Schwerpunkt

Brotkunst bei Demeter

Interview mit dem Betreuer der Demeter-Bäcker Steffen Gleich

Bäckermeister Steffen Gleich ist der Bäckerberater des Demeter-Verbandes

Lieber Steffen, du koordinierst die Demeter-Fachgruppe Bäcker: Wer macht da mit und wie funktioniert die Zusammenarbeit der Bäcker?

 

Die Bäcker sind eine sehr aktive Fachgruppe im Demeter-Verband. Zu den jährlich zwei Treffen kommen Bäcker und Hofbäcker aus ganz Deutschland. Im Frühjahr sind zusätzlich Vertreter der Lieferanten, wie z. B. der Mühlen, oder der Großhändler eingeladen. Das sorgt für gegenseitige Wahrnehmung entlang der Wertschöpfungskette. Daneben gibt es regionale Bäckertreffen bei der BG in Norddeutschland, in Brandenburg und in Sachsen sowie im Chiemgau. Hier arbeiten die Erzeugergemeinschaften eng mit den Bäckern der Region zusammen. Generell sind die Betriebe untereinander stark vernetzt. Es finden gegenseitige Besuche statt, bei denen der Verband oft als Vermittler von Kontakten und Austausch tätig ist, wenn es z. B. um eine Investition geht – wie Backofen, Knetmaschine, und ein Betrieb am anderen Ende Deutschlands so etwas vor kurzem gekauft hat.

 

Die Bäckergruppe mit ca. 100 Mitgliedern ist die größte Verarbeiterfachgruppe im Verband. Hinzu kommen die Hofbäcker. Um in dieser großen Runde gut arbeiten zu können und Impulse der Mitglieder aufzunehmen, gibt es seit Herbst 2013 die Facharbeitsgruppe Biologisch-dynamische Brotqualität. Sie unterstützt die Delegierten Anne Dorer und Dirk Öllerich bei der Meinungsfindung. Für meine Arbeit ist diese Gruppe wichtig, da sie einen Querschnitt unserer Betriebe darstellt und Themen für die Bäcker­treffen vorbereitet.

Was waren die wichtigsten Themen in den letzten zwei Jahren?

 

Generell beschäftigt sich die Gruppe seit vielen Jahren mit dem Thema Verarbeitung von biologisch-dynamischen Getreidesorten, und dem Thema Brotqualität. Wichtig war hier die Entwicklung eines neuen Bewertungsverfahrens zur sensorischen Beschreibung der Brotqualität (s.a. LE 6-2012. S. 30)

In der Fachgruppe sind große und kleine Bäcker, Unternehmen mit über hundert Mitarbeitern und Hofbäcker – was verbindet die?

 

Das kollegiale Miteinander, das Gemeinschaftsgefühl in der Fachgruppe, der Wunsch sich gegenseitig zu inspirieren, das gemeinsame Streben nach Qualität, der Austausch mit Kollegen.

Die Bäcker haben sich vor zwei Jahren sogar ein Leitbild gegeben – warum?

 

Vor einigen Jahren boten die Demeter-Müller an, mit Backmischungen den Bäckern die Arbeit zu erleichtern. Nach Demeter-Richtlinien war und ist dies durchaus möglich, da Fertigbackmischungen auch für Endverbraucher angeboten werden dürfen. Doch fühlte sich die Mehrzahl der Bäcker in ihrer Berufsehre angegriffen. Nicht wenige sind bei Demeter engagiert, weil wir die konsequentesten sind, es gerade keine Fertigprodukte gibt, die der Bäcker zukauft und ohne großen Aufwand als „eigene“ anbietet. So schlossen die Bäcker dann in den Richtlinien die Verwendung von Fertigbackmischungen aus. Dabei tauchten Fragen auf wie: Was macht uns als Demeter-Bäcker aus? Auf welche Ideale können wir uns gemeinsam verständigen? Das Ergebnis ist das Leitbild. Klar, ein Leitbild bedeutet nicht automatisch, dass bei allen Betrieben sämtliche Punkte erfüllt sind. Es dient aber als Orientierung über die Richtlinien hinaus.

Jährlich macht ihr eine Demeter-Brotprüfung, nach welchen Kriterien?

 

Im Januar 2016 findet zum dritten Mal die Demeter-Brotprüfung statt nach dem neu entwickelten PAR-Bewertungssystem. Gemeinsam mit Martin Darting (LE 1-2013 S. 24) und dem Forschungsring haben wir eine für Bio-Brote passende Beschreibung entwickelt. Viel gelernt haben wir hier von den Winzern. Bei den gängigen Prüfschemen wurden nur Fehler angesprochen, nicht die Eigenschaften und Besonderheiten des Produkts. Doch was ist ein sehr gutes Brot? Was erwartet der Verbraucher? Dieser Frage haben wir uns gestellt.

Wie lässt sich das Handwerkliche noch stärker herausstellen?

 

Nun, erst müssen wir uns fragen, wie definieren wir, wie definiert der Kunde „handwerklich“. In der Fachgruppe haben wir Kleinbetriebe bis hin zum Großbetrieb, was aber nichts darüber aussagt, ob handwerklich gearbeitet wird. Ist gemeint, dass jedes Brot, jeder Teig zumindest einmal von Hand bearbeitet werden muss? Oder ist der zunehmende Verbraucherwunsch gemeint, die Produzenten wiederzukennen, zu wissen, woher die Lebensmittel stammen und vor allem, was im Brot drin ist? Viele unserer Bäcker arbeiten in regionalen Strukturen, kennen ihre Lieferanten persönlich. Sie müssen dies jedoch auch vermitteln. In den Demeter-Richtlinien zur Verarbeitung steht, dass beim Einsatz verschiedener Techniken so qualitätsschonend wie möglich vorzugehen ist. Technikeinsatz bedeutet häufig eine Diskrepanz zwischen Verbrauchererwartungen einerseits, und andererseits dem Bemühen, möglichst rationell eine gute Qualität zu liefern. Trotz allem ist die Herstellung von Demeter-Brot und -Backwaren noch zum großen Teil Handwerk.

Im Naturkostfachhandel ist Brot neben Milch eines der Leitprodukte, an dessen Preis und Qualität sich Kunden orientieren. Welche Rolle spielt hier Demeter-Brot?

 

Brot ist oft der „Türöffner“, um neue Kunden für Bio zu begeistern. Nicht selten sind die Brottheken daher im Eingangsbereich der Biomärkte angesiedelt. Nur, weil es ein Demeter-Brot ist, wird es aber nicht automatisch gekauft. An erster Stelle steht nun mal die Optik. Die kann der Kunde im Regal wahrnehmen und sie ist neben der Brotsorte kaufentscheidend. Wenn zuhause das Brot dann auch der Familie schmeckt, freut man sich über den „Mehrwert“ eines Demeter-Brotes. Einen Mehrwert sehe ich für den Handel, da es Demeter-Backwaren eben nicht im Discount oder an jeder Ecke gibt.

Spezielle Ernährungsformen nehmen zu – wird künftig noch so viel Brot gegessen?

 

Ich bin davon überzeugt, dass dies der Fall sein wird. Das Stimmungsbild der Betriebe, die ich gefragt habe, ist zweigeteilt: Im konventionellen Bereich geht der Brotkonsum zurück, aber gegen diesen Trend ist der Brotverkauf in der Biobranche stabil. Das bedeutet, die verbliebenen Brotkunden legen Wert auf Bioqualität, Nachhaltigkeit und Individualität, und diese Kunden wollen Ihr Brot z. B. nicht im Discount am Automaten ziehen. Meine Beobachtung ist, dass bei den meisten Betrieben der Umsatz an Brot und Brötchen nicht zurückgeht. Standortabhängig aber kann es zu Verschiebungen innerhalb des Sortiments kommen. Als Betrieb sollte ich mir immer Gedanken darüber machen, was ich dem Kunden an Mehrwert bieten kann. Auf die wachsende Anzahl an Singlehaushalten reagiere ich dann z. B. mit kleineren Broten. Es muss nicht immer das eineinhalb Kilo schwere Bauernbrot sein.

 

Auch hier regt der Verband seine Mitglieder zur Weiterentwicklung an, in dem wir bei unseren Bäckertreffen erfolgreiche Betriebe gemeinsam besuchen, oder Snackseminare angeboten haben. Demeter ist für den Kunden sicher ein Mehrwert, doch müssen die Produkte sich auch dem Zeitgeist anpassen. So spielt der Faktor Zeit zunehmend eine Rolle beim Einkauf. Früher holte man sich morgens die Brötchen und Nachmittags auf dem Heimweg dann ein Brot, das morgens noch nicht ge­backen war. Heute soll bei Ladenöffnung bereits das gesamte Sortiment zur Verfügung stehen. Erfolgreiche Demeter-Bäcker bieten zudem neben Brot und Brötchen belegte Pausenbrote, den Snack am Mittag, oder aber Suppe, Salat für die Mittagspause an. Wenn der Kunde nach dem Essen dann ein Baguette mitnimmt, hat der Bäcker seinen Beitrag auch zum Abendessen geleistet.

Ist Regionalität ein Thema, bei dem Demeter-Bäcker punkten können?

 

Unsere Mitglieder entscheiden, wo sie ihre Demeter-Rohstoffe einkaufen. Der Verband kann vermitteln, Betriebe zueinander führen, regionale Kreisläufe, langfristige, partnerschaftliche Zusammenarbeit anregen. Regionalität wird ein immer wichtigerer Faktor werden. Der Kunde möchte wissen, wo sein Brot herkommt. Wir müssen uns also darum kümmern, dass wir in den jeweiligen Regionen auch passende Lieferanten, Erzeuger haben, um in der Region gemeinsam wachsen zu können. Der Demeter-Verband reagiert da aktuell mit Stellen für regionale Wertschöpfungskettenmanager.

Demeter Bäcker – das Leitbild

  • Demeter Bäckereien sind Brot-Handwerks-Kultur. Sie verstehen sich als Teil eines sozialen Prozesses vom Züchter, Bauern, dem Müller, dem Groß- bzw. Einzelhändler bis hin zum Konsumenten, einer fairen Wertschätzungskette.

  • Transparenz und Gestaltbarkeit sind dabei wesentliche Qualitäten. Regionaler Einkauf und Vertrieb sind das Ziel. Fruchtbare biologisch-dynamisch bewirtschaftete Böden und angepasste biologisch-dynamisch gezüchtete Sorten sind Voraussetzung für Getreide und Saaten für hochwertige Demeter-Brot- und -Backwaren.

  • Der Mensch steht im Mittelpunkt der Demeter -Bäckerei. Er prägt durch seiner Hände Tätigkeit jedes Produkt. Die Arbeit soll die Mitarbeiter fördern. Weiterbildung und Ausbildung sind deshalb wichtige Aufgaben in Demeter-Bäckereien.

  • Das Backen findet im Lebendigen statt. Schonende Verarbeitung, lange Teigführung, Frische und Reife (von Mehl, Teig und Vorteigen) sind wesentliche Qualitäten bei der Herstellung hochwertige Demeter Brot- und Backwaren.

  • Demeter Brot- und Backwaren sind authentisch. Und sie bereiten Freude. Sie sprechen alle Sinne an und fördern dadurch den Menschen. Ihr ernährungsphysiologischer Wert und ihre Vitalqualität sind hoch.

  • Demeter-Bäcker verstehen sich als Informationsträger, die an Konsumenten vermitteln, was biologisch-dynamische Qualität ist.

  • Jedes Leitbild bedarf der Weiterentwicklung. Regelmäßige Mitarbeit an den jeweiligen Foren ist gewünscht und wird gefördert zur Entwicklung von Menschen, Betrieben und Qualität. Zur Reflektion dienen jährliche Qualitätstest und fachlicher Austausch.