Berichte
Assoziatives Wirtschaften im Biohandel
Konferenz von Grundlagenforum und Wirtschaftskreis
von Michael Olbrich-Majer
Auch im Biohandel gibt es zunehmend konventionelle Strukturen mit entsprechendem Geschäftsgebaren. Der Spirale von Konkurrenz, individuellem Profit und immer niedrigeren Preisen will die biodynamische Bewegung durch den Ansatz des Assoziativen Wirtschaftens begegnen. Bereits im fünften Jahr arbeitet der Wirtschaftskreis der Sektion Landwirtschaft am Goetheanum an diesen Themen, immerhin mehrere Dutzend Teilnehmer stark. Und das Demeter-Grundlagenforum hatte sich 2017 die Arbeit am praktischen Assoziativen Wirtschaften vorgenommen und erste Grundlagen im Frühjahrstreffen gelegt (vgl. LE 4-17).
Nun, wie konkret werden?
Welche Regeln können sich Marktteilnehmer angeregt durch die von Rudolf Steiner geprägte Idee des „assoziativen Wirtschaftens“ für die Zusammenarbeit von Landwirten, Verarbeitern und Handel und Konsumenten geben? Dazu trafen sich Ende November die Teilnehmer von Wirtschaftskreis und Grundlagenforum gemeinsam an der Alanus-Hochschule in Alfter bei Bonn und anschließend in Luxemburg.
Beim assoziativen Wirtschaften geht es um ein gegenseitiges Sich-wahrnehmen und einen gemeinsamen Interessensausgleich aller Beteiligten vom Erzeuger und Züchter bis zum Konsumenten. Instrumente dafür sind dezentrale Lenkungsorgane im Sinne der Dreigliederungsidee Rudolf Steiners wie z. B. regelmäßige Runde Tische, aber auch die bei Demeter eingeführten Betriebsentwicklungsgespräche oder auch Weiterbildungen. Ein praktisches Ziel ist eine möglichst transparente Gesamtkalkulation über die ganze gemeinsame Wertschöpfungskette sowie die Abstimmung von Produktion und Verbrauch, letztlich auch ein angemessener Anteil an der Wertschöpfung für die daran in der Kette Beteiligten.
Welche Elemente gehören dazu?
An dieser Frage arbeiteten die 70 Teilnehmenden intensiv, angeregt durch Vorträge und angeleitet zur konzentrierten Gruppenarbeit. Vier Blickwinkel gaben den Einstieg: Demeter-Landwirt Klaus Wais hinterfragte den trotz passabler Preise nicht enden wollenden Zwang zu wachsen, der Ökobauern (und Naturgrundlage) unter Druck setze. Naturkosthersteller Boris Voelkel warnte vor einer industrialisierten Ökolandwirtschaft ohne gemeinsame Werte und Ideale. Andreas Höritzauer, Landwirt und Vorstand von Demeter-Österreich, plädierte für eine harmonisierte Marktgestaltung über nationale Grenzen hinweg: Nur so sei z. B. regionale Entwicklung möglich, die durch das Vordringen großer (Demeter-) Anbieter aus dem Ausland blockiert werde. Aus der Konsumentenperspektive thematisierte Dr. Jasmin Peschke, die das Thema Ernährung am Goetheanum koordiniert, die verlorengegangene Beziehung zwischen Kunden und Händler: Statt Bedürfnisse zu suggerieren und möglichst anonym zu bedienen, kämen aber Initiativen auf, die auf Dialog, Transparenz und gemeinschaftliches Gestalten setzten.
Der Sozialforscher Wolfgang Tomaschitz aus Wien machte den Anwesenden Mut mit seiner Analyse, dass die Zeit reif sei für neue Kulturtechniken der Selbststeuerung, Kooperation und des Umgangs mit dem „Unverfügbaren“. Udo Herrmannstorfer, anthroposophischer Sozialforscher, gab am Morgen drei Kernaspekte einer neuen Vermittlungs- und Vertragskultur vor: Begegnungsräume organisieren zur Wahrnehmung von Erfahrungen, vernetzt gemeinsam beraten und aus objektivem Gemeinsinn heraus Wirtschaftsprozesse gestalten. Die Brücke zwischen dem gemeinsamen Sammeln und Sortieren der Bausteine und der Ausformulierung an den Folgetagen gab Änder Schanck, Kopf der Oikopolis-Gruppe in Luxemburg: Diese hat mit ihrem Label „fair und assoziativ“ am dortigen Markt bereits ein Modell vorgelegt.
Deshalb fand Schritt zwei der Zusammenkunft in Luxemburg statt: Erleben, was die Oikopolis-Gruppe tut, die einst aus der Biobauerngenossenschaft BIOG entstand und Weiterarbeit an der Charta: Dabei half das Umkehren der Blickrichtung: Anstatt vom Bauern zum Verbraucher zu schauen, ermöglicht der Blick des Kunden, die Wertschöpfung passender und transparenter zu gestalten. Das Beispiel der Sekem Gruppe als Pionier eines umfassenden assoziativen Ansatzes, vorgetragen von Helmy Abouleish, bestärkte die Teilnehmenden: So wurde die erste Fassung einer „Charta für Assoziatives Wirtschaften im Biohandel“ formuliert und von rund 50 Akteuren aus allen Bereichen der biodynamischen Wertschöpfungskette unterzeichnet. Inzwischen liegt eine ausgearbeitete Version vor, der auch weitere Menschen und Unternehmen beitreten können. Die Charta ist eine Selbstverpflichtung, die Arbeit mit ihr wird von der Sektion fortgeführt und es ist zu hoffen, dass sie auch in der Arbeit des Demeter e.V. eine Rolle spielen wird.
Das Grundlagenforum hat sich 2018 das Thema gesetzt: „Landwirtschaft als Organismus vs. Spezialisierung“ und wird am 22./23.März sowie am 22./23. November auf dem Dottenfelderhof stattfinden.