Portrait

Kühe und Käse, Gemüse und Schweine

Die Hofgemeinschaft Heggelbach veredelt Reste durch Schweinemast

Von Michael Olbrich-Majer

 

Gibt es Demeter-Betriebe, die in größerem Umfang Schweine halten? Der Markt fragt nach Öko-Schwei­ne­fleisch und selbst in konventionellen Landwirt­schaftszeitschriften werden mit Fachartikeln Umsteller geworben. Die Schweinemast aber spielt in den allermeisten biodynamischen Betrieben keine Rolle, allenfalls ein paar Resteverwerter werden gehalten. Höfe, die eine nennenswerte Zahl Schweine mästen oder gar Ferkel erzeugen, sind rar, darauf spezialisiert sind nur wenige.

 

Auch auf dem Heggelbachhof, in steilen Hügeln am nördlichen Bodenseeufer gelegen, sind die Schweine nicht der tragende Betriebszweig. Als die Hofge­meinschaft 1986 mit drei Familien anfing, waren die Arbeitsgebiete: Kuhstall, Außenwirtschaft, Käserei. Um die Molke zu verwerten, wurden nach und nach Schweine angeschafft. Mit 40 Hektar ging es damals los, inzwischen sind es 145. Damals wurden selbst kleine Partien Getreide zum doppelten heutigen Preis von weither abgeholt. Der stete Preisverfall und die Suche nach Auslastung der betrieblichen Arbeitskräfte ließen den Betrieb wachsen. Land pachtete man von den Nachbarn, die nach und nach aufgaben. Die Zahl der Kühe stieg von 25 auf 45 und mit dem wachsenden Umfang der Käserei langsam auch die Zahl der Molkeverwerter. 50 Schweine im Jahr waren es anfangs, heute sind es rund 300.

Rüsseltiere runden den Betrieb ab

Seit 1993 baut Thomas Schmid, verantwortlich für die Außenwirtschaft auf dem Hegelbachhof, auch Feld­gemüse an. Das vermarktet er über den regionalen Biogroßhändler Bodan und seit 1999 auch an die Firma Feneberg, Supermarkt mit regionalem Biosortiment. Auch Kliniken zählen zu den Kunden. Den Abfall vom Gemüseputzen verwerten praktischerweise die Schweine. Der Feldgemüsebau hat sich zu einem umfangreichen Standbein entwickelt, Thomas Schmid wollte lieber bei Gemüse wachsen als beim relativ schlecht bezahlten Brotgetreide. Seit 2000 baut er nur noch Futtergetreide an, einen Hektar Saatgetreide für den Züchter Bertold Heyden ausgenommen. Mit dem selbst erzeugten Futter spart er Kosten und gelangt zu einer vernünftigen Verwertung der Getrei­deflächen, die in der Fruchtfolge nötig sind.

 

Von den 75 ha Acker stehen auf einem Drittel Feldgemüse: Rote Bete, Zwiebeln gelb und rot, Schalotten, Sellerie, Pastinaken sowie Petersilienwurzeln. Auch 7 ha Kartoffeln und als Besonderheit 5 ha Zuckermais gehören hierzu. Das Gemüse geht nicht nur frisch vom Hof: Um die Vermarktung zu optimieren, bietet der Heggelbachhof auch abgepacktes Suppengrün, sowie geschälte Kartoffeln bzw. rote Bete an, die ebenso wie ein Teil der Maiskolben vakuumiert und dampfgegart werden. Viel Handarbeit fällt an und so ist die Außenwirtschaft der an Arbeitskräften reichste Betriebszweig: vier Arbeitskräfte, daneben Saisonarbeiter und übers Jahr 25 Waldorfpraktikanten. Mit den Schweinen lässt sich hier ein Verantwortungsbereich schaffen. Nützlich ist auch der Schweinemist: er wird mit Wascherde und Abfällen, ebenso wie der Mist aus dem Tieflaufstall mit biodynamischen Präparaten kompostiert. Den Kompost kann die Hofgemein­schaft für Kartoffeln und hauptsächlich Grünland gut brauchen, aus dem Kuhstall gibt es nur Gülle.

 

Dafür aber liefert die Käserei Molke von 200.000 Litern Milch für die Schweine. Einen Hart-, zwei halbfeste und einen Weichkäse stellt Rolf Raneburger her. Bergkäse, Tilsiter, Schibli und Camembert gehen vor allem an Wiederverkäufer, ein Viertel an den Großhandel. Heufütterung für die Kühe ist da selbstverständlich, das besorgt Thorsten Krug, der vor zwei Jahren in die Betriebsgemeinschaft eingestiegen ist und den Kuhstall und was dazu gehört, führt. Beim Kleegras schließt sich dann der Kreis zu Außenwirtschaft wieder: Der Anbau ist Sache der Außenwirtschaft, mähen und Abfahren die des Stallteams.

 

Mastschweine können also unter verschiedenen Aspekten eine Ergänzung im Betrieb sein, wenn man sie vermarkten kann. Anfangs, direkt ab Hof, ging es schleppend. Schweinefleisch war in der Ökoszene verpönt, manche sagten ihm Giftstoffe nach und wenn, dann gingen nur Edelteile. Der Hofgemeinschaft blieben die Haxen. Auch über einen mittelständischen Einzelhändler lief die Vermarktung zäh, erst 1996, als Bioland Schweine suchte und sich die Erzeu­ger­gemeinschaft Rebio gründete, ging es voran, und Thomas Schmid konnte ans Aufstocken denken. Doch sagt er von sich, dass er beim Investieren gerne vorsichtig ist. Die Geräte zur Gemüseaufbereitung sind gebraucht, ebenso waren es die ersten Schweinehütten.

Haltung: aus Erfahrung gelernt

Mehr Schweine halten, aber wo und wie? Eine kleine Gruppe kann man ja immer improvisieren, aber mit dem Wachstum mussten neue Überlegungen angestellt werden. Fünf Jahre probierte Thomas Schmid es mit Hüttenhaltung auf insgesamt 130 qm. Mit dem damit verbundenen Rein- raus-Verfahren erwies sich die Ferkelbeschaffung als Problem: die kamen nicht kon­tinuierlich oder in Gruppen, sondern waren letzt­end­lich bunt zusammen gewürfelt, was Stress für die Tiere bedeutete. Auch die Schlachtreife war innerhalb der Gruppen sehr unterschiedlich. Auf Hof Dannwisch, einem Demeter-Betrieb in Schleswig Holstein, sah Thomas Schmid Schweine und Rinder in einem Stall laufen. Er riss Abtrennungen raus, schuf einen Auslauf und ließ Kälber und Schweine zusammen. Das Einfügen von Neuzugängen in die Gruppe war plötzlich ganz einfach.

 

Aktuell wird die Schweinehaltung auf dem Heggel­bachhof extensiv betrieben. Drei Gruppen, je nach Alter, in drei Ställen gibt es. Bis zu 50 kg schwer springen 70 kleine in einem Teil des Kuhstalls um her. Die großen der kleinen, 20 bis ca. 60 kg schwer, lüm­meln in einem kleinen Stall an der Rampe zum Kuh­stall. Und 70 Tiere verteilen sich im Endmaststall. Die Liegebereiche sind überdacht und eingestreut, der Auslauf ist betoniert, gerade frisch abgeschoben, aber schon wieder mit Gemüseabfällen zum Wühlen bedeckt. Da Thomas Schmid Ökoferkel kauft, organisiert über die Erzeugergemeinschaft, tummelt sich in den drei Stallungen eine bunte Rassenvielfalt. Suhle gibt es nicht, dafür wird im Trog gebadet oder die sommers angestellte Feinnebeldusche ausgiebig genutzt. Ins­gesamt ermöglicht die Außenhaltung gesunde Tiere. Allerdings gab es mit der nach einem Brand aufgebauten Scheune ein Malheur: Wo vorher Holz war, verschlechterte eine Betonwand das Stallklima im Liegebereich: Zwölf Tiere bekamen Lungenentzün­dung - die Wand wurde rausgerissen und durch Holz ersetzt; die Schweine blieben gesund.

Gut anfüttern und Reste des Betriebes verwerten

Zu futtern gibt es reichlich und vielfältig: Molke mit Getreide, Leguminosenmischung ad libitum, Futter­reste aus dem Kuhstall, allerlei Abfälle vom Gemü­se­­putzen. Für die Getreidemischung sät Thomas Schmid Wintergerste im Gemenge mit Wintererbsen der Sorte EU33, baut Süßlupinen und Ackerbohnen an. Damit ist die Versorgung mit 100% eigenem Futter möglich, der nötige Eiweißanteil von 30% ist kein Problem. Gemischt wird nach der Untersuchung von Gemen­ge­proben über eine Durchlaufwaage. Allerdings sind es weniger Fressplätze als Schweine, so dass das ein oder andere langsam wachsende Tier nicht mehr aufholt. Die neuen Ferkel bekommen in der Ration zusätzlich 20-25% Bioland Ferkelergänzer. "Der Erfolg liegt in der Anfütterung", so ist Thomas Schmids Erfahrung, so kommen sie gleich in Wachstumsstimmung.

 

Insgesamt ist der Landwirt zufrieden mit der Wirtschaftlichkeit des Betriebszweiges. Die Schweine tragen ordentlich zum Betriebsergebnis bei, das Gemüse und die Käsereierlöse bilden die Hauptstand­beine. Zwar ist der Schweinebereich rentabel - "die Molke macht´s" so Thomas Schmid, könnte aber dennoch verbessert werden. Doch das kollidiert mit der geringen Intensität und knapper Arbeitskapazität. So könnte das Futtermanagement effektiver und angepasster sein - anderseits ist das der Arbeitsplatz für Praktikanten oder Lehrlinge. Vor allem die heterogene Zusammensetzung der Tiergruppen hinsichtlich Alter und Zunahmen und die schwierig zu realisierende Auswahl der Schlachttiere erschweren, dass die Schlachtqualitäten punktgenau beim gewünschten Magerfleischanteil landen.

 

Bezahlt wird in der Erzeugergemeinschaft nach einem Magerfleischanteil von 54,5 %, die Schweine vom Heggelbachhof liegen zwischen 50 und 58%. In der Regel gleicht der Metzger das aus - geschlachtet wird im 30 km entfernten Mengen bei der Firma Möhrle, einem Schlachthof mit Biozertifizierung. Die Ferkel­lieferung und Erfassung wird von Rebio gemanagt. Künftig wollen die Erzeuger auf eine bessere Genetik achten, ist diese doch wesentlich für den Magerfleischanteil. Und Thomas Schmid hofft auf einen neuen Ferkelerzeuger in der Nähe, dann werden auch die Ferkelpartien einheitlicher.

Demeter-Vermarktung: Mit Partnern direkt und im Einzelhandel

Die Vermarktung läuft zu einem Viertel über Walter Tepel, der auch für das Demeter-Hofgut Rengoldshausen Ochsen schlachtet und direkt vermarktet, an Kliniken, Gastronomie und über Abos. Der Rest geht über Rebio, die dafür einen Demeter-Handelsvertrag haben. Ein Absatzfonds, in den alle einzahlen, gleicht geringere Preise bei konventioneller Vermarktung aus.

 

Aktuell ist die Nachfrage nach Demeter- Schweinefleisch durch den Einstieg des Großhändlers Okle gestiegen: der will konventionelle Einzelhändler mit einem Demeter- Sortiment ausstatten. Die Schweine werden über Rebio gehandelt, Okle und sogenannte qualitätsorientierte Einzelhändler schließen in diesem Modell Verträge mit dem Demeter-Bund. Aller­dings kann der Heggelbachhof die erforderlichen jährlich 250 Schweine nicht alleine liefern - Demeter-Mäster in der Region werden noch gesucht. Die Würste des ersten Jahres dürfen noch 30% Biolandschwein ent­halten. Aktuell gehen zwei bis vier Tiere in der Woche vom Heggelbachhof an Okles Tochterunternehmen Landliebe. Das verarbeitet sie in traditionellem Handwerk zu Edelteilen bei Fleisch und einem Wurstsor­ti­ment, beides in gängigen Gebinden für die Selbst­bedienungstheke. Das Sortiment ist noch im Aufbau und umfasst Brühwürste wie Wiener, Lyoner, Fleisch­wurst oder Rostbratwurst, geplant sind auch Rohschinken und Salami. Mit der Eigenmarke Frischland und dem Demeter-Label sind so biologisch-dynamische Fleischwaren bei aktuell fünf Einzelhändlern im süddeutschen Raum zu haben. Okle beliefert in Baden und im Vorderallgäu knapp 400 Nah­ver­sor­ger, die ein regionales Profil zwischen Discountern und Edeka suchen, davon werden mittelfristig wohl 20 bis 30 Demeter-Ware verkaufen.

Hofgemeinschaft als steter Prozess

Acker, Gemüse und Mast sind aber nicht die einzigen Aufgaben, die Thomas Schmid umtreiben. In der Geschichte der Hofgemeinschaft waren so einige Schwierigkeiten zu meistern. Zwar stiegen die drei Familien gut vorbereitet, mit Praxiserfahrung und notariell geregelten Vereinbarungen ein - beim GbR-Vertrag wurden sie von Christan Czesla beraten. Der Hof traf das, was sie suchten und die Finanzierung für ein gemeinsames Wohnhaus über die GLS- Bank stand ebenfalls. Doch Liquiditätsprobleme des Starts und Schwierigkeiten in der sozialen Gestaltung führten dazu, dass sie sich Hilfe in Form einer Supervision suchten. Damals wurde die Verantwortung für die Betriebszweige neu geregelt - jeder hatte dann eigene Kunden, Milchkunde war die Käserei (zu 55 ct je Liter). Die Direktvermarktung über eine Bauerngemeinschaft Bodensee war nur bedingt ein Erfolg: in Läden und Wochenmärkten wurde sie mehr zum Händler, die Eigenvermarktungsquote fiel auf 30%, so das die Bauern die Erzeugergemeinschaft wieder auflösten. 1993 musste dann der Ausstieg einer Grün­dungsfamilie aufgefangen werden. Ermöglicht durch den GLS- Landwirtschaftsfonds gingen in dieser Situation Grund und Boden des Hofes in einen gemeinnützigen Träger über, die Mercurialis- Gemeinschaft. Dieser vor allem im Bereich anthroposophischer Medizin, Pflege und Gesundheitsvorsorge tätige Verein erweiterte dazu seine Satzung, die aktuellen wirtschaftlichen Verpflichtungen blieben bei der GbR. Die Suche nach einer Nachfolgerfamilie, die blieb, dauerte dennoch fast zehn Jahre.

 

Dass Nicht- Landwirte sich konkret für Landwirtschaft interessieren (können) zahlt sich aus. So gibt es eine lebendige Präparatearbeit: Auf dem Heggelbachhof werden alle biodynamischen Präparate selbst gemacht und auch zum Teil gemeinsam ausgebracht, meist auf den Flächen, wo kein Schlepper hinkommt. Daran und an der Arbeit zum Verständnis der Präparate nehmen zwischen 10 und 20 Menschen teil. Auch Landschafts- und Obstbaumpflege rund um den schön gelegenen Heggelbachhof läuft über den Verein, 2,5 Kilometer Hecken wurden so gepflanzt. Dass Thomas Frau Ulrike, die sich sonst um Buchhaltung, Personal und Vermarktung an die Kliniken kümmert, gelernte Landespflegerin ist, ist da eine gute Unterstützung. Ein paar mal im Jahr gibt es ein Sonntagsfrühstück mit Vereinsmitgliedern und ausgewählten Kunden, zum Austausch oder auch mal zur Vogelkunde.

 

Im Moment beschäftigt sich die Hofgemeinschaft wieder mit dem Nachfolgethema. Schließlich sind die Anfänger von damals inzwischen fünfzig. Seit 2003 führt die Familie Krug - vor allem Thorsten - den Kuhstall. Die Abmachung, nach einem Jahr Probe zu entscheiden, war beiden Seiten hilfreich. Denn die Integration Neuer in eine bestehende Betriebsge­mein­schaft braucht transparente Verhältnisse und einen gezielten Integrationsprozess. Nicht nur steuerliche und rechtliche Hürden beim Kapitalübergang galt es zu bewältigen, auch ein gemeinsames Leitbild wurde erarbeitet, in dem die Neuen sich einbringen konnten. Sollten Jona Kreis oder Florian Reyer, die zur Zeit als Meister im Gemüsebereich arbeiten, demnächst in die Gemeinschaft einsteigen, steht das wieder an. Die Schmids und Raneburgers haben es sich so ausgesucht: für Thomas Schmid war Landwirtschaft immer auch ein soziales Thema. Klar dass er nebenbei noch in der Werkstatt für Unternehmensentwick­lung mitmacht und regelmäßig mit Landwirten und Gärtnern von fünf bis sechs Betrieben an aktuellen Entwick­lungs­fragen arbeitet.

Betriebsspiegel

  • 145 ha, davon 18 ha Feldgemüse (u.a. 5 ha Zuckermais), 60 ha Grünland Fruchtfolge: 2jährig Kleegras, Gemüse/Kartoffeln, Getreide (Weizen oder Triticale mit Wintererbsen) Gemüse, Leguminosen und Hafer/Gerste/Erbsen

  • 45 Kühe, Milch komplett verkäst, Molke für die Schweinemast 20 Schafe, ca. 16 Hühner, Gänse und Enten

  • Vermarktung: jeder Hofbereich vermarktet selbst an regionalen Groß- und Einzelhandel, Kliniken, Schweine auch über qualitätstorientierten Einzelhandel

  • Betriebsgemeinschaft: GbR aus drei Familien, insgesamt 28 Arbeitskräfte; Arbeitsbereiche: Käserei: Rolf und Karin Raneburger 1,5 AK / Stall: Torsten Krug plus 1,5 Lehrlinge / Außen,Schweine: Thomas Schmid mit 1- 2 Meistern, 1,5 Lehrlingen, 6 Saisonarbeitern und 2-4 Waldorfpraktikanten / Buchhaltung, Verwaltung: Ulrike Schmid / Hauswirtschaft: U.Schmid und Kerstin Krug

Hofgemeinschaft Heggelbach http://www.heggelbach.de
D-88634 Herdwangen
Landwirtschaft: 07557/8668, Fax -8850, landwirtschaft(at)heggelbachhof.de
Käserei: 07557/1542, Fax-1639, kaeserei(at)heggelbachhof.de