Berichte & Initiativen

Braucht es Kochunterricht an (Waldorf-)Schulen?

Erfahrungen mit dem Fach Hauswirtschaft

Von Katharina Grieger

 

„Jetzt verstehe ich erst richtig das Getue um Bio und Demeter!“ Mit diesem Ausspruch überraschte mich ein Neuntklässler der Essener Waldorfschule nach seinem zweiwöchigen Praktikum auf einem Hof im Windrather Tal. Erst das eigene Erleben und die Mitarbeit auf dem Hof hatten ihn so beeindruckt. Überzeugt davon, dass man bei Aldi und Co. einkaufen sollte, gewann Dustin durch dieses Praktikum eine anfängliche, aber für ihn nachvollziehbare Einsicht, mit welch großem Einsatz und Wissen auf diesem Demeter-Hof gearbeitet wurde. Dass diese Hofprodukte eine andere Qualität und einen höheren Preis verdienen, war ihm klar geworden und wir hatten in unserem Kochunterricht ein widersprüchliches Diskussionsthema weniger.

 

Mir zeigte dieses Erlebnis einmal mehr, wie wichtig die eigene Erfahrung zur unvoreingenommenen Urteilsbildung bei den Jugendlichen beiträgt. Mit Schülern der Essener Waldorfschule habe ich seit 20 Jahren die Möglichkeit, die Fächer Kochen und in der Erweiterung Hauswirtschaft zu unterrichten. Es sind unterschiedliche und interessante Erfahrungen, die ich in den verschiedenen Altersstufen und Schulzweigen machen durfte.

Kochen in verschiedenen Altersstufen

Voller Begeisterung und ohne jegliches Hinterfragen kann ich mit den Unterstufenschülern alles zubereiten. In diesem Alter wirken noch die Nachahmungskräfte und die Kinder können sich noch vieles abschauen, was ich ihnen an Handgriffen zeige. Das sind auch die Schüler, die dann mit Feuereifer zu Hause kochen wollen und wo häufig, zum Leidwesen der Mütter, alles genau wie im Unterricht abzulaufen hat. Denn Kleinen können Qualitäten durch „Bilder“ nahe gebracht werden. Nehmen wir als Beispiel die Möhre: Nicht alle Stadtkinder wissen, dass die Möhre in der Erde wächst, geschweige denn, dass sie eine Wurzel ist. Wichtiger ist, in diesem Fall dann die schöne Farbe und die wunderbare Süße dieses Gemüses wahrzunehmen. Im Gegensatz dazu probieren wir den Sellerie, die für unsere Gemüsesuppe Verwendung finden soll. Da beeindrucken Aussehen und Geschmack als erstes Erleben. Dazu kommt das Erlebnis: die Möhre ist etwas Besonderes unter den Wurzeln. Diese Farbigkeit und den süßlichen Geschmack, kennen wir sonst nur von Früchten, die in der Sonne reifen. Dazu ist der Apfel ein passender Vergleich.

 

In der sechsten, siebten Klasse kommt mir der Gartenbau zur Hilfe. Auch hier arbeiten die Schüler mit großer Hingabe und sind stolz, wenn wir im Kochunterricht das von ihnen angepflanzte und geerntete Gemüse verarbeiteten. Dann entsteht, wie auch schon nach der Ackerbau-Epoche und dem anschließenden Brotbacken, eine Hochachtung vor dem so Entstandenen. Ein ganzer Prozess kann überblickt werden und das Ergebnis wird verinnerlicht, indem wir daraus ein schmackhaftes Essen zubereiten. Das sind tiefgreifende Erfahrungen, die für sich selbst sprechen.

 

In der Oberstufe sind die Schüler dann kritischer und häufig mit sich und der Umwelt beschäftigt. Da ist es wichtig, eigene Erfahrungen zu machen, vergleichen zu können und so zu einem Urteil zu gelangen. Da kann, wie oben beschrieben, so manches von den Erwachsenen Vorgelebte neu betrachtet, zu einer eigenen Einsicht führen. Hier setzte ich auch auf die eigene Erfahrung durch die Schüler und wir führen einige einfache Vergleiche durch. Zum Beispiel vergleichen wir eine Tomatensuppe aus der Tüte mit einer selbst hergestellten. Hierbei geht es nicht nur um Geschmack, Aussehen, Arbeitsaufwand und Preis, sondern vor allem um den Chemiecocktail, der zu dem Flair dieses Tüteninhaltes maßgeblich beiträgt. Da wird nicht schlecht gestaunt, wenn wir in den ENummer-Listen nachschauen, was in der Nahrungsmittelindustrie alles möglich und erlaubt ist.

 

Nun werden die verschiedenen Lebensmittel aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Da wird die Möhre wieder aufgegriffen, mit ihrem Vitamin-A-Gehalt. Diese Eigenschaft weist auf Licht- und Wärmekräfte der Möhre hin, wesentlich für Sehvorgänge und eine gesunde Haut- und Knochenbildung.

Warum ist das Kochen so wichtig!

Es scheint mir sehr notwendig, den Schülern grundlegende Erlebnisse im Kochunterricht vermitteln zu können. Eines der wichtigen Erlebnisse, welche die Schüler machen, ist die Erfahrung von Qualitäten, wie auch die Achtung vor den Geschenken der Erde und vor dem Essen an dessen Entstehung so viele Kräfte mitgewirkt haben. Deshalb erscheint es wichtig, auch an Waldorfschulen Kochunterricht zu erteilen und damit einen großen Kreislauf zu schließen. Um den Schülern elementare Erlebnisse und Erfahrungen teil werden zu lassen, lohnt ein Umdenken, um dieses Unterrichtsfach neu in den Lehrplan jeder Waldorfschule zu integrieren. Eine erste Empfehlung dazu ist in der neuen Auflage des Richter-Lehrplans im Verlag Freies Geistesleben 2010 erschienen.

Katharina Grieger, Jahrgang 1952, Hauswirtschaftsleiterin und Ernährungsberaterin, mit pädagogischer und heilpädagogischer Ausbildung, ist seit 1991 an der Waldorfschule in Essen als Hauswirtschaftslehrerin tätig.