Berichte & Initiativen

Nachruf für Dr. Edwin Scheller

Am 5.Oktober 2006 starb Dr. Edwin Scheller im Alter von 49 Jahren. Er hinterläßt ein umfangreiches und herausragendes Forschungswerk aus dem Bereich der biologisch - dynamischen Landwirtschaft.

 

Edwin Scheller wurde am 5. März 1957 in Modlos als ältestes von drei Geschwistern geboren. Er wuchs in rauer Landschaft auf einem typischen Rhönbauernhof auf. Im Alter von 17 Jahren musste er, da der Vater zwei Mal durch Krankheit ausfiel, die Landwirtschaft übernehmen. Er hat sich, wie auch bei allen späteren Aufgaben, mit seiner ganzen Kraft in die Verantwortung hinein gestellt. Später sagte er einmal, daß das eigentlich über seine Kräfte gegangen war.

 

Nach dem Abitur studierte er in Freising Landwirtschaft und setzte sich während des Studiums in verschiedenen Arbeitskreisen mit der Anthroposophie, die er schon zuvor kennen gelernt hatte, intensiv auseinander. Von diesen Kreisen blieb der Steinesmühlenkreis noch lange nach dem Studium bestehen und er gehörte zu den wenigen, die die Arbeit darin kontinuierlich durchtrugen. Viele Jahre lang hatte er es sich zur Verpflichtung gemacht, jeden Tag einen Vortrag Rudolf Steiners zu lesen, und wenn es Mitternacht darüber wurde.

 

Die wissenschaftliche Forschung am Thema der Pflanzenernährung im Ökologischen Landbau begann mit seiner Diplomarbeit, in der er unter seinem verehrten Lehrer Prof. Niederbudde die Kaliumverfügbarkeit in einem 30-jährigen Experiment untersuchte. Sein Berufsweg begann 1984 in Norddeutschland bei der Bäuerlichen Gesellschaft, führte über die Gründung der "Gesellschaft für goetheanistische Forschung" (GfgF) mit eigenen Projekten und freier Forschungstätigkeit zur externen Promotion an der GHK-Witzenhausen über Stickstoffprozesse im Boden. Die Geschäftsführung der "Kwalis" folgte und die Gründung des "Institut für Boden-Ernährung-Nahrungsqualität" (IBEN). Ende der 80iger Jahre wurde er Mitglied der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im Zweig Würzburg. Regelmäßig nahm er an den biologisch-dynamischen Forschertagungen teil und arbeitete im Vertreterkreis der Landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum mit.

 

Sein Lebenswerk war geprägt von der Frage der Düngung im biologisch-dynamischen Landbau, der damit einher gehenden Lebensmittelqualität und der Ernährung des Menschen, dabei immer versuchend, moderne naturwissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse mit den geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen Rudolf Steiners zusammenzuführen.

 

Edwin Scheller beobachtete und untersuchte das Phänomen der aktiven Nährstoffmobilisierung durch die Pflanzen. Unter bestimmten Bedingungen sind Pflanzen in der Lage, Nährstoffe wie z.B. Kalium aus den Bodenvorräten zu mobilisieren und aufzunehmen. Anfang der 90er Jahre dafür noch von Pflanzenernährungswissenschaftlern scharf angegriffen, ist das heute in den allgemeinen Kenntnisschatz zur Pflanzenernährung übergegangen.

 

Von entscheidender Bedeutung stellte sich dabei eine frühzeitig ausreichende Stickstoffversorgung der Pflanzen heraus. Die Stickstoffdynamik im Jahreslauf biologisch-dynamischer Ackerflächen stand dann lange Zeit im Mittelpunkt seiner Forschung. Aus deren Erkenntnis heraus konnte Edwin Scheller die Bedingungen für die aktive Nährstoffmobilisierung ausarbeiten und für die Praxis des Ökolandbaus nutzbar machen.

 

Seine Forschung orientierte sich immer am Bild des Landwirtschaftlichen Betriebsorganismus, wie er in Rudolf Steiners Landwirtschaftlichem Kurs dargestellt wird. Nach der Stickstoffdynamik richtete er sein Augenmerk auf den im Humus des Bodens organisch gebundenen Stickstoff. Steiner zufolge können über den Humus ätherische Kräfte, Lebenskräfte in den Boden eingeatmet und an die Nahrungspflanzen und damit an den Menschen weitergegeben werden. Scheller widmete nun seine Untersuchungen den Aminosäuren, zuerst in den Getreidekörnern, bei denen er unterschiedliche Verhältnisse je nach Anbauverfahren fand. Danach untersuchte er weltweit Böden auf deren Gehalt an Aminosäuren in den unterschiedlichen Huminstoffraktionen und beobachtete eine übereinstimmende Zusammensetzung.

 

Diese Ergebnisse waren für ihn ein Hinweis auf seine Frage, wie die Lebenskräfte in den Boden eingeatmet werden. Über den Rindermist und die biologischdynamischen Präparate wird der Stoffwechsel im Boden in Richtung Aufbau gelenkt, im Gegensatz dazu sah er die Wirkung des Mineraldüngers. Er erweiterte seine Untersuchungen auf den Bereich der bodennahen Luftschichten und studierte die jahreszeitliche Dynamik der Aminosäuren im Tau. Dabei scheute er auch nicht davor zurück, methodisch schwieriges Neuland im Bereich der Analytik zu betreten. Jahreszeitliche Schwankungen der Aminosäuren in den bodennahen Luftschichten waren für Edwin Scheller ein Hinweis auf Atmungsprozesse im Bereich des Eiweißstoffwechsels im Boden. Zuletzt bearbeitete er in einem neu gegründeten Phosphor-Arbeitskreis mit Landwirten die Frage der Phosphordüngung angesichts begrenzter Phosphatvorkommen. Auch warnte er zuletzt eindringlich vor einem unüberlegten Einsatz der Biogas-Technologie im biologischen Landbau und betonte die einzigartige, aufbauende Wirkung des Eiweißes und der Kräfte im Rindermist.

 

Edwin Scheller arbeitete als freier Wissenschaftler. Eine Zusammenfassung seiner neueren Forschungsergebnisse in einem Buch war für Ende 2006 geplant. Seine Forschungen finanzierte er über Anträge und durch Spendengelder, daher auch die Gründung der gemeinnützigen GfgF und des gemeinnützigen Instituts IBEN Seine Untersuchungen fanden meist auf Betrieben statt, dieser Praxisbezug war ihm sehr wichtig. Allen Landwirten, Mitarbeitern und Förderern sei auf diesem Weg noch ein besonderer Dank ausgesprochen.

 

Trotz seines unglaublichen Arbeitspensums und Kampf gegen Widerstände fand Edwin Scheller immer die Zeit, mit ganzem Herzen auf Fragen und Sorgen anderer Menschen einzugehen. Er half bei Ernährungsfragen, hatte immer eine Empfehlung bei Krankheiten bereit, gab Ratschläge zum Anbau und zur Wirtschaftlichkeit von Betrieben und was sonst noch an Problemen an ihn herangetragen wurde. Er war ein begeisterter Forscher und begeisternder Vortragsredner, konnte komplexe Zusammenhänge mit klaren Gedanken durchleuchten und verständlich machen. Edwin Scheller wollte die Lebendigkeit der Pflanzen und der Erde schauen und wissenschaftlich fassen, um sie der Welt zugänglich zu machen: Welcher Kraftaufwand, welche Arbeit, welch ein Lebenswerk bis zum letzten Atemzug! Dabei ging er konsequent seinen eigenen Weg. Im Gedenken Schiller´s und besonders Wilhelm Tell war sein Lebensmotto "Der Starke ist am mächtigsten - allein".

 

Gerd Faberin Zusammenarbeit mit dem Vorstand von GfgF und IBEN

Neben Dr. Edwins Schellers zahlreichen Einzelveröffentlichungen in wissenschaftlichen Publikationen und auch in dieser Zeitschrift sei auf seine als Buch erschienene Dissertation zur Stickstoffversorgung hingewiesen:

 

  • Die Stickstoffversorgung der Pflanzen aus den Stickstoffstoffwechsel des Bodens, ein Beitrag zur Pflanzenernährungslehre des Organischen Landbaus, Verlag Josef Markgraf 1993

  • und auf das Portrait in LE 4-2000, in dem sich auch eine Liste mit Hinweisen auf seine Publikationen findet.