Berichte & Initiativen

Waldpflegetagung in Marienhöhe

Tagung der AG biodynamischer Waldbau

Von German-Michael Hahn

 

Ausgangspunkt für die diesjährige Waldpflegetagung war das Hofgut Marienhöhe/Bad Saarow mit seiner optimalen Arrondierung von Hofgebäuden, Gemüse- und Obstgärten, Hecken- und Feldlandschaften mit den alles umschließenden Waldflächen. Im „Grünen Zimmer“ des Hofgeländes begannen wir, Förster, Landwirte, Waldfreunde und -gestalter mit dem Rühren und Ausbringen des Sammelpräparates nach Ehrenfried Pfeiffer in den Hecken­arealen der Marienhöher Feldflur. Die vier Elemente wahrnehmend verteilten sich die frisch angereisten Tagungsteilnehmer nach dem Rühren sternförmig in alle Himmelsrichtungen und spritzten mit Eimer und Handfeger das Präparat aus. Eine geistige Fortsetzung erfolgte durch den Abendvortrag von Richard Steel vom Karl König Archiv in Berlin, der sich mit Landwirtschaft und Gemeinschaft auseinandersetzte.

Hecken in der Flur, Leguminosen im Wald

Die Eingangsexkursion am zweiten Tag galt den verschieden gestalteten Heckenarealen sowie dem Hofwald. Fridtjof Albert, Landwirt und Waldhüter von Marienhöhe, wurde nicht müde, zu betonen, dass die oft als forstliches Unkraut bezeichnete amerikanische Traubenkirsche (Prunus serotina) durch ihr humusschaffendes Laub auf diesen sehr armen Böden zu einer kontinuierlichen Bodenverbesserung beiträgt und den Altkiefern zu neuem Wachstum verhilft. Dies wird auch der Rotbuche nachgesagt: Der Pferdeführer Douke Eeckmann pflügte mit zwei Kaltblütern und einem 360 Kilogramm schweren Schälpflugschlitten Saatrillen in den dichten Drahtschmielenfilz der Podsolböden – Vorbereitung für ein früher oft praktiziertes Verfahren: das Untersäen alter Nadelwaldbestände mit Saatgut von Schatten ertragenden Laubbäumen. Das kühl gelagerte Rotbuchensaatgut wurde nach einem 24-stündigen Wasserbad gesät und flach eingearbeitet. Die Saat anstelle des Pflanzverfahrens verhilft den Jungbäumchen zu einer verletzungsfreien und besseren Verwurzelungsqualität.

 

Raimund Remer vom Bauckhof brachte vorgezogene Kleinballenpflanzen mit, Wald-Leguminosen (Lathyrus vernus, L. niger, L. sativus, L. sylvestris, L. tuberosus), die den Bäumen der nächsten Waldgeneration beim Ergründen der Waldböden helfen. Sie wurden von den Teilnehmern nach dem Abgraben der Drahtschmielenvegetation sorgsam eingepflanzt und mit Rankgittern versehen, die auch vor Verbiss schützen. Die rankenden Platterbsenarten sorgen für einen verbesserten unterirdischen Humushorizont für die Baumwurzeln. Auch die gesäten Bucheckern wurden kombiniert mit einer Waldleguminose, dem Besenginster (Genista pilosa), ausgebracht.

 

In einem Abendvortrag befasst sich Fridtjof Albert mit der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise und ihrer Verwirklichung auf dem Marienhöher Gelände seit dem Jahr 1928. Die Gründungsväter des Hofgutes Marienhöhe waren alle Teilnehmer des Koberwitzer Landwirtschaftskursus von Rudolf Steiner. Die Teilnehmer der Tagung berührte die von Anfang an durchdachte biologisch-dynamische Hofgestaltung. Über 70 Straucharten in 14 damals neu angepflanzten Flurhecken wurden in den 60er Jahren inventarisiert. Der Hofgründer Dr. Erhard Bartsch wollte mittels tief wurzelnder Gehölze das Grundwasser anheben, die Luftfeuchtigkeit und die Taubildung erhöhen, sowie den Taubelag auf den Feldfrüchten verlängern bzw. die Verdunstungsrate senken. Steigende Bodenfeuchte sollte Bodenlebewesen begünstigen und vor allem sollte die Bodenerosion (Flugsande), dieser sehr armen und trockenen Böden – ab 8 bis 20 Bodenpunkte, 400 bis 600 mm Regen – gebremst werden. Jeder der Heckenzüge trägt durch seine Mischung, Rhythmik und Dichte sein eigenes Gepräge. Die Besucher wurden durch einen Reichtum an Blüten, Insekten und Vogelstimmen belohnt. Die als „Baumsäle“ bezeichneten Anpflanzungen mit relativ großen Ackerflächen von 5 bis 10 ha zeigen, dass auch größere landwirtschaftliche Strukturen so fruchtbar gestaltet werden können bis hin zum Pflanzenschutz aus der Hecke, den Vögeln und Insekten.

Waldrand gestalten

Tags darauf suchten wir den Wald als Glied der landwirtschaftlichen Individualität in der Waldrandsituation auf. Mittels einer Übung zur Fäll-Markierung versuchten wir, ihn optimal zu gestalten. August Bier vom Waldgut Sauen sprach vor über 100 Jahren vom „warmen Rock des Waldes“, durch den das spezifische Innenklima eines Waldes mit seiner erhöhten Luftfeuchtigkeit entstehen kann. Das Bild dazu ist ein ungleichmäßig gestufter Übergang von den letzten Ackerfurchen über die Strauchflora zu reich gestalteten Laubholzkronen. Mit reißfesten Papierbändern wurden zu Beginn wertvolle Biotopstrukturen wie Ameisenbauten, bizarre Baumkronen, Höhlen- und Horstbäume, seltene Mischbaumarten, Totholz gekennzeichnet, Wendepunkte der künftigen Waldrandlinien. In einer zweiten Farbe wurden nun die zur Fällung vorgesehenen Bäume gekennzeichnet. Vor allem auch die Exposition zur Mittags- und Nachmittagssonne erweist sich als Kriterium hier wichtig, damit beispielsweise an Südrändern keine Hitze- und Trockenheitszonen entstehen. Ein wesentliches Gestaltungselement stellen bereits angesamte Sträucher dar, die dankbar auf die Fällung verschattend wirkender Bäume reagieren. Erst nach einer fünf bis sieben Jahre währenden Stabilisierungsphase geht man dann erneut an den Waldrand heran.

 

Den Abschluss bildete eine Praxiserfahrung im Waldesinnern, bei der eine gezäunte Waldkultur durch einen Pflegeeinsatz in der jüngsten Waldgeneration aufgewertet wurde.

 

Fridtjof Albert arbeitete stellvertretend für die Mitarbeiter des Hofgutes Marienhöhe heraus, dass eine Intensivierung der Landnutzung durch biologisch-dynamische Herangehensweisen erreichbar ist. Ähnliches ist im Stiftungswald des Waldarztes August Bier in Sauen in der Nähe Bad Saarows zu besichtigen. Während der durchschnittliche Holzzuwachs der brandenburgischen Kiefernwälder bei 4 Kubikmeter pro Jahr liegt, wurde hier durch das Mischwaldprinzip und eine außerordentliche Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit der dreifache Zuwachs erreicht.

 

Richard Steel führte abschließend aus, dass im Umgang mit Bäumen und ihren langen Wuchszeiten immer eine gehörige Portion Selbstlosigkeit im Spiel ist. Es rentiert sich eben im konventionellen Sinne nicht, in solch ein langfristiges Projekt zu investieren. Trotzdem ist gerade hier der Generationenvertrag am wirksamsten, weil etwas in die Zukunft hinein gearbeitet wird, was mehrere Menschenalter später noch seine segnenden Wirkungen entfalten wird. Auch das morgendliche Beschäftigen mit den Wochensprüchen aus Steiners Seelenkalender zeigte, dass sich aus dem alltäglichen Umgang mit der Natur jede Menge Anknüpfungspunkte ergeben, die für einen kreativen und geistvollen Umgang mit der Arbeit an der Natur unverzichtbar sind. So konnten durch eine gute Mischung aus Gedankenkraft und Tatkraft die Teilnehmer mit vielen neuen Kenntnissen, Erfahrungen und Eindrücken in ihren Lebensalltag zurückkehren und inspiriert diese Art der inhaltlichen und praktischen Waldpflege fortsetzen.

Autor:

German-Michael Hahn; Weinbergsweg 25 A; 97516 Wiebelsberg; wald-hahn(at)web.de