Berichte & Initiativen
Wem gehört die Landwirtschaft?
Demeter und Slow Food Deutschland präsentieren Beteiligungsmodelle
Bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Öko-Pioniere von Demeter und der verantwortungsbewussten Genießer von Slow Food Deutschland e. V. in Berlin zeigten Vorträge und eine Gesprächsrunde mit Politikern: Ökobauern und Konsumenten können gemeinsam in nachhaltige Landwirtschaft investieren und so dem Ausverkauf von Acker- und Grünland entgegentreten.
Wertvolle landwirtschaftliche Flächen werden knapp und teuer. Die Gründe dafür skizzierten Benedikt Härlin (Zukunftsstiftung Landwirtschaft) und Dr. Titus Bahner (Aktion Kulturland): Höhere Nachfrage nach Energiepflanzen, Bodenversiegelung durch Bauen, veränderte BVVG-Vergabepraxis, zahlungskräftige Biogaserzeuger und Aktivitäten außer-landwirtschaftlicher Käufer, die Boden als Spekulationsobjekt und Geldanlage sehen. Nicht zuletzt der öffentlich geförderte Boom von Energiepflanzen und Biogas treibt Pacht- und Bodenpreise ebenso hoch wie die allgemeine Kapitalkrise. Der Demeter Verband hatte in Kooperation mit Slow Food Deutschland Landwirte und Vordenker dazu eingeladen, ihre praxiserprobten Beispiele für eine alternative Finanzierung von landwirtschaftlichen Investitionen vorzustellen. Anschließend lotete ein Podium mit Vertretern aus Politik, Agrarverbänden und Landwirten die Perspektiven dieser Ansätze aus.
Ökobauern reagieren mit unterschiedlichen Modellen auf das Problem. Gerade im Demeter-Bereich entstehen dabei zukunftsträchtige Entwicklungen mit Vorbildcharakter. Mathias von Mirbach vom biodynamischen Kattendorfer Hof bei Hamburg beeindruckte die Zuhörer mit seiner Schilderung der dort praktizierten solidarischen Landwirtschaft. Als Wirtschaftsgemeinschaft leben 500 Menschen unmittelbar von den auf dem Hof erzeugten Lebensmitteln. Sie zahlen monatlich ihren Ernteanteil und geben so den Bauern das nötige Umlaufkapital. „Die Lebensmittel werden vom Preis befreit“, betonte von Mirbach. „Bei den beteiligten Verbrauchern entsteht Bewusstsein für den Wert,“ ergänzte Christian Hiß, Gründer und Vorstand der Regionalwert AG für die Region Freiburg, die Boden-Betrachtung um den Aspekt „Bodenfruchtbarkeit“. Er sieht in der unmittelbaren Beteiligung von Aktionären an Öko-Betrieben die Chance der Mitbestimmung über die Art der Landbewirtschaftung. „Da muss der Aspekt Humusaufbau mitgedacht werden, damit der Boden nachhaltig fruchtbar wird.“
Um die Einbindung von Verbrauchern geht es auch Slow Food Deutschland. Der Verein arbeitet dafür mit dem Modell der Genussgutscheine, die zum Beispiel Stall- oder Käsereibau finanzieren, wie Petra Währing vorstellte. „Damit haben wir ein Instrument gegen die Entfremdung von Landwirtschaft und Gesellschaft“, betont Dr. Ursula Hudson, die Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Es löst hohes Interesse bei den Konsumenten aus, die Slow Food als Ko-Produzenten versteht. Der Rechtsanwalt Thomas Rüter steuerte als weiteres erprobtes Modell die gemeinnützigen Höfe bei. „So werden sie zu Gemeingütern.“
Diese Entkoppelung von landwirtschaftlichen Betrieben aus der zwangsweisen Übernahme durch Erben, die immer öfter Nichtlandwirte sind, beschäftigte dann auch die Diskussion der Politiker in der Podiumsrunde. Breiter Konsens zeigte sich in der Forderung nach freiem Zugang zur Landwirtschaft und nach Förderung für Junglandwirte und Quereinsteiger. Cornelia Behm (Bündnis 90/Die Grünen) ging noch einen Schritt weiter. Sie will sich dafür einsetzen, dass Flächen für die Landwirtschaft reserviert werden und verhindern, dass Agrarland in den Händen einiger weniger konzentriert wird. Jobst Jungehülsing, im BMELV für ländliche Entwicklung zuständig, betonte den Wert von Initiativen gegen die Verringerung des täglichen Verlustes von Agrarflächen. Hans Michael Goldmann, FDP, und Vorsitzender des Agrarausschusses im Bundestag, zeigte sich beeindruckt vom Engagement nachdenklicher Verbraucher. Dass damit die Kapitalfrage der Landwirtschaft generell zu lösen ist bezweifelte der Abgeordnete. „Uns geht es darum, gemeinsame Verantwortung von Erzeugern und Verbrauchern zu ermöglichen und zu stärken“, unterstrich Stephan Illi, Vorstand von Demeter. Immerhin praktizieren bereits rund zehn Prozent der biodynamischen Höfe in Deutschland solche Verbindungsmodelle, und das zum Teil bereits seit über 40 Jahren. Durch eine von Dr. Titus Bahner mit erarbeitete aktuelle Studie von Demeter International zeigte sich, dass der Bodenmarkt hier und in Europa verschärft zum Problem für Lebensmittel erzeugende Landwirte wird, die in die Zukunft investieren müssen. Eine Umfrage bei Demeter- und Bioland-Betrieben ergab: 80 % hatten nicht das Kapital, angebotene Flächen zu kaufen bzw. ihnen waren diese deutlich zu teuer. Pachtpreise sind seit 2007 um 45 % gestiegen. 60 % der Befragten äußerten daher Interesse an Finanzierungsinstrumenten zum Landkauf.
Die Veranstaltung machte Hoffnung: Die vorgestellten kreativen Formen der Beteiligung haben das Potenzial, Landwirtschaft und Gesellschaft im gemeinsamen Ziel Nachhaltigkeit zu verbinden. Wenn Bürger in die Ökoproduktion auf Höfen und Gärtnereien investieren, landwirtschaftliche Öko-Betriebe sich für Beteiligungen öffnen, stärkt das die transparente Öko-Erzeugung und den Faktor Regionalität. So unterstützen denn auch Slow Food Deutschland und Demeter solche Initiativen als Beitrag zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft, für eine sauberere und fairere Lebensmittelwirtschaft.
Eine kleine Broschüre anlässlich der Veranstaltung informiert unter dem Titel „Beteiligen! Landwirte und Bürger als Partner“ über bestehende Kooperationen und Beteiligungsmöglichkeiten wie z. B. die 28 Höfe mit solidarischer Landwirtschaft (CSA), eine Handvoll Kapitalgesellschaften oder ca. 140 gemeinnützige Biohöfe. Auch Genussscheine als Finanzierungsmittel sowie der Biobodenfonds der GLS-Gemeinschaftsbank werden vorgestellt, ebenso eine Zusammenfassung der Studie. L
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