Schwerpunkt

Heilkräuter in der Nutztierhaltung

Praxisbeispiele für die Phytotherapie

von Dr. Elisabeth Stöger

 

Zur Unterstützung der Tiergesundheit werden schon seit Jahrhunderten Heilpflanzen und Hausmittel angewendet. In den letzten Jahrzehnten aber ging das Wissen über die Verwendung von Heilpflanzen in der Tierhaltung zunehmend verloren, obwohl diese nach wie vor einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung von Tieren liefern können. Heilpflanzen können als zugelassene Tierarzneimittel, als Futtermittel oder als Hausmittel beim lebensmittelliefernden Tier eingesetzt werden. Den rechtlichen Rahmen stellen demnach Arzneimittelrecht, Futtermittelrecht und die Vorgaben der EU-Bio-Verordnungen dar.

Inhaltsstoffe der Pflanze

Entscheidend für die Wirkung der Heilpflanzen sind vor allem die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe. Zu ihnen zählen zum Beispiel Carotinoide, Schleimstoffe oder ätherische Öle, wobei in einer Pflanze immer eine Kombination verschiedener sekundärer Inhaltsstoffe enthalten ist. In Wurzeln, Blättern, Blüten, Samen und Rinden sind oft sehr unterschiedliche Gehalte an Wirkstoffen, daher ist es entscheidend, welche Pflanzenteile verwendet werden. Erntezeit und Trocknung der Pflanzenteile beeinflussen die Qualität ebenso. Die Sammlung sollte nach dem Tau, aber noch am Vormittag erfolgen. In Apotheken und Drogerien sind Heilpflanzen in Arzneibuchqualität erhältlich. Diese haben einen entsprechenden Mindestgehalt an gewünschten Inhaltsstoffen und wurden auf Rückstände kontrolliert. Um die Inhaltsstoffe zu bewahren, werden die getrockneten und zerkleinerten Heilpflanzen trocken und luftdicht, am besten in Gläsern, kühl und lichtgeschützt gelagert.

Zubereitung

Die Zubereitung ist für die Wirkung entscheidend. Je nach Inhaltsstoffen sind unterschiedliche Zubereitungsarten notwendig. Handelt es sich um flüchtige ätherische Öle, dann dürfen die Pflanzenteile nicht zu stark und zu lange erhitzt werden. Bei der Tee­zubereitung von Kamille, Pfefferminze oder Thymian ist daher entscheidend, dass der Tee (= Aufguss) sofort mit einem Deckel zugedeckt wird. Dagegen müssen Gerbstoffe, wie sie in der Eichenrinde vorhanden sind, erst durch Abkochen herausgelöst werden. Die besonders empfindlichen Schleimstoffe dürfen hingegen gar nicht erhitzt werden, sondern werden durch Ansetzen in kaltem Wasser gewonnen, dies gilt für Eibisch oder Käsepappel.

Buchtipps:

  • Kräuter für Nutz- und Heimtiere, Aichberger L. u. a., Eigenverlag 2012, 21,90 €, http://www.phytovet.at (s. auch S. 50)

  • Heilende Kräuter für Tiere. Pflanzliche Hausmittel für Heim- und Nutztiere. von Brendieck-Worm/Klarer/Stöger,
    Haupt Verlag CH-Bern,ISBN: 978-3-258-07936-3, 29,90 €, erscheint im Oktober 2015.

Unterstützung bei Durchfall der Kälber

Durchfall zeigt eine Störung und Entzündung des Darmes an. Auf die verschiedenen Ursachen wird in diesem Artikel nicht eingegangen, obwohl natürlich darauf hinzuweisen ist, dass nur ein Abstellen der krankmachenden Ursachen auf Dauer Erfolg bringen kann.

 

Die Grundsäule der Durchfallbehandlung liegt im Ausgleichen des Flüssigkeitsverlustes mit Elektrolyttränken, wobei üblicherweise ca. 10% des Körpergewichts verteilt auf drei Gaben täglich verabreicht werden. Um die Energieversorgung sicherzustellen, wird die Milchernährung beibehalten.

 

Zum Anrühren der Elektrolyttränke ist es sinnvoll, Heilpflanzenzubereitungen zu verwenden, als Tee oder Abkochung. Geeignet sind beispielsweise Pflanzen mit einem hohen Gerbstoffgehalt, wie Eichenrinde, Schwarztee und Blutwurz. Aufgrund der Eiweiß-fällenden Wirkung sind Gerbstoffe in der Lage, Viren und Bakterien abzutöten. Auch die abdichtende und entzündungshemmende Wirkung auf Schleimhäute macht sie geeignet für die Therapie bei Durchfall. Gerbstoffe werden durch Abkochung (Dekokt) von gerbstoffhaltigen Pflanzenteilen gewonnen. 1 Teil Eichenrinde wird mit 10 Teilen Wasser etwa 10 bis 30 Minuten gekocht, Schwarztee (1 bis 2 Teelöffel pro ½ l Wasser) wird 5 bis 10 Minuten, von Blutwurz (Tormentill) wird ½ Teelöffel pro Tasse ca. 5 Minuten gekocht. Für ein Kalb braucht man 2 bis 4 Teelöffel geschnittene Eichenrinde pro Tag. Diese Abkochungen sind zur Durchfalltherapie geeignet. Für ein junges Kalb mit Frühdurchfall ohne Fieber sollen beispielsweise 3 x täglich je 2 Liter Eichenrinden-Dekokt mit den Elektrolyten vermischt angeboten werden. Ältere Kälber bekommen pro Mahlzeit je 3 Liter oder mehr.

Durchfall mit Bauchschmerzen

Wenn zusätzlich zum Durchfall noch Bauchschmerzen (Symptome: Unruhe, Schlagen gegen den Bauch) zu erkennen sind, oder die Eichenrinden-Abkochung nicht schmeckt, sind Teezubereitungen von Kamille, Kümmel, Fenchel oder Anis für Jungtiere gut geeignet. Die ätherischen Öle dieser Pflanzen haben einen krampflösenden und gärungshemmenden Effekt auf den Darm und sie werden meist auch gerne getrunken. Die Tagesdosis der Kamille beträgt für Kälber 5 bis 10 Teelöffel, von Fenchel 2 bis 4 Teelöffel, von Kümmel 2 bis 3 Teelöffel. Von Kamille, Fenchel etc. wird für jede Mahlzeit frischer Tee aufgegossen und mit Deckel 5 bis 10 Minuten ziehen gelassen. Zusätzlich werden die Früchte von Kümmel und Fenchel unmittelbar vor der Zubereitung gemörsert. Es ist sinnvoll, die verschiedenen Pflanzen-Zubereitungen abwechselnd zu geben, also morgens Eichenrinden- oder Schwarztee-Abkochung, mittags Kamillentee etc.

Äußerliche Anwendungen

Grüne Walnussblätter haben wie Eichenrinde einen hohen Gerbstoffgehalt und damit entzündungshemmende, juckreizstillende, bakterien­abtötende und zusammenziehende Wirkung. Drei bis vier Handvoll Walnussblätter werden klein geschnitten, mit kochendem Wasser übergossen und bis zum Erkalten ziehen gelassen. Mit diesem Absud werden entzündete und eiternde Hautstellen oder Ekzeme abgewaschen oder es werden damit getränkte Kompressen aufgelegt. Walnussblätter können auch zu einem Brei verarbeitet und auf die betroffenen Stellen aufgetragen werden. Auch die Eichenrindenabkochung kann äußerlich angewendet werden (1 Ess­löffel pro Liter Wasser, 20 bis 30 Minuten kochen). Die Zubereitungen haben sich beispielsweise beim Euter-Schenkel-Ekzem und bei anderen hartnäckigen eitrigen Hautentzündungen bewährt. Zu beachten ist, dass Gerbstoff-Zubereitungen nicht länger als ein bis zwei Wochen und nicht großflächig auf die Haut aufgebracht werden sollen.

Wundheilung fördern

Frische Verletzungen werden mit Ringelblume, Arnika, Schafgarbe und Kamille behandelt. Diese Korbblütler wirken entzündungshemmend, bakterienabtötend und fördern die Wundheilung. Geeignete Zubereitungen sind der Aufguss (= Teezubereitung) sowie der Ansatz in Alkohol (Tinktur) oder Öl. Eine bewährte Anwendung ist Ringelblumentee oder verdünnte Ringelblumentinktur (1 Teil Tinktur auf 5 bis 10 Teile Wasser) bei einer Zitzenverletzung. Die Zubereitungen können zum Waschen, Spülen, Baden oder Sprühen verwendet werden. Auch aussichtslos erscheinende Wunden konnten mit Heilpflanzen doch noch zur Abheilung gebracht werden.

Heilpflanzen für die Atemwege

In der ersten Phase einer Erkältung sind die schweißtreibenden und Fieber senkenden Heilpflanzen Holunder, Lindenblüten und Mädesüß hilfreich. Um bei Reizhusten Erleichterung zu finden, eignen sich Thymian, Eibisch, Malve, Spitzwegerich, Isländisches Moos und auch Königskerze und Lindenblüten. Auch wenn die Bronchitis oder Lungenentzündung bereits fortgeschritten ist und eine schulmedizinische und antibiotische Therapie notwendig ist, können und sollen Heilpflanzen als Therapieunterstützung eingesetzt werden.

Autorennotiz

Dr. Elisabeth Stöger

ist praktische Tierärztin mit Schwerpunkt Wiederkäuer und Naturheilkunde in Kärnten, Österreich,

elisabeth.stoeger(at)aon.at