Ernährung
Mühlsteine von Hand
Von Michael Ammich

Er ist der Letzte seiner Zunft in Deutschland: Seit 25 Jahren fertigt Wolfgang Strakosch aus Dillingen (Donau) in Handarbeit Mühlsteine an, wie sie in Bio-Bäckereien und Bio-Hofläden zum Einsatz kommen. Der gelernte Landwirt, Müller und Mühlenbauer überliefert damit ein vergessenes Handwerk und ist als "Historischer Mühlenbauer" in der Handwerksrolle eingetragen.
Schon während seiner Arbeit in einer Mühle in Donaualtheim war der heute 53jährige von der Mühlentechnik fasziniert, besonders vom Mühlsteinbau. Um dieses Handwerk von Grund auf zu lernen, ging er mit zwei Mühlenbaumeistern auf Montage. Strakosch absolvierte zusätzlich eine landwirtschaftliche Ausbildung, arbeitete acht Jahre lang als Betriebshelfer. Heute, nach einem Studium der Sozialpädagogik, leitet er in Giengen ein Schülerheim. Der Mühlenbau aber hat ihn nicht mehr losgelassen, ist zu einem intensiven Hobby geworden.
Gut zwanzig Naturmühlsteine hat der Dillinger angefertigt, zahlreiche weitere restauriert und gepflegt. Seine Kunden sind vor allem Mühlenmuseen, Mühlen, Bio-Bäcker und Biobauern, über ganz Deutschland verteilt, so etwa im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, oder einer Mühlenbäckerei bei Heidelberg. Die Steine, Basalt, den schon die Römer für Mühlen benutzten, beschafft er in einem Steinbruch in der Eifel, wo sie achteckig zugeschnitten werden. Die bis zu einer Tonne schweren Rohlinge sind, da vulkanischen Ursprungs, porös, haben über den ganzen Stein verteilt feine Löcher mit scharfen Rändern - ideal zum Mahlen von Getreide. Ein guter Mühlstein zeige "natürliche Griffigkeit, Härte und Zähigkeit", erklärt Strakosch.
Mangels Werkstatt bearbeitet er die Basaltlavarohlinge direkt bei seinen Kunden, wie die alten Mühlenbauer, die ihre Steine auf der Wanderschaft bei den Mühlen anfertigten. Für seine Arbeit benötigt der Mühlenbauer neben Fingerspitzengefühl nur die Bille, eine Art Doppelmeißel mit Hammerstiel, dazu Stockhammer sowie Hammer und Meißel. Entlang einer Umrisslinie des künftigen Mühlsteins wird alles Überflüssige abgeschlagen - so werden Bodenstein wie auch Läuferstein, der sich später drehen wird, gerundet. Der Läuferstein erhält in der Mitte das sogenannte Steinauge, ein Loch, durch das das Getreide zwischen die Steine rinnt. Dies wird mit Hammer und Meißel herausgeschlagen oder, bequemer, herausgebohrt. Rings um das Auge schrägt Strakosch den Mühlstein ab, damit das Getreide eingezogen wird. Die schräge Fläche wird als "Schluck" bezeichnet.
Bei beiden Steinen rauht Strakosch die Mahlflächen auf und hämmert vorsichtig die Mahl- und Luftfurchen hinein. Durch die zwei bis zweieinhalb Zentimeter breiten Furchen läuft das Getreide über Schneidekanten zu den Mahlflächen. Durch die Poren der Basaltlava und die Furchen gelangt Luft an das Getreide. Die Luft sorgt dafür, dass das Korn beim Mahlen nicht zu heiß wird und dadurch wertvolle Vitamine und Backeigenschaften verliert. Der Stein muss rauh sein, damit er das Getreide "anfasst", erklärt Strakosch. Vom Furchenzug und von der Zentrifugalkraft des sich drehenden Mühlsteins wird das Mehl schließlich zur Seite geschoben und läuft über das Mehlrohr in den Mehlsack.
Für die verschiedenen Mahlgänge gibt es natürlich verschiedene Steine. "Aber für das Mahlen von Vollkornmehl sind Mühlsteine aus Basaltlava am besten geeignet", betont der Mühlenbauer, der von Kunstmühlsteinen wenig hält. Deren Bindemasse geht auf Kosten der Mahlfläche und so brauche man, um die gleiche Menge in der gleichen Zeit zu mahlen, einen größeren Kunststein als den Naturstein. Die Basaltsteine vermahlen das Korn bei guter Leistung zu einem sehr feinen, gleichmäßigen und recht kühlen Vollkornmehl. Zudem hält so ein Stein 100 Jahre. 60 Euro kostet ein Basaltrohling von 25 Kilogramm im Steinbruch - einen Tag braucht der Stein. Wiegt der eine Tonne, das entspricht 1,1 m Durchmesser, dauert es eine Woche. Der Mühlsteinhauer berechnet 200 Euro für einen kleinen, 1000 Euro für einen großen Mühlstein. So ist es nicht das Geld, das Strakosch zur Ausübung dieses Handwerks antreibt, sondern die Freude am Lebendighalten einer handwerklichen Tradition.