Berichte & Initiativen
Evolution – Natur – Agrarkultur
Sommeruniversität zur Lebensforschung
Evolution hat zwei Seiten: Die eine beinhaltet, dass der Mensch zusammen mit allen anderen Organismen von gemeinsamen Ahnen abstammt und es zu einer Lebensform gebracht hat, die die Voraussetzung für Bewusstsein und Selbstreflektion bietet. Die andere Seite impliziert, dass aufgrund dieser Verwandtschaft die Fähigkeit zur Selbstregulation, Innerlichkeit und Würde, wie wir Menschen sie für uns in Anspruch nehmen, in gradueller Abstufung allen Lebewesen zugesprochen werden muss. An diese These des Philosophen Hans Jonas knüpfen wir mit dem von Rudolf Steiner weiterentwickelten wissenschaftlichen Ansatz Goethes an. Dieser enthält einen methodischen Hinweis: Die innere Natur der Lebewesen ist im menschlichen Denken erfahrbar. Würden wir verstehen, was Leben ist, und nicht nur, wie es funktioniert, bräuchten wir keine Ethik, die von außen Techniken wie Kernenergie, Gentechnik und Kommunikationstechnologien beurteilt. Wir wüssten, welche Maßnahmen „lebensgemäß“ sind, und wann Grenzen zu unserem eigenen Schaden überschritten werden.
Wie wird ein solches Lebensverständnis Wissenschaft? Diese Frage ist Leitfaden in der Sommeruni des Forschungsinstituts am Goetheanum, in der wissenschaftliche Beobachtung wie auch der Umgang mit Wissenschaftstheorie geübt werden. Die Hingabe an exakte und detaillierte Auslotung von Naturphänomenen, wie in Goethes wissenschaftlichem Ansatz gefordert, wird geübt. Eine Studentin berichtet: „Ein 26-teiliges Puzzle, kein Problem? Denkste! Wir brauchen erstaunlich viel Zeit, um die menschliche bzw. tierische Wirbelsäule richtig zusammenzufügen. Und noch erstaunter sind wir, als sich das Prinzip der Dreigliederung sowohl im Einzelteil (Wirbelkörper, -fortsatz, -loch) als auch in der Gesamtheit finden lässt (Hals-, Brust-, Lendenwirbel).“
Daran knüpft die aufmerksame Beobachtung des Weges an, den das Wahrgenommene im Denken des Wahrnehmenden nimmt, bevor es als „Tatsache“ beschrieben wird. Aus einem Studentenprotokoll: „Wahrnehmung ist völlig zusammenhanglos, jegliche Vernetzung bedeutet Denken. So wie unser Auge das Licht sinnlich erfährt, ist unser Wahrnehmungsorgan für das Ideelle das Denken. Der Prozess, der Zusammenhänge schafft, ist Verstehen. Der Einfluss des Menschen auf die Welt (... ist der Baum noch da, wenn wir nicht hinschauen? ... ändert sich ein Gegenstand mit der Art der Betrachtung?) wird kontrovers diskutiert.“
In der ersten Woche in Dornach werden neben Einführungsseminaren das Goetheanum, der Gartenpark und die Umgebung in Exkursionen erkundet. In der zweiten Woche rücken wir näher an die Natur: Wir arbeiten in den Alpen, im Lötschental. Diese Woche bietet Berg- und Gemeinschaftserlebnisse. Wir lernen das Tal und seine Geschichte kennen mit den Blickrichtungen Geologie, Pflanzensoziologie, Fauna und Landwirtschaft.
Die Sommeruni richtet sich an Interessierte, die das Lebendige verstehen wollen, z. B. an Studierende der Agrar- und Biowissenschaften und verwandter Fächer, Landwirte, Gärtnerinnen, Züchter und Lehrerinnen.
Sommeruni des Forschungsinstituts am Goetheanum
Evolution – Natur – Agrarkultur: Lebensforschung ist Beteiligungsforschung
was: Atmosphären, Pflanzen, Tiere, Landschaft, Landwirtschaft
wie: Seminare, Beobachtungsübungen, Exkursion
wo: Dornach und Lötschental
wer: Forschungsinstitut am Goetheanum
wann: vom 23. August bis 4. September 2010
Fragen und Anmeldung:science(at)goetheanum.ch, Tel.: (0041) (0) 61-706 42 10