Berichte & Initiativen

Bio-Dynamisch = un-wissenschaftlich

Fragen an Nikolai Fuchs, Sektionsleiter Landwirtschaft am Goetheanum

Die Fragen stellte Michael Olbrich-Majer

 

Herr Fuchs, immer wieder mal hört man, dass die biologisch-dynamische Landwirtschaft unwissenschaftlich sei, oder gar, dass sie auf bloßem Glauben an Aussagen Rudolf Steiners beruhe. Sogar die Science-Publikation zum DOK-Versuch provozierte solche Äußerungen. Mehr als fünfzig Jahre Institut, noch länger biologisch-dynamische Forschung, sind solche Vorwürfe nicht überholt? Worauf bezieht sich solche Kritik?

 

Man muss diese Kritiken zunächst sortieren, um zu ihrem Kern vorzudringen. Für manche Kritiker reicht der Umstand, dass Rudolf Steiner kein ausgewiesener Naturwissenschaftler war, von daher seine Angaben zur Landwirtschaft nicht stimmen können. Dieser Vorwurf an sich ist unwissenschaftlich, weil die Phänomene, die auftreten, nicht als solche zur Kenntnis genommen werden, was eigentlich Aufgabe eines Naturwissenschaftlers ist.

 

Andere schauen sich die wissenschaftlichen Ergebnisse der biodynamischen Forschung an, und bezweifeln diese. Mal ist es methodische Kritik, z. B. an Versuchsaufbau, Umfang der Wiederholungen etc., mal wird die Versuchsfrage selbst skeptisch betrachtet. Das ist in der Wissenschaft allerdings nicht unüblich. Lässt man alle so relativierten Ergebnisse außer Betracht, dann bleiben tatsächlich nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen mit positiven Resultaten übrig, die auch von sehr kritischen Wissenschaftlern anerkannt werden. Diese zeigen aber oft Systemergebnisse, d.h. man kann nicht genau ableiten, auf welchem Einzelaspekt die gefundene Wirkung beruht.

 

Also irgendwie wirksam, aber unklar warum, und so fehlt der letzte Beweis?

 

Jein. Es gibt ja anerkannte Ergebnisse. Aber an der trotzdem geäusserten Kritik gibt es Bemerkenswertes: Die Angaben von Steiner seien so unspezifisch, dass man keine ordentlichen Hypothesen bilden könne; und bei den anerkannten Ergebnissen würden es die Versuchsansteller unterlassen, genauer den bewirkenden Faktoren im Sinne von Wirkungsmechanismen nachzuforschen. Daran wird aber eher deutlich, dass der von diesen Kritikern angelegte Wis­sen­schaftsbegriff nicht ausreicht, um das worum es geht, zu greifen: Im Lebendigen hat man es nicht mit einfachen, monokausalen Ursache-Wir­kungs­beziehungen zu tun, da läuft man schnell Gefahr, "unwissenschaftlich" sein. Das sagt aber mehr über den jeweiligen Wissenschaftsbegriff als über den Untersuchungsgegenstand aus. Das Problem vieler biodynamischer Versuche dabei ist, dass sie sich mit der Art der Versuchsanstellung diesem Wissenschaftsparadigma unterwerfen: dann darf man sich über Kritik nicht wundern.

 

Ist die Kritik der Unwissenschaftlichkeit demnach nicht zutreffend?

 

Ja und nein. Es gibt ja Bereiche in der Natur oder der Landwirtschaft, die sich mit naturwissenschaftlichen Methoden, die mehr der Anorganik entlehnt sind, erfassen lassen. Da muss man die Standards einfach erfüllen. Da­ne­ben gibt es lebendige Bereiche, und hier muss die Versuchsanstellung anders gegriffen werden. Es gibt aber noch einen Bereich, der darüber liegt. Interessanterweise wird in den Kritiken auch der Vorwurf erhoben, die Autoren der biodynamischen Ergebnisse hätten nicht verdeutlicht, dass sie "okkultes Wissen" zur Grundlage ihrer Forschung gemacht haben, und auch nicht, wie sie selbst dazu stehen. Das ist interessant, denn hier stellt sich die Frage nach den Erkenntnishin­ter­gründen - einem Massstab, dem sich die anderen Forscher bzw. Kritiker meist auch nicht stellen. Das könnte ein Dialogfeld für die Wis­sen­schafts­debatte eröffnen. Auf jeden Fall sollte diese Forderung von allen Seiten, auch den Forschern, die sich mit biologisch-dynamischen Inhalten beschäftigen, auf fruchtbare Weise ernst genommen werden.

 

Befreien wir mal den Begriff "okkult" vom zwielichten Unterton, und gehen davon aus, dass Steiners Angaben dem normalen Verstandesdenken eher verborgen bleiben: Muss man hellsichtig sein, um selbständig die Erforschung nach diesen Angaben durchführen zu können?

 

Nein, obwohl es natürlich interessant wäre, hellseherische Fähigkeiten zu haben. Wenn man beispielsweise die fünfzigjährige Forschung von Jochen Bockemühl, Naturwissenschaftler am Goetheanum, anschaut, mit vielen phänomenologischen Arbeiten zu Pflanzen und Landschaften, dann entdeckt man folgendes und er spricht es auch aus: Zwar gibt es geisteswissenschaftliche Hilfestellungen von Rudolf Steiner, die einen auf bestimmte Zusammenhänge hinweisen. Doch dann geht es darum, selbst unbefangen auf die Phänomene zu schauen, sie vor sich auszubreiten, Entsprechungen, Beziehungen aufzufinden etc. Im zweiten Schritt vollzieht man das, was man auf diesem Wege eingesehen hat, innerlich immer wieder nach, pendelt zwischen Rechenschaft darüber ablegen und neu darauf besinnender Ruhe. Daraus entwickelt sich dann eine Denkhaltung, die Erfahrungen ermöglicht, die man darstellen kann. Es entstehen Einsichten bzw. Fakten im goetheschen Sinne als ästhetische Erfahrung in einem, wenn man die Dinge im Zusammenhang sieht. Das entspricht als Methode vielleicht mehr dem Lebendigen, dem Organischen, das sich wesentlich erst in Zusammenhängen zeigt.

 

Für die Landwirtschaft kommt nach Manfred Klett - langjähriger Landwirt und Agrarwis­sen­schaftler am Goetheanum - noch eine spezifische Wendung hinzu. Hier ist das unbedingte Tun wichtig. Zur phänomenologischen Beschäftigung zum Beispiel mit Horn und Mist im bockemühlschen Sinne tritt dann noch das tätige Hineinbegeben in den Arbeitszusammenhang, beispielsweise beim Rühren der Präparate. Durch dieses Drinnenstehen im Prozess und die Re­flek­tion darüber wächst eine Geistesgewissheit, die man präsentieren kann. Allerdings fehlt es hier noch am methodischen Werkzeug, um einen solchen Forschungsweg sicher zu gehen. Eine so adäquate, auch den tätigen Menschen als Erkennenden einbeziehende Methodik könnte vielleicht "biologisch-dynamische Wissenschaft" genannt werden. Erst wenn diese steht, hat man Kriterien, nach denen man entscheiden kann, ob ein Vorgehen wissenschaftlich oder unwissenschaftlich genannt werden kann. Mit der Frage dieser Forschungsmethodik sind wir momentan beschäftigt.