Ernährung

Was sagt Licht über Lebensmittelqualität?

Von Jürgen Strube und Peter Stolz

 

Pflanzen gedeihen bei Licht und leuchten in Dunkelheit. Wird der Tag/Nacht-Wechsel im Messgerät nachgeahmt, so zeigt sich, dass organischer bzw. konventioneller Anbau zu systematisch unterschiedlichen Reaktionen von Pflanzen auf farbiges Licht führen. Samenruhe gehört zum Wesen des Samens: bei Bio-Saatgut war sie messbar gesteigert. Bio-Äpfel erwiesen sich bei der Lichtmessung als fruchttypischer. Dies konnte mit chemischen Untersuchungen bestätigt werden. Möglich wurden solche Aussagen, indem die Messdaten in Beziehung zur pflanzlichen Entwicklung gesetzt wurden.

Was wird gemessen?

Die ganze Probe, z.B. ein Apfel, wird zunächst mit dunkelrotem Licht bestrahlt (angeregt), anschließend wird bei völliger Dunkelheit das Licht gemessen, das sie wieder abgibt. Nacheinander erfolgt der gleiche Vorgang mit rotem, hellrotem, gelbem, grünem, blauem, ultraviolettem und weißem Licht. Ein Schema des Messgerätes zeigt das Photo.

 

Wird die Intensität des verzögert zurückgestrahlten Lichts in einer Graphik dargestellt (Spektrum), so zeigt sich, dass die Rückstrahlung von der Anregungsfarbe abhängt. Je nach Probenart gibt es drei Grundformen der Rückstrahlung, die man als Blatt/Fruchttyp, Samentyp und chemischen Typ bezeichnen kann. Diese drei Typen des Spektrums zeigt Abbildung 1.

Meßbar: pflanzliche Entwicklung und Zerfall

Bei Kwalis wurden mit der Fluoreszenz-Anregungs-Spektroskopie zunächst eine Vielzahl von Proben verglichen. Den untersuchten Proben wohnte eine auffällige Polarität inne. Den einen Pol bilden isolierte chemische Stoffe (in Abb. 1 repräsentiert durch Zitronensäure), die sich durch blaues Licht anregen lassen. Den gegenüber stehenden Pol bilden Früchte und Blätter; sie lassen sich durch Rot, Gelb und Grün anregen. Eine mittlere Stellung nehmen die Samen ein. Als Ruheform der Pflanzen erscheinen sie für die sinnliche Beobachtung wie leblos und sind in der starken Anregbarkeit durch blaues Licht den Chemikalien ähnlich. Andererseits zeigen Samen noch eine gewisse Anregbarkeit durch rotes, gelbes und grünes Licht und offenbaren darin ihre Beziehung zu Lebensprozessen.

 

Wenn diese Systematik berechtigt ist, müsste sich bei der Samenkeimung, also beim Übergang vom ruhenden ins vegetative Leben, das Spektrum der Samen deutlich verändern. Es müsste die Anregbarkeit durch rotes, gelbes und grünes Licht zunehmen und das mittlere Spektrum in Abb. 1 (Weizenkörner) allmählich dem von Blättern ähnlich werden (linkes Spektrum in Abb 1). Genau dies ist der Fall. Die Veränderung des Spektrums von "samenartig" bis "blattartig" ist gut messbar.

 

Interessanterweise gilt vermutlich auch das Umgekehrte. Zwar wurden bislang nur wenige Lebensmittel hinsichtlich der Änderung des Spektrums bei Alterung bzw. Zerkleinerung untersucht, aber bei den bereits untersuchten Lebensmitteln ergaben sich Daten, die z. B. den allmählichen Zerfall pürierter Tomaten in eine Vielzahl einzelner Substanzen nahe legen (Strube et al. 2004).

Reifung kommt als Differenzierung zum Ausdruck

Wachstum und Differenzierung sind bekannte Erscheinungen des pflanzlichen Entwicklungsprozesses, die sowohl auf der Zellebene als auch bei der ganzen Pflanze auftreten. So quillt ein Samenkorn zunächst und bildet anschließend als ersten Differenzierungsschritt Keimling und Wurzel. Nachdem diese einige Zeit gewachsen sind, tritt eine weitere Differenzierung auf: Am Stängel teilt sich ein Blatt ab. Wachstum und Differenzierung wechseln sich weiter ab, so dass schließlich eine voll entwickelte Pflanze aus Stängel und vielen Blättern entsteht.

 

Ein Wechselspiel von Wachstum und Differenzierung gilt auch für den Apfel, wenngleich er als Frucht nur einen Teil der Gesamtpflanze darstellt, neben Wurzel, Stamm, Zweigen und Blättern. Am Anfang seiner Entwicklung, z. B. im kirschgroßen Stadium, ist das Innere des Apfels farblich relativ einheitlich und von wenig differenzierter Gestalt. Erst beim größeren Apfel verfestigt sich das Kerngehäuse, und die Kerne treten deutlich hervor. Mit Annäherung an die Reife wechseln sie schließlich ihre Farbe von weißlich hin zu braun. Auch die Schale verändert sich, abhängig von der Sorte, vom anfänglich einheitlichen Grün über gelbliche Farbtöne zu verschiedenen Nuancen von Rot. Im Apfel entstehen mit zunehmender Reife zusätzlich Zucker und Aromastoffe. Reifung kann deshalb allgemein auch als zunehmende Differenzierung bezeichnet werden. Bei einem gepflückten Apfel hält sich dieser Zustand einige Zeit mit nur geringen Veränderungen. Irgendwann jedoch wird der Apfel mürbe, weich und geht allmählich in fauligen Zerfall über - die ehemals hoch differenzierte Ordnung der Frucht vergeht wieder.

 

Reifung als Differenzierung aufzufassen, eröffnet die interessante Perspektive des Messens polarer Verhältnisse. Beim Apfel müsste am Fruchtfleisch ein fruchttypisches Spektrum und an den Kernen (Samen) ein samentypisches Spektrum gemessen werden können. Das ist tatsächlich der Fall.

 

Beim Apfel lässt sich, wie bei vielen Proben, das Spektrum vereinfacht durch einen charakteristischen Zahlenwert ersetzen, das Gelb/Blau-Verhältnis. Wenn der Gelb-Wert steigt, sinkt nämlich der Wert bei Blau und umgekehrt. Die Abbildung zeigt die Veränderung des Gelb/Blau-Verhältnisses bei der Reifung von Äpfeln, im oberen Teil für das Fruchtfleisch, im unteren Teil für die Kerne. Die Äpfel stammten aus einem Versuch des Louis-Bolk-Instituts (LBI, Driebergen/NL) (Bloksma et al. 2001). Das Gelb/Blau-Verhältnis im Spektrum des Fruchtfleischs wird mit zunehmender Reife immer fruchttypischer, es steigt. Entsprechend umgekehrt verläuft das Gelb/Blau-Verhältnis bei den Kernen, es sinkt und wird damit samentypischer.

 

Bei Getreide stehen zur Untersuchung praktisch ausschließlich die Körner zur Verfügung. Durch Vergleich des Gelb/Blau-Verhältnisses lassen sich auch diese Proben unterscheiden und hinsichtlich ihrer Samenruhe beurteilen. An Weizen aus dem Versuchsanbau des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL, Schweiz) war es in den inzwischen vier untersuchten Anbaujahren ohne Probleme möglich, die Bio- bzw. konventionellen Varianten anhand der unterschiedlich samentypischen Ausprägung (Gelb /Blau-Verhältnis) richtig herauszufinden.

 

Die konventionelle bzw. biologisch-dynamische Saatgutherkunft ließ sich bei einem Anbauversuch von Hiß und Buchmann mit weißen Bohnen (Buchmann et al. 2000) noch nach zwei Anbaujahren unterscheiden. Dabei waren konventionelles und biologisch-dynamisches Saatgut (jeweils Sorte Trebona) zwei Anbauzyklen parallel geführt worden. Der Anbau erfolgte biologisch-dynamisch in Erde und erdelos in Nährlösung. Sowohl beim Anbau in Erde als auch beim erdelosen Anbau war nach zwei Anbauzyklen das biologisch-dynamische Saatgut mittels der Fluoreszenz-Anregungs-Spektroskopie deutlich vom ehemals konventionellen Saatgut zu unterscheiden (Strube et al. 2004). Aus der Bohnenuntersuchung kann man schließen, dass es sinnvoll sein kann, statt der gegenwärtig geforderten zwei Anbaujahre für Bio-Saatgut künftig eine noch längere Bio-Kultivierungszeit zu fordern, z. B. vier Jahre. Nach wie viel Anbaujahren tatsächlich eine Angleichung eines ehemals konventionellen Saatguts durch fortgesetzten Bio-Anbau eintritt, müsste man experimentell prüfen. Allerdings sollten vielleicht vorher Hybridsorten gründlicher untersucht werden. Vermutlich besteht auch dafür noch erheblicher Erkenntnisbedarf.

Biologisch-dynamischer Anbau messbar samentypischer

Bei als Rohstoff für pharmazeutische und kosmetische Zwecke vorgesehenen Samen der Ringelblume (Calendula) wurden wir um eine Beurteilung mittels Fluoreszenz-Anregungs-Spektroskopie gebeten. Jede der verschlüsselt eingesandten Proben bestand aus helleren und dunkleren Anteilen. Um einen Einfluss unterschiedlicher Mischungsverhältnisse auszuschließen, wurden helle und dunkle Anteile jeweils getrennt gemessen. Zwei Proben erwiesen sich anhand des Gelb/Blau-Verhältnisses als samentypisch, eine als relativ vegetativ geprägt. Auch zwischen den beiden samentypischen Proben war noch ein deutlicher Unterschied messbar. Wie sich später herausstellte, war es die biologisch-dynamische Probe, die nach den Messdaten die ausgeprägteste Samenruhe aufwies.

Bio-Futter bei Legehennen

Hinweise auf die Wirkung biologischer Lebensmittel beim Menschen ergaben sich aus der als Klosterstudie bezeichneten Untersuchung von Huber et al. (2003) wie auch aus Tierfütterungsexperimenten (Velimirov 2001). Über das Licht ließ sich bei Legehennen die Wirkung unterschiedlicher Fütterung am Eidotter messen (Köhler 2001). Hohe Lichtemission des Dotters ist nach Vergleichen mit dem Gefiederzustand als günstig zu beurteilen. Auch bei Untersuchungen von Eiern aus der Praxis zeigten sich deutliche Unterschiede der Lumineszenz (Abb. 4). Die Eier wurden bei Erzeugern abgeholt bzw. im Handel gekauft und codiert an Kwalis zur Messung gegeben (Mehlhase 2002).

 

Bei diesen aus der Praxis stammenden Eiern ist vermutlich davon auszugehen, dass die Hennen der Boden- und Käfighaltung konventionelles Futter erhielten, während die Bio-Betriebe überwiegend organisch angebautes Futter einsetzten. Nach den Untersuchungen von Köhler ist zu erwarten, dass die höheren Messwerte der Bio-Eier sowohl auf dem Einfluss der biologischen Fütterung als auch der Freilandhaltung beruhen Die Daten zweier biologisch-dynamischer Betriebe im Mittelfeld (siehe Abb. 4) gaben Anlass zur Nachfrage bei diesen Erzeugern, insbesondere auch deshalb, weil einer der beiden Demeter-Betriebe in einer vorangegangenen Untersuchung einen Spitzenplatz eingenommen hatte. Es ergab sich, dass vor dieser Untersuchung aufgrund besonderer Umstände von diesen Betrieben im erlaubten Rahmen auch zugekaufte Futteranteile verwendet worden waren.

Art-typische Reife durch Bio-Anbau

Die bisher untersuchten pflanzlichen Produkte ließen je nach Anbauweise unterschiedliche Reife anhand der Merkmale Samenruhe und innere Differenzierung erkennen.

 

Verbindet man die dargestellten Ergebnisse mit ebenfalls durchgeführten chemischen Untersuchungen der verschiedenen Stufen des Stickstoff-Stoffwechsels beim Proteinaufbau, so kann man schließen, dass der konventionelle Anbau mit intensiver mineralischer Düngung durch Nährstoffschub die Wachstumsphase intensiviert. Der späteren Reifephase der Pflanzen fehlt jedoch eine entsprechende Intensivierung. Die Folge ist, dass die Pflanzen ein Übermaß an vegetativer Prägung aufweisen und Zeichen geringerer innerer Reife erkennen lassen.

 

Im biologischen Anbau erfolgt die Nährstoffversorgung vermutlich eher mittelbar, unter Beteiligung der Organismen des Bodens. Die Pflanze wird weniger stark gedrängt, das Verhältnis von Wachstum zu Reife ist ausgeglichener. Es ergibt sich eine im Verhältnis deutlich stärkere art-typische Ausreifung.

 

Bisherige Daten geben Anlass zu der Vermutung, dass die biologisch-dynamische Anbauweise durch ihre Präparate das Verhältnis von Wachstum und Reife noch stärker harmonisiert. Sie lieferte in unseren Untersuchungen oft die am deutlichsten art-typisch ausgereiften Produkte.

Quellen

  • Bloksma, J., et al. (2001). Parameters for Apple Quality. Part 1 Report. Louis Bolk Instituut. Driebergen. 2001. 90 74021 22 0

  • Buchmann, M., et al. (2000). Wachsen Pflanzen ohne Boden anders? Qualitätsforschung am Beispiel bodenunabhängiger Kulturverfahren im Vergleich zu Biologisch-Dynamischer Wirtschaftsweise. Lebendige Erde (4/2000) S. 46-47

  • Huber, K., et al. (2003). Wie wirkt die Erzeugungsqualität von Lebensmitteln? Kann eine konsequente Ernährung mit vorwiegend biologisch-dynamisch erzeugten Lebensmitteln Veränderungen im körperlichen, seelischen und geistigen Bereich hervorrufen? - Ergebnisse der Ernährungs-Qualitäts-Studie des Forschungsring (Klosterstudie). Lebendige Erde (4/2003) S. 42-47

  • Köhler, B. (2001). Der Einfluß von Haltung, Fütterung und Beleuchtung auf die Biophotonenemission (delayed luminescence) sowie herkömmliche Qualitätsparameter von Hühnereiern. KWALIS Qualitätsforschung Fulda GmbH, Dipperz. 3-935769-00-8

  • Mehlhase, J. (2002). Herkunftsbestimmung von Hühnereiern durch Isotopenmassenspektrometrie und Biophotonenanalytik. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Landwirtschaftliche Fakultät, Fachbereich Oecotrophologie. Bonn. Diplomarbeit. 181 Seiten

  • Strube, J., et al. (2004). Lebensmittel vermitteln Leben - Lebensmittelqualität in erweiterter Sicht. KWALIS Qualitätsforschung Fulda GmbH, Dipperz. 3-935769-01-6

  • Velimirov, A. (2001). Ratten bevorzugen Biofutter. Ökologie & Landbau (117) S. 19-21