Hintergrund

Wenig Vieh – bleibt der Boden fruchtbar?

Nicht jeder Betrieb bringt ausreichend Vieh in die Öko-Umstellung ein oder hat eine Milchquote. Und manche Ökobetriebe stocken ab. Aber wie viel Vieh braucht eine Öko-Landwirtschaft, um dauerhaft fruchtbar zu bleiben? Diese Frage wurde im konventionellen Landbau schon hinreichend untersucht – auf allerdings anderem Ertragsniveau als heute. Fazit, vom Boden aus betrachtet: Ohne Vieh geht´s nicht. Betrachtet man nur die Erträge, funktioniert es aber, zumal ökonomisch. Denn Vieh zu halten ist arbeitsintensiv.

von Michael Olbrich-Majer

 

Im Beginn des Ökolandbaus stand der selbstverständlich Vieh haltende Gemischtbetrieb, die Fragen drehten sich eher um die Art der Düngeraufbereitung: Den Mist kompostieren oder nicht und wenn wie? Bei zunehmend vieharmer Wirtschaftweise stellen sich drei Fragen: zum Humusgehalt, zur Stickstoffversorgung, zu den Erträgen. Bei letzteren können viehlose/vieharme Öko-Betriebe bisher gut mithalten, sind sie doch meistens in Gunstlagen. Ein optimaler Mix aus Leguminosenanbau, Stilllegungsmanagement, Fruchtfolge und passender Bodenbearbeitung kann auch den Stickstoff verfügbar halten, zumal bei getreideorientierten Fruchtfolgen. Wie aber sieht es aus mit der Bodenfruchtbarkeit als Grundlage der Nachhaltigkeit?

 

Verschiedene Langzeitversuche dazu gibt es inzwischen auch im Ökolandbau – mit und ohne Vieh bzw. Stallmist. Aktuelle Forschungsergebnisse (3, 6) deuten an, dass man sich auf die konventionelle Humusbilanzierung nicht verlassen kann – der Standort und der Feinanteil der Böden (5) spielen eine entscheidende Rolle. Also bleibt Messen: Hier zeigen neuere Langzeitversuche (1, 8) den klaren Vorteil der viehhaltenden Systeme im Humuserhalt: auf dem trockenen-sandigen Standort in Spröda besonders ausgeprägt. Sogar auf den Schwarzerdeböden in Bad Lauchstädt zeigte das System mit Vieh eine höhere Humusreproduktion. Bei den Erträgen zeigt sich das in der Regel an der höheren Fruchtfolgeleistung der Varianten mit Vieh, auch wenn Winterweizen im viehlosen System oft besser abschneidet – meist durch die Stellung in der Fruchtfolge bedingt.

 

Wodurch kommen nun die signifikanten Unterschiede zustande? Bei ertragschwächeren Standorten hat offenbar das viehlose Marktfruchtsystem erhebliche Nachteile bei der N- Effizienz und bei der Stickstoffsynthese: beim Mulchen und auch beim Einpflügen des nicht als Futter nutzbaren Kleegrases geht reichlich N verloren (1). Auch andere Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass „Art und Umfang der organischen Inputs die wesentlichen differenzierenden Faktoren sind bzw. die unterschiedliche Fruchtfolgeleistungen auf der differenzierten Verwendung von Gras und Stroh beruhen. Im Klartext: auf viehhaltenden Betriebe ist der Umgang mit organischer Substanz und Stickstoff qualitativ anders. So wurden zum einen unterschiedliche Humifizierungskoeffizienten für organische Materialien beschrieben: Kompost und Stroh liegen weit vorne bei über 50%, Stallmist in der Mitte bei ca. 25%, Gülle und Gründüngung jedoch unter 10%. (6) Der biodynamische Forscher Petterson beschreibt Ergebnisse eines von 1971 bis 1979 dauernden Versuches in Schweden: Nur mit Klee und Vieh war Steigerung des Humusgehaltes möglich: Die mineralisch gedüngte Variante sowie die mit allein Stalldung oder allein Kleegras plus Mineraldünger schafften das nicht (7). In der Regel gehen die verschiedenen Versuche von 1 RGV je ha aus.

 

Doch ist das alles gar nicht so neu. Schon 1994 forderte die Elite der deutschen Bodenwissenschaftler, die „ökologische Überlegenheit tierhaltender Gemischtbetriebe auf vorwiegend wirtschaftseigener Futterbasis zur Kenntnis zu nehmen und Rahmenbedingungen für die Re-Integration von Viehhaltung und Feldfruchtbau zu schaffen.“ Das sei u.a. zum nachhaltigen Bodenschutz, zur Gefügeerhaltung und zum Erosionsschutz erforderlich. (9)

 

Wer dennoch wenig Vieh hat, dem empfehlen die Berater des FiBL (2,4) folgende Grundsätze: wenn viehlos gewirtschaftet wird, dann sollte es extensiver Ackerbau sein, da wird der Stickstoff nicht so schnell knapp. Zentral ist die Fruchtfolge mit Kunstwiese, und es muss über den Zukauf organischer Dünger oder eine Kooperation mit einem viehhaltenden Betrieb nachgedacht werden. Der Anteil an Grünland in der Fruchtfolge sollte bei mindestens 10% liegen, zusätzlich sind auf mindestens 10% der Flächen Begrünung, Körnerleguminosen oder Gründüngungen/Untersaaten erforderlich. Anbaupausen von einem Jahr bei gleichen Arten und 50% Bedeckung über Winter sind ebenfalls einzuhalten.

 

Quellen

Beckmann/Kolbe/Model/Russow, 2002: Ackerbausysteme im Ökologischen Landbau. Untersuchungen zur Nmin N20 und NH3-N Dynamik sowie Rückschlüsse zur Anbau-Optimierung, E. Schmidt Verlag Berlin
Böhler, D., Dierauer, H: 2004: Bio ohne Vieh ist eine grosse Herausforderung, in Bio- aktuell 2/04.
Brock, C., Leithold G. 2007: Humusbilanzmethoden als Prognose- und Bewertungsinstrumente im ökologischen Landbau – allgemeiner und spezieller Anpassungsbedarf, in: Zwischen Tradition und Globalisierung: Beiträge zur 9. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Verlag Dr. Köster, Berlin
FiBL 2006: Bodenschutz und Fruchtfolge auf viehschwachen und viehlosen Biobetrieben, FiBL- Merkblatt
Hoyer u.a.: Einfluss des ÖL auf unterschiedliche Humuspools im Boden und Schlussfolgerungen zur Humusbilanzierung, in: Beitr. 9. Wiss.tgg
Kolbe: Einfache Methode zur standortangepassten Humusbilanzierung von Ackerland unterschiedlicher Anbauintensität, in: Beitr. 9. Wiss.tgg
Pettersson, B. D., Reents H. J. & Wistinghausen E. v., 1992: Gödsling och markegenskaper. Resultat av ett 32-årigt fältförsök i Järna i Sverige (På tyska med svensk sammanfattning). Nordisk Forskningsring, Meddelande nr. 34., (zit. nach Granstedt, A. Dornach, 2007)
Reinicke F., Christen, O.: 2007, Leistung und langfristige Wirkung auf Humus- und Nährstoffhaushalt verschiedenen Anbausysteme des ökologischen Landbaus – Ergebnisse der 1. Rotation eines Dauerfeldversuches, in: Beitr. 9. Wiss.tgg
Robert Bosch Stiftung (Hrsg.) 1994: Für eine umweltfreundli9che Bodennutzunhg in der Landwirtschaft: Denkschrift des Schwäbisch Haller Agrarkolloquiums zur Bodennutzung, Bodenfunktionen und der Bodenfruchtbarkeit, Bleicher, Stuttgart.
Schmidt, Harald (Hrsg): 2004: Viehloser Öko-Ackerbau, Beiträge, Beispiele, Kommentare, Verlag Dr. Köster 2004