Berichte & Initiativen

Präparate für den Handel

Der aktuelle Diskussionstand zur Demeter-Vertriebsstrategie

von Dr. Alexander Gerber, Vorstand des Demeter e. V.

 

Demeter und der Naturkostfachhandel, das klingt nach natürlicher Allianz. Hochwertige Lebensmittel einerseits, Beratungskompetenz andrerseits. So ist die Fokussierung von Demeter und seinen Mitgliedern auf die Bioläden und Biomärkte der Republik nach wie vor Praxis am Markt und erste Wahl des Verbandes, auch wenn es Ausnahmen gibt. Die allerdings führen regelmäßig zu Missverständnissen.

 

So fasste im Frühjahr der Demeter-Aufsichtsrat einen Grundsatzbeschluss zur Demeter-Vertriebs­strategie und die Demeter-Dele­giertenversammlung beauftragte den Vorstand, diesen Beschluss umsetzungsreif auszuarbeiten. Sofort war das Gerücht in der Welt, Demeter würde den Vertrieb von Demeter-Produkten im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel (LEH), der unter bestimmten Bedingungen eingeschränkt möglich ist, gänzlich freigeben. Schaut man genau hin, ist genau das Gegenteil der Fall: Demeter will seine Handelsbeziehungen so gestalten, dass sie den üblichen Handelsmechanismen einen qualitativen Ansatz entgegenstellen, der auf Fairness und Augenhöhe beruht. Was also sind die Fakten, was wurde konkret beschlossen und wo steht der Prozess aktuell?

Demeter im Markt – aktuelle Vertriebskanäle

Der Kern unserer Aufgabe als Demeter-Gemeinschaft ist es, unter Förderung der Natur mit Biodynamischer Wirtschaftsweise Lebensmittel zu erzeugen und zu verarbeiten, die der Entwicklung des Menschen dienen. Damit ist aber bereits eine weitere Aufgabe definiert: Die Produkte müssen auch zu den Verbrauchern kommen. Daher führen wir das Demeter-Warenzeichen als Marke und brauchen dafür eine Marken- und Vertriebsstrategie.

 

Demeter ist die Marke, die das höchste Vertrauen der Verbraucher genießt und als Qualitätsführer-Marke wahrgenommen wird. Demeter kann zudem für die gesamte Sortimentsbreite international Rohwaren beschaffen. Der Fachhandel setzt daher verstärkt auf Demeter als Premium-Marke und zur Abrundung des Sortiments nach oben. Mit diesen Merkmalen wird Demeter aber auch für den Lebensmitteleinzelhandel mehr und mehr interessant.

 

Der Naturkostfachhandel ist der prädestinierte Partner für die Umsetzung der Premium-Strategie: Hier wird das notwendige Hintergrundwissen, das Know-how für die Führung der Demeter-Produkte (Sortiment, Platzierung, Preis) und eine entsprechende Beratungskompetenz und -intensität gesehen.

 

Konsequenterweise ist der Vertrieb von Demeter-Produkten zentral auf den Naturkostfachhandel ausgerichtet. Begleitend dazu wurde das Demeter-aktiv-Partner-Konzept (DAP) entwickelt, an dem mehr als 500 Naturkostfachgeschäfte teilnehmen. Ein Vertrieb außerhalb des Naturkostfachhandels findet nur in Ausnahmen und unter besonderen Bedingungen statt.

 

Aus verschiedenen Gründen – vor allem, weil über den Fachhandel die verfügbare Menge an Demeter-Ware nicht abgesetzt werden konnte und die Verwertungsquote erhöht werden sollte – wurden weitere Partner bzw. Ausnahmen für den Vertrieb zugelassen. Diese sind:

  • selbständige Einzelhändler des Lebensmitteleinzelhandels (LEH);

  • Filial- und Regiebetriebe des Lebensmitteleinzelhandels: Wenn der Handelspartner weder national noch discount-orientiert agiert, kann ein Demeter-Hersteller nach Antrag und Zustimmung durch den Vorstand des Demeter e. V. diesen Handelspartner mit einem sortimentsspezifischen Handelsvertrag beliefern. Aktuell gibt es solche Verträge mit tegut..., Edeka, Feneberg, Budnikowsky und Famila;

  • Vermarktung von Hoferzeugnissen in der Region bei Regionalpartnern: Demeter-Produkte können, sofern sie direkt aus der landwirtschaftlichen Produktion oder der Hofverarbeitung heraus stammen, regional auch außerhalb des Naturkostfachhandels oder des vertragsgebundenen inhabergeführten Lebensmitteleinzelhandels nach den oben genannten Regeln vermarktet werden;

  • Vermarktung von biodynamischen Produkten unter der Eigenmarke Alnatura in den Alnatura-Super-Natur Märkten und den von Alnatura belieferten Partnerbetrieben, wie dm, Budnikowsky, Famila, Globus und ab Oktober bei Edeka mit einem exklusiv von Alnatura verwendeten Demeter-Siegel;

  • Eigenmarken der Fachhandelsfilialisten und -großhändler in Demeter-Qualität.

Demeter-Vertriebs­strategie qualitativ ausrichten: nach Kriterien

Die Konsistenz und Nachvollziehbarkeit dieser Regelungen wurde immer wieder in Frage gestellt („warum dürfen die einen und die anderen nicht“) und führte bei Marktpartnern sowohl des Fachhandels als auch des LEHs zu Unverständnis. Diskutiert wurden einerseits die Rückkehr zu einer klaren Fachhandelsstrategie und andererseits die konsequentere Öffnung hin zum Lebensmitteleinzelhandel.

Da …

  • Demeter aber bereits breit im LEH vertreten ist (siehe Beispiel nebenan) und dafür in gewissem Umfang Bestandsschutz gilt,

  • Demeter-Produkte nicht vollständig über den Fachhandel abgesetzt werden können,

  • ein hoher, kaum zu gewährleistender Schutzaufwand bestünde,

  • der Ausschluss bestimmter Handelskanäle, sobald sie unsere Kriterien erfüllen, rechtlich anfechtbar ist,

  • es auch im LEH sehr engagierte Partner gibt (und uns manche Fachhändler Probleme bereiten)

  • (Demeter-)Intensivkäufer eine kleine Gruppe sind und Verbraucher Demeter-Produkte auch im LEH suchen,

… ist eine reine Fachhandelsstrategie bzw. eine Vertriebsstrategie nach Absatzkanälen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Um andererseits einen zur Markenstrategie passenden Vertrieb sicherzustellen, bedarf es auch für eine gelenkte Öffnung zum LEH einer Strategie.

 

Kern einer Demeter-Vertriebsstrategie muss es sein, dass sie zur Markenstrategie passt, die Demeter als Premiummarke sieht. Ebenso muss sie den biodynamischen Werten entsprechen und assoziative Elemente aufgreifen. Von einem Großhändler wurde dies treffend mit der Frage zusammengefasst: „Was sind die Präparate des Handels?“ Diese Frage beantwortete der Aufsichtsrat mit dem Grundsatzbeschluss, die Vertriebsstrategie künftig nicht an Vertriebskanälen, sondern an Kriterien auszurichten. Die Delegiertenversammlung hat den Vorstand beauftragt, diese Kriterien auszuarbeiten. Daraus ergibt sich die folgende aktuell gültige Beschlusslage zur Vertriebsstrategie:

  • Der Fachhandel bleibt der prädestinierte und bevorzugte Handelspartner für Demeter. Die strategische Partnerschaft mit dem Fachhandel muss gestärkt und ausgebaut werden. Innovationen, Projekte und Marketing werden vornehmlich mit dem Fachhandel umgesetzt. Das DAP-Konzept wird konsequent weiterentwickelt.

  • Die Vermarktung von Demeter-Produkten in Discountern bleibt kategorisch ausgeschlossen.

  • Der Vertrieb von Produkten unter der Wortbild-Marke „Demeter“ über sonstige Kanäle wird an Kriterien gebunden. Qualitätsentwicklung sowie Preis- und Absatzsicherung werden über diese Kriterien mit abgesichert. Dazu werden in den nächsten drei Jahren qualitative und quantitative Kriterien erarbeitet.

  • Solange (die nächsten drei Jahre) gilt natürlich die aktuelle Ver­triebs­strategie(s.o.).

  • Wer die (über Erzeugungs- und Verarbeitungsrichtlinien hinausgehenden) erweiterten Kriterien nicht erfüllen kann oder will, aber biodynamische Rohwaren verwendet und die Verarbeitungsrichtlinien einhält, kann solche Waren mit einem Siegel kennzeichnen.

Qualität der Zusammenarbeit wird Maßstab

Für die qualitativen Kriterien wurde bereits ein Fragebogen zur „Qualität der Zusammenarbeit“ entwickelt. Ziel ist es, die Zusammenarbeit und die häufig diskutierte Wertschätzung zwischen Erzeugung, Verarbeitung und Handel zu verbessern. Damit beginnt das Projekt zur Gestaltung einer neuen Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern des Demeter e. V. Der Fragebogen wendet die sozio-ökonomischen Kriterien des Demeter-Leitbilds auf die Praxis der Zusammenarbeit an. Er kann aktuell von allen Demeter-Mitgliedern erprobt werden. Die quantitativen Kriterien sollen jetzt in einer Arbeitsgruppe erarbeitet und dann in den Gremien diskutiert werden. Die Kunst wird sein, ein Kriterienset zu erarbeiten, das einerseits handhabbar und andererseits wirksam ist. Darüber hinaus sind Betriebsentwicklungsgespräche, wie in der Demeter-Landwirtschaft üblich und erprobt, auch für Unternehmen in Verarbeitung und Handel im Test und als Bestandteil der Zertifizierung vorgesehen. Gelingt all das, wird Demeter mit einem neuen Ansatz, Handel zu gestalten, in dessen Mittelpunkt zweifelsohne der Fachhandel stehen wird, seiner Rolle als Innovator der BioBranche abermals gerecht.