produktgruppen. Vielfalt und Genuss werden mit Verantwortung kombiniert vermittelt, damit können sich auch die Händler identifizieren und profilieren.

Damit ihre Markenware nicht im Supermarkt oder Discounter erscheint, regelt die Mühle den Vertrieb im Großhandel mittels Exklusivverträgen. Volkmar Spielberger betrachtet das zunehmende Interesse der großen Lebensmitteleinzelhändler wie Edeka, Rewe, Kaufland an Demeter skeptisch. Zumindest für sein Unternehmen ist das nicht der Weg. Denn die Mühle wächst auch im Fachhandel seit ein paar Jahren gut zweistellig.

Nachhaltig auf allen Ebenen

Geothermie im Mühlenneubau, Photovoltaik auf dem Dach, Ökostrom für die Produktion, nachhaltige Baustoffe und ein energieautarkes Verwaltungsgebäude inclusive Nutzung der Serverabwärme: das Unternehmen versucht, konsequent in allen Bereichen nachhaltig zu handeln. Das wird abgerundet durch eine Waldpatenschaft zum Ausgleich des Papierverbrauchs und natürlich das selbstverständliche Fördern der Agro-Biodiversität -Stichwort Sorten im Anbau oder jährliche Spende an den Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Auch die inzwischen boomende Produktlinie für Unverpackt-Läden ist ein Plus im Nachhaltigkeitskonto. Ein großer Erfolg für das Mühlenteam ist, dass voraussichtlich ab Jahresende alle Verpackungen zu 100 Prozent aus Papier sind.

Zur Nachhaltigkeit gehört für den Mühlenchef auch, keinen Investitionsstau aufzubauen und andererseits eine solide Finanzierung. Vor zwei Jahren der Einbau eines neuen Flockenwalzwerks in Würzburg, 2020 eine neue Abpacklinie u.a. mit Roboterhebearm zur Entlastung der Mitarbeiter in Brackenheim, in diesem Jahr nun der Austausch des Walzwerkes in der Mehlmühle bei weitgehend laufendem Betrieb, all das dient sowohl der Produkt- als auch der Arbeitsqualität.

An der Finanzierung beteiligen sich mehr als 150 Kunden und ökologisch orientierte Kapitalanleger über Genussrechte, die das Unternehmen seit 2007 ausgibt. Dafür erhalten sie als Naturalzins einen Warengutschein oder eine geldliche Verzinsung. Für die Mühle bedeutet diese Art, das Eigenkapital zu erhöhen, zwar Aufwand, aber es gilt, Transparenz zu gewährleisten und Vertrauen aufzubauen: Die Mühle lässt ihr Angebot extern prüfen, gibt jährlich einen Geschäftsbericht heraus für die Genussrechtsinhaber. Doch betont Volkmar Spielberger den Wert für die Unternehmenskommunikation: „Das sind gleichzeitig unsere Markenbotschafter!“ Und sie machen Investitionen möglich.

Unabhängige Perspektive

Die Spielberger Mühle hat sich über konsequente Qualität, über die Fokussierung auf ihre Stärken und ihre Partner eine gewisse Unabhängigkeit erarbeitet: „Wir müssen nicht ständig neuen Ausschreibungen des Handels hinterherlaufen oder massiv in private Label einsteigen“, so Volkmar Spielberger. Dies gibt zusammen mit der bankenunabhängigen Finanzierung die Freiheit, zum eigenen Wertekanon zu stehen und die Aktivitäten des Unternehmens entsprechend zu gestalten.

Ganz im Sinne der purpose-Bewegung von Unternehmen, die sich selbst gehören. Die Mühle steht gut da, Erträge werden reinvestiert, und die Mitarbeiter wissen das zu schätzen. Vor allem aber die Nachfolgegeneration, die in den verschiedenen Bereichen des Unternehmens, Einkauf, Vertrieb und Marketing, Qualitätssicherung, Buchhaltung und IT sowie Produktion, Packerei und Lager Verantwortung trägt.

Fünf von ihnen, jeweils Mitte, Ende dreißig, sind mit Volkmar Spielberger im Führungskreis der Firma, der sich jeden Donnerstag trifft, darunter auch eines seiner Kinder. Zusammenarbeit will gelernt sein, und der Mühlenchef sieht in gemeinsamer Unternehmensleitung die Zukunft. Daher ist hier auch das von Rudolf Steiner beschriebene assoziative Wirtschaften, also die Frage nach brüderlichen Elementen entlang der Wertschöpfungskette, ein Arbeitsthema. Dies weitet den Blick auf die Ursprünge und das weite Bild des Impulsgebers des Biodynamischen.

Apropos Ursprünge, wer die Senior-Müller Hans Spielberger bzw. Georg Gehrsitz noch kennt: Der erste steht zusammen mit seiner Frau freitags und samstags im Mühlenlädchen, und der ehemalige Flockenmüller aus Würzburg fährt ab und an einen Lastzug zur Abpackung in Brackenheim. Der Tradition anspruchsvoller Nachhaltigkeit über drei Generationen kann man in der Spielberger Mühle begegnen.

Spielberger Mühle

  • Zwei Mühlenstandorte: Brackenheim (Mehlmühle), Würzburg (Flockenmühle, Tochterunternehmen Georg Gehrsitz Haferflockenfabrik)
  • Demeter seit 1959 (Spielberger) bzw. 1950 (Gehrsitz)
  • Verarbeitung von ca. 20.000 t Getreide und Saaten zu ca. 270 Produkten/Gebinden
  • Breites Sortiment an Getreiden, Mehlen, Grieß, Flocken, Müslis, Reis, Saaten, Nudeln mit Spezialitäten; 100 % Bio, 90 % Demeter
  • Auch Linien für Glutenfreies und für Unverpackt-Läden
  • Zwei Marken: Spielberger Mühle (Demeter) und Burgermühle (Bio)
  • Nachhaltigkeitsanspruch bei Beschaffung, Produktion, Gebäuden, Vertrieb und Finanzierung, Mitglied bei FairBio
  • Ca. 80 Mitarbeiter, Umsatz ca. 30 Mio. € (2020)
  • Vertrieb ausschließlich im Naturkostfach- und Reformwarenhandel
  • Spielberger GmbH, Burgermühle, 74336 Brackenheim, 071 35-98 15-0, www.spielberger-muehle.de